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Die Naturwissenschaften sind dabei, ihr Bild vom Leben radikal zu wandeln. Entstehung und Verhalten von Tieren und Pflanzen lassen sich nur schlüssig erklären, wenn man Empfindung und Werte als Basis aller Lebensprozesse betrachtet. Für die kleinste Zelle wie für den Menschen gilt: Es gibt kein Leben ohne Gefühle. Seit Jahrhunderten erklärt uns die Wissenschaft, dass alle Lebewesen in Wahrheit von Reflexen und Genen ferngesteuert seien. Unsere Freude an der Natur sei nichts als sentimentale Illusion. Gefühle und Naturwissenschaft scheinen unvereinbar zu sein. Doch nun bahnt sich eine…mehr

Produktbeschreibung
Die Naturwissenschaften sind dabei, ihr Bild vom Leben radikal zu wandeln. Entstehung und Verhalten von Tieren und Pflanzen lassen sich nur schlüssig erklären, wenn man Empfindung und Werte als Basis aller Lebensprozesse betrachtet. Für die kleinste Zelle wie für den Menschen gilt: Es gibt kein Leben ohne Gefühle.
Seit Jahrhunderten erklärt uns die Wissenschaft, dass alle Lebewesen in Wahrheit von Reflexen und Genen ferngesteuert seien. Unsere Freude an der Natur sei nichts als sentimentale Illusion. Gefühle und Naturwissenschaft scheinen unvereinbar zu sein. Doch nun bahnt sich eine Revolution im Verständnis von Leben und Lebewesen an. Denn ausgerechnet die Leitdisziplin Biologie steht im Begriff, das Gefühl als Basis des Lebens wiederzuentdecken. Immer mehr spricht dafür, dass alle Organismen von einer mächtigen Kraft zusammengehalten werden: dem Empfinden, was ihnen gut tut und was ihnen schadet. Schon einfache Zellen folgen Werten. Sie sind keine Automaten, sondern Subjekte - anders können Naturforscher die immer erstaunlicheren Lebensvorgänge, auf die sie stoßen, nicht erklären. Die darwinistische Vorstellung, alles Lebendige sei gleichsam mechanisch von einer egoistischen Gier beherrscht, versagt demgegenüber immer häufiger. Tiere und Pflanzen sind uns inniger verwandt, als wir uns lange träumen ließen. An ihnen erfahren wir zentrale Dimensionen unserer Gefühle, ohne die wir seelisch verkümmern müssten. Daraus ergibt sich die - auch politisch - brisante Erkenntnis: Nur wenn wir die Natur bewahren, werden wir langfristig unsere eigene Humanität und Freiheit retten können. Wie Jared Diamond oder Oliver Sacks erzählt Andreas Weber Wissenschaft anhand eindringlicher Erlebnisse. Dank seiner bildhaften, reichen und stets klaren Sprache liest man sein Buch nicht nur mit Genuss, man beginnt auch unweigerlich, die Welt und das Leben in ihr mit anderen Augen zu sehen.
Autorenporträt
Andreas Weber, geboren 1967, studierte Biologie und Philosophie in Berlin, Freiburg, Hamburg und Paris. Als freier Autor, Journalist und Redakteur schreibt er regelmäßig Beiträge für große Magazine und Zeitungen, u. a. für "GEO". Andreas Weber lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2007

Pantoffeltierchens Leid
Unheimliche Gefühle im Naturreich: Der Biologe und Philosoph Andreas Weber fordert eine Revolution in den Lebenswissenschaften

"Leben ist Sehnsucht, Kampf, Triumph und Versagung", schreibt Andreas Weber. Die Wurzeln der Ethik seien pragmatisch: Die menschliche Moral wurzele fest in den Emotionen unserer Vorfahren.

Alle bisherige Biologie war ein Irrweg. Sie dachte Organismen nach dem Modell kleiner Maschinen. Eine neue Biologie, nein: eine "schöpferische Ökologie" muss her. So klingt die Revolution, die der Biologe und Philosoph Andreas Weber in seinem neuen Buch ausruft - ganz entscheiden kann er sich dabei jedoch nicht. Will Weber schildern, wie die Biologie heute neue Themenfelder auftut: Selbstorganisation, komplexe Wechselwirkungen, Emotionen? Oder stellt Weber seinen Lesern eine ureigene, ganz und gar neu entworfene Kosmologie des Fühlens vor?

Eher Letzteres ist der Fall. Schöpferische Ökologie: Das soll nicht weniger bedeuten als die Wissenschaften von Natur und Leben, aber auch die Philosophie von einer Physik des Gefühls her neu zu denken. Die Lebenswissenschaften, so Weber, belegten es inzwischen selbst: Die Materie als solche sei schöpferisch. Und zwar eben nicht aus blinder, nutzenorientierter Gier, wie es das "Darwinistische Dogma" behaupte. Sondern eigensinnig, aus Überfülle. Ökosysteme verfügen über eine Art von Kognition, und Subjektivität kommt auch den Tieren und Pflanzen zu, im Grunde sogar jeder Zelle: "Alles Lebendige strebt nach Sein."

Vor allem hat Leben Gefühle. Diese Einsicht nennt Weber "Materialismus" und schließt an den Selbstorganisationstheoretiker Francisco Varela und das von dem Neuronenforscher Antonio Damasio inspirierte Theorem einer Physikalität der Gefühle. Ob das Wort Materialismus wirklich passt, fragt man sich bei der Lektüre ratlos, denn der Autor arbeitet mit einer wilden Mischung von Bezügen - zu Fechner, Peirce, Portmann, der Quantenphysik bis hin zur Phänomenologie Maurice Merleau-Pontys und der neurophysiologisch grundierten Metapherntheorie von Lakoff und Johnson. Jedenfalls soll es ausdrücklich um das Gefühl als Potential der Materie gehen, um Leben als etwas Ganzheitliches. Nach Weber hält das Leben selbst unterhalb aller Sprache in Gestalt der Emotionen eine "Lingua franca" bereit: die Emotion. Gefühle teilen sich allem, was ebenfalls lebt, "sichtbar" mit. Sichtbar: das heißt auf ästhetische Weise und daher auch unmittelbar verstehbar. Wir spüren das Leiden des anderen körperlich, das will Weber mit dieser starken These sagen. Das Pantoffeltierchen, das ich im Wassertropfen unter dem Mikroskop betrachte, krümmt sich, gebe ich ein Gift hinzu. Dies zu sehen bedeutet, den Schmerz des anderen Lebewesens zu spüren. Und wer da nichts spürt - der hat etwas verloren. Der entbehrt eine Dimension seiner selbst.

Nicht durch funktionale Zwecke - Fortpflanzung und Überleben -, sondern durch die "Sehnsucht" nach Leben werde der biologische Kosmos zusammengehalten. Kein Lebendiges ist allein, alles beseelt, in Symbiose: Romantische Motive sind berührt, ohne dass Weber, der seine Stichworte eher lose verknüpft, diese Verbindung weiterverfolgt. Eine neue Lebensphilosophie vielleicht also. Oder in vielem auch gar keine Theorie, sondern eher eine suggestive Erzählung. Denn Weber sucht poetische Wendungen, will überhaupt die wissenschaftsbedingte "Trennung von menschlichem und anderem Leben, von Ich und Welt, von Geist und Gedicht" überwinden und durchmischt seinen Text daher - durchaus konsequent - mit eigenem Erleben.

Weber schildert die Kröte im Dorfteich, den Blick eines Wüstenwolfs, eine Begegnung mit Delphinen vor La Gomera - und schließlich ein als Student selbst mit durchgeführtes grausames Tierexperiment. Mal für Mal blickt mit schwarzen Augen die Natur ihn, nein: "uns" direkt an. Die erste Person Plural verwendet das Buch oft. "Die symbiotische Sichtweise eröffnet uns eine Heimat im Herzen der Dinge."

Tja. Wer wollte nicht im Herzen der Dinge beheimatet sein? Trotzdem hinterläßt Webers Schöpferische Ökologie ein ungutes Nachbild. Nicht weil sie so schwärmerisch fabuliert, sondern weil Weber den Holismus des Gefühls in eine Ethik münden lässt - und weil hier nun bei näherem Hinsehen der Wertbegriff eine so zentrale Rolle spielt.

Neben "Natur" und "Gefühl" ist "Wert" bei Weber ein weiteres Synonym für "Leben". Nicht nur soll alles Leben - auch das der Tiere und Pflanzen - einen Eigenwert haben, sondern gefordert wird eine Ethik, die der Einsicht Rechnung trägt, dass Leben "aus sich heraus Werte setzt". Und da Leben in allen seinen Spielarten für Weber eine körperliche Angelegenheit ist, bemessen körperliche "Lebenssehnsüchte" die Moral. Das Bakterium bereits trifft solche Wahlentscheidungen. Und es generiert "Wert", einen moralischen Wert, der mit allen anderen "Werten" oder auch "Interessen" in der Fülle des Lebendigen zusammen zu denken ist.

Weber betont die Vernetzung, nicht die Konkurrenz. Neben fünf "Lehrsätzen einer Schöpferischen Ökologie" postuliert er eine Skala "biozentrischer" Werte: Natur ist reales Sollen, Sichtbarkeit von Seele, Referenz von Gefühl, Anderes unserer Selbst, Reich der Möglichkeiten und Ort des Absoluten. Daher müssen "wir" die Natur als Leben und Gefühlssubjekt radikal schützen - für die Tier- und Pflanzenethik eine vertraute Denkfigur.

Wie aber steht eine solche Lebenswertethik zum Tod, speziell zum Tod von Menschen? Wie verhält sie sich, wenn die "Lebenssehnsüchte" schwinden oder wenn die Lebensbegehren von Lebewesen gegeneinander stehen? "Was dem Ich dient", schreibt der Autor, "mag der Welt genommen werden. Unter den Gesetzen der Körperlichkeit beeinträchtige ich anderes Leben. Damit etwas sei, muss anderes vergehen."

Nach Weber ist Leben "Sehnsucht, Kampf, Triumph und Versagung". Die Wurzel der Ethik sei pragmatisch, die menschliche Moral wurzele fest in den Emotionen unserer Vorfahren, und wir seien Teil eines Netzes, in dem das eine durch das andere spricht. "Die Ethik, die wir nötig haben", soll nach Weber "zwei Kriterien genügen: Sie muss einerseits berücksichtigen wie biologische Subjektivität entsteht, und dass die Grundlage allen Strebens ein unversehrter Leib ist. Sie muss aber zugleich respektieren, dass die Grundlage der Gerechtigkeit das Netz ist, nicht der Einzelne."

Es mag sein, dass Weber bei der Vorstellung, dass eines vergehen muss, damit das andere sei, an nichts anderes gedacht hat als an das Frühstücksei, das auch der schöpferische Ökologe morgens köpft. Dennoch wohnt diesem Blick auf ein ganzes Universum sich vergeblich geltend machender Werte etwas Unheimliches inne. In Webers Buch fällt das Wort Tod nur ganz selten, aber wo es fällt, wünscht man sich andere Maße als nur das Lebensbegehren zurück. Der "stets drohende Tod", heißt es einmal, "ist die Triebkraft der Existenz. Leben muss scheitern können, um die Möglichkeit zu haben, auch zu siegen."

PETRA GEHRING

Andreas Weber: "Alles fühlt". Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften. Berlin Verlag, Berlin 2007. 351 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In einem sehr dichten Überblick über neue Bücher zur Evolution und dem Selbstverständnis des Menschen nimmt sich Helmut Mayer den breitesten Raum für Andreas Webers Buch "Alles fühlt". Leider möchte man sagen, denn von den erwähnten Titeln schneidet dieser am schlechtesten ab. Folgen mag Rezensent Mayer dem Autor noch in der Ansicht, dass alles Lebendige in einem komplexen Netzwerk miteinander verbunden ist, dass Organismen nicht wie Uhrwerke arbeiten und dass sie, wie er zitiert, "ihre Umgebung interpretieren und bewerten und nicht sklavisch Reizen folgen". Doch wenn Weber dann von der "schöpferischen Ökologie" spricht, von der mächtigen Kraft, die alles zusammenhält und dem "Gefühl als Zentrum des Lebens", verliert er recht schnell die Sympathie des Rezensenten. Da braucht es dann gar nicht mehr "den schweigenden Blick des Molchs", um stumm den Kopf zu schütteln.

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