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Irgendwo in den Bergen, ein einfaches, einsam gelegenes Haus. Ein Mann entdeckt es und nimmt es mit seiner Familie in Besitz. Mit ihm hat er, so glaubt er, sein Glück gefunden. Das Leben scheint ein selbst ernanntes Idyll. Doch erste Irritationen schleichen sich in die Mitteilungen, die er seinem "lieben Freund" schreibt. Immer seltener verlässt er das Haus, betrachtet die größer werdenden Kinder mit wachsendem Argwohn. Das gepriesenen Haus wird zur Bühne aberwitziger Begebenheiten, und eine Geschichte nimmt ihren Lauf bis zu einem einsamen Ende.
STILL LEBEN ist ein modernes Märchen, Briefe
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Produktbeschreibung
Irgendwo in den Bergen, ein einfaches, einsam gelegenes Haus. Ein Mann entdeckt es und nimmt es mit seiner Familie in Besitz. Mit ihm hat er, so glaubt er, sein Glück gefunden. Das Leben scheint ein selbst ernanntes Idyll. Doch erste Irritationen schleichen sich in die Mitteilungen, die er seinem "lieben Freund" schreibt. Immer seltener verlässt er das Haus, betrachtet die größer werdenden Kinder mit wachsendem Argwohn. Das gepriesenen Haus wird zur Bühne aberwitziger Begebenheiten, und eine Geschichte nimmt ihren Lauf bis zu einem einsamen Ende.

STILL LEBEN ist ein modernes Märchen, Briefe an einen Freund, geschrieben wie Prosagedichte. Aber wer ist der Freund? Ein Alter ego des Schreibers? Oder wird der Leser zum Freund, wenn er - im Verlauf der Lektüre - diese Parabel mit seinem eigenen Leben füllt?
Autorenporträt
Jan Peter Bremer wurde 1965 in Berlin geboren, wo er heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt. Für seinen Roman "Der Fürst spricht" (1996) erhielt er den Ingeborg-Bachmann-Preis. Er war u.a. Inselschreiber auf Sylt, hatte ein Aufenthaltsstipendium des Künstlerhauses Edenkoben und unterrichtete am deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er veröffentlichte zahlreiche weitere ausgezeichnete Romane, Hörspiele und ein Kinderbuch. Für seinen Roman "Der amerikanische Investor" (2011) wurde er zuletzt mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Mörike-Preis und dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2006

Bewußtsein mit Schrägfenstern
Poststempel Allegoria: Ein Briefroman von Jan Peter Bremer

Mein lieber Leser, wie lange schon richten sich die Gedanken von Romanfiguren an ein Gegenüber, suchen im Brief nach Halt und Bestätigung! Seit zweihundertfünfzig Jahren kommt das vor. Da will auch ich diesmal nicht alleine sein, sondern an Dich denken, wenn ich die Parabel von Jan Peter Bremer zur Hand nehme. Ja, es ist eine Parabel in vielen knappen Briefen. Denn hinter den Zeilen der postalischen Mitteilungen blitzt eine verborgene Bedeutung hervor, etwas, womit das Geschehen verglichen wird. Ist bei Rätselfreunden beliebt, sagst Du immer, die sich für Kafka oder Brecht halten.

Was ist es für ein Erzählbild, das uns der Autor entwirft? Es sieht so aus: Ein sonderbarer Mensch zieht mit seiner Frau und zwei Kindern in ein der Welt entrücktes Refugium. Dort gibt es ein Haus, ein Bett, einen Tisch, an dem ausschließlich Kartoffeln gegessen werden. Jeden Morgen tritt der Mann vor die Tür und wandert zu der Stelle, von der aus er das Haus zum ersten Mal erblickte. Seine Beine werden ganz weich, er sinkt in die Wiese und läßt das Glück auf sich wirken, das ihn an dieser Stelle so mächtig berührte. Er äußert in wohlgesetzten Worten die Ansicht, daß er ihm keine Sekunde mehr entrinnen werde. Tatsächlich?, höre ich Dich fragen. Denn der Feier des Lebens hat sich die moderne Parabolik ja gewiß nicht verschrieben.

Und sehen wir nicht bald, daß sich die gewaltige Sehnsucht nach Nähe, nach Gattenliebe auch in dieser selbstgenügsamen Familie nicht erfüllt? Du kannst Dir nicht vorstellen, wie dem Erzähler die Blicke seiner Frau und die Worte seines Sohnes zusetzen. Überdies spricht er mit Schrecken von den Löchern in seinen Strümpfen. Nur an seinem Tisch, beim Schreiben von Briefen, findet er zu sich selbst. Liegt es da nicht nahe, lieber Leser, daß er sich von diesem Ort nicht mehr entfernt, den Kopf sinken und seine Gedanken zu den Strumpflöchern wandern läßt, von denen er in feierlichem Ton verkündet, es gehe nun keine Gewalt mehr von ihnen aus? Nichts schöner als ein Bewußtsein mit Schrägfenstern, pflegst Du zu sagen. Klar, daß sich hier jeder Zusammenhang ins Absurde und Surreale verzerrt.

Denke Dir den Erzähler in zunehmender Erstarrung, aus der heraus er seine Familie betrachtet und ihr in geschliffener Prosa beizukommen sucht: Der Sohn wächst langsam heran und rennt mit einer Säge aus dem Haus. Wolken ziehen, Regen und Sturm wüten, und die kartoffelnkochende Gattin beginnt ihre Zehennägel für einen anderen Mann zu lackieren. Als sie Kirschen aus ihrem Ausschnitt zaubert, fällt dem Erzähler die Zunge aus dem Mund und hängt kühl zwischen seinen Lippen. Die Tochter kriecht gewohnheitsmäßig unter den Tisch und schluchzt dort auf die löchrigen Socken des Vaters. Da alles miteinander korrespondiert, schwillt der Sturm mächtig an, und eine Leine mit kalkweißem Laken durchtrennt das Zimmer und die Familie.

Warum müssen da eigentlich allegorische Wäscheleinen herumhängen und Zungen zwischen den Zähnen erkalten? Warum kann man nicht einfach sagen, was man meint? Ich sehe Dich vor mir, liebster Leser, wie Du diese naive Frage zurückhältst. Aber: Gibt es Kunst ohne Konstruktion? Kann man Verstörung ohne Verfremdung zeichnen? Niemals, beschwört der Erzähler, wird ihn das kleine Haus hergeben. Wenn es dunkel ist, rücken die Wände auf ihn zu und schmiegen sich an ihn. Vom frühen Morgen bis in den späten Nachmittag hinein zieht er die Holzsplitter wieder heraus, die sich fest in ihn eingebohrt haben. Auch die schmerzhafteste Parabel will gedeutet werden. Diese hier zeigt den Wunsch des Menschen, sich zu binden. Die Gefahr, lieber Leser, könnte darin liegen, an den eigenen, überreizten Ansprüchen zugrunde zu gehen.

SANDRA KERSCHBAUMER

Jan Peter Bremer: "Still Leben". Kurzroman. Berlin Verlag, Berlin 2006. 96 S., geb., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.10.2006

Kitsch und Komik
Jan Peter Bremers spielerischer Kurzroman „Still leben”
Angenommen, es gäbe eine Kommunikationsform, auf die der Begriff Idylle zutrifft, wäre dies wohl das Selbstgespräch. Nur wer mit sich selbst spricht, hat den idealen Zuhörer für seine Mitteilungen, die nichts und niemand stören; keine Unterbrechungen, keine falsch verstandenen Formulierungen, kein unpassender Widerspruch, keine Konflikte, kein peinliches Schweigen. Nur ist das kontakt- und weltlose Selbstgespräch nicht nur idyllisch, sondern auch ein bisschen gaga. Hinter dem hermetischen Ideal lauert, wie auch im bildlichen Idyll, der Schrecken.
Das sind die Voraussetzungen des sehr kleinen und sehr konsequenten Buches „Still leben” von Jan Peter Bremer, das sich ganz zu Recht „Kurzroman” nennt. Nicht mehr als 88 Seiten, die meisten davon nur dreiviertel oder halb bedruckt mit Briefen. Der Erzähler schreibt sie an einen Unbekannten, Gestaltlosen, den er mit „Mein lieber Freund” anredet. Es ist eine einseitige Korrespondenz, der Freund schreibt nie zurück, ob es ihn gibt, ist fraglich. Denn die abgeschiedene Szenerie, von der die Briefe ausgehen und die sie tagebuchartig beschreiben, entspricht der Einsamkeit des Selbstgesprächs.
Der Briefschreiber hält sich mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem Haus oben im Gebirge auf, weit weg von jeder Menschenseele und von der Zivilisation, wo und wann genau wird in Bremers märchenhafter Parabel nicht gesagt. „Wir sind weit fort” heißt es ganz einfach im ersten Satz des ersten Briefes. Im Haus ist es behaglich, die Kinder, die am Anfang noch klein sind, spielen lustig im Freien, „einmal in der Woche steigt meine Frau ins Tal hinab um Besorgungen zu machen”.
Das kleine alpine Familienparadies ist nicht ohne Kitsch und ohne Komik, beides vom Autor mit Distanz eingesetzt. Sein Briefschreiber, lässt er durchblicken, ist nicht recht ernstzunehmen, sein kleiner Briefroman eine dezente Parodie zum Thema glückliche Familie. Von Brief zu Brief wird klarer: Nichts ist verdächtiger als das familiäre, buchstäbliche Bilderbuchglück, nichts katastrophenanfälliger als die erzwungene Idylle. Kein Brief an den lieben Freund, in dem nicht von kleinen und größeren Störungen und Zwischenfällen berichtet würde. Die Frau verspätet sich bei ihren Einkäufen im Tal, im Mann breitet sich das Gift des eifersüchtigen Verdachts aus. Der Sohn wird größer, selbstständiger, er verschwindet, wann und wohin er will. Dazu Bedrohungen von außen, mal eine bösartige Wespe, die nicht totzukriegen ist, mal ein Fremder, der das Haus umschleicht. Ganz zu schweigen von den handwerklichen Malaisen des Hauses selbst.
Der Mann im Selbstgespräch aber zieht sich von allem mehr und mehr zurück, zuletzt von sich selbst. Die eigentliche Bedrohung des Idylls ist die Selbstauflösung und dieses mähliche Verschwinden bildet Bremers, nah am Verstummen und in maximaler Entfernung zur zeitgenössischen realistischen Erzählliteratur errichteter Text plausibel ab. Jan Peter Bremer ist ein Spezialist der minimalistischen Form, der kleinen literarischen Spielerei. Seine Bücher ähneln poetischen Wurfsendungen – ihre Reduktion ist gelegentlich von Manierismus nicht ganz zu unterscheiden.URSULA MÄRZ
JAN PETER BREMER: Still leben. Kurzroman. Berlin Verlag, Berlin 2006. 88 Seiten, 14 Euro.
Jan Peter Bremer
Foto: Dan Wesker
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

88 Seiten hat dieses Buch gerademal, doch für die Rezensentin scheint es ein aufregendes Leseerlebnis gewesen zu sein. Mit Staunen und Bewunderung beobachtet Silvia Hess, wie es Jan Peter Bremer gelingt, in "brillant präzisen Strichen" eine vierköpfige Familie zu zeichnen, die auf der Stelle tretend geradewegs in die Katastrophe marschiert. Allerdings warnt sie auch, Bremers Sätze wörtlich zu nehmen: "Wer ihnen arglos hinterherläuft, geht in die Irre." Eher entfalten sich die Bilder und die "rasant bodenlose Handlung" wie mit einem "Messer ins Eis geritzt", erklärt sie das Geheimnis dieser Prosa, die ihr an anderer Stelle vorkam wie "Theater vor gleißender Bühne".

© Perlentaucher Medien GmbH