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Ali und Mamed freunden sich im kosmopolitischen Tanger der fünfziger Jahre an. Sie durchleben gemeinsam Schulzeit und politische Repression, retten einander das Leben im militärischen Erziehungslager. Die Freundschaft übersteht studien-, ehe- und berufsbedingte Trennungen. Drei Jahrzehnte lang. Bis der eine an Krebs erkrankt und sich vom anderen zurückzieht. Jeder der beiden Freunde erzählt seine Version der Geschichte, und es ist, als hätten sie nicht dieselbe erlebt.

Produktbeschreibung
Ali und Mamed freunden sich im kosmopolitischen Tanger der fünfziger Jahre an. Sie durchleben gemeinsam Schulzeit und politische Repression, retten einander das Leben im militärischen Erziehungslager. Die Freundschaft übersteht studien-, ehe- und berufsbedingte Trennungen. Drei Jahrzehnte lang. Bis der eine an Krebs erkrankt und sich vom anderen zurückzieht. Jeder der beiden Freunde erzählt seine Version der Geschichte, und es ist, als hätten sie nicht dieselbe erlebt.
Autorenporträt
Tahar Ben Jelloun, geb. 1944 in Marokko, lebt in Paris. Er gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb. 2011 wurde Tahar Ben Jelloun mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.05.2005

So harmlos sind die Männer
Tahar Ben Jellouns Roman „Der letzte Freund”
Wo Männer aufeinander treffen, geht es um Frauen, Macht und Ehre. Da entsteht ein Kraftfeld, das wie von selbst Tragödien hervorbringt. Auch Tahar Ben Jelloun verlässt sich in seinem jüngsten Roman auf die archaischen Gewalten zwischen Männern. Ohne erzählerischen Schnickschnack rollt der in Paris lebende marokkanische Autor die Geschichte von Ali und Mamed auf, deren Freundschaft ein Leben lang dauert und im Angesicht des Todes plötzlich zerbricht.
Die Schüler Mamed und Ali lernen sich im Marokko der fünfziger Jahre kennen. Im Nachbarland Algerien tobt der Krieg, und auch in der kosmopolitischen Stadt Tanger, in der der Roman seinen Ausgang nimmt, ist die Atmosphäre aufgeheizt. Die Gesellschaft ist gespalten, die Jugend liest Sartre und Camus und befindet sich im Aufruhr. Das ist eine aufregende Kulisse, die man gerne plastisch vor Augen hätte. Bedauerlicherweise wird sie nicht weiter ausgearbeitet.
Anders die Beziehung der beiden Jungen. „Mit fünfzehn schwanken die Gefühle. Damals interessierten wir uns mehr für Liebe als für Freundschaft. Wir hatten alle ein Mädchen im Kopf”, stellt Ali fest. Und so sehen wir Mamed und Ali bei den Dingen zu, die Jungs in diesem Alter machen: Sie saufen und rauchen, masturbieren um die Wette und versuchen, Mädchen ins Bett zu kriegen. Später erleben wir sie im Puff und in einem Erziehungslager, wo sie sich gegen ihre Schinder verbünden. Nach dem Abitur trennen sich ihre Wege, der eine wird Lehrer, der andere studiert Medizin und wandert nach Schweden aus. Die nächste Etappe der Freundschaft stellt sich als Abfolge gemeinsam erlebter Harmlosigkeiten dar. Man trifft sich im Café, redet über Politik oder die Kinder.
Als Mamed die Freundschaft von einem Tag auf den anderen für beendet erklärt und einen lächerlichen Streit um Geld vom Zaun bricht, versteht Ali ihn nicht mehr: „Was verbarg sich hinter dieser Tragödie?” Die Antwort bleibt uns Tahar Ben Jelloun schuldig, auch wenn sein Roman wie eine antike Tragödie gebaut ist. Er besteht aus zwei großen Blöcken, in denen die Geschichte erst aus der Perspektive Alis und dann aus der Mameds erzählt wird. Am Ende gesellt sich Ramon hinzu, ein Freund der beiden. Er schildert seine Sicht der Dinge. Die drei Teile sind in Ich-Form verfasst und erinnern an Theatermonologe.
Die Bedeutungsschwere, die sich aus dieser statischen Form ergibt, findet inhaltlich keine Entsprechung. Weder das, was die Freunde verbindet, noch das, was sie am Ende trennt, hat das Zeug, Mitleid und Furcht zu erregen. Sieht man von zänkischen Ehefrauen und Meinungsverschiedenheiten über Politik ab, gibt es in ihrer Beziehung keine besonderen Spannungen. Auch die Tiefe des Gefühls, die Mamed dazu bringt, seinen Freund aufzugeben, kann der Leser nicht nachvollziehen. Nicht einmal die Kluft zwischen Nordeuropa und Nordafrika birgt hier Konfliktpotential. Über kulturelle Unterschiede werden in dem Roman meistens Späßchen getrieben: „Schweden produzieren keinen Staub,” protokolliert Mamed, „oder was machen die mit dem ganzen Staub der Dinge? Wahrscheinlich recyclen sie ihn . . .”
Am Ende muss Tahar Ben Jelloun die Geschichte mit einem Brief auflösen, in dem Mamed eine existentialistisch anmutende Theorie entwickelt und sein Verhalten mit dem Satz begründet: „Du warst jener Spiegel, in den ich nicht sehen konnte, aus Schwäche, aus verletzter Eitelkeit und, ich gestehe, vielleicht aus furchtbarer und unserer Freundschaft unwürdiger Eifersucht.” Daraus lässt sich ableiten, dass es für eine und dieselbe Sache oft sehr unterschiedliche Sichtweisen gibt. Wahrscheinlich sind Männerfreundschaften auf der ganzen Welt gleich schlicht.
VERENA MAYER
TAHAR BEN JELLOUN: Der letzte Freund. Aus dem Französischen von Christiane Kayser. Berlin Verlag, Berlin 2004. 224 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2004

Es scheppern die Anekdoten
An der eigenen Konstruktion gescheitert: Tahar Ben Jelloun verrätselt die Geschichte einer zerbrochenen Männerfreundschaft

Freundschaft setzt Gegenseitigkeit voraus, ebenso wie Zweikampf und Warentausch. Aus welcher Perspektive auch erzählt, bewegt sich dieses Spiel von Absolutheitsanspruch, Fusionseuphorie, Enttäuschung, Bruch, Bangen, Versöhnungswunsch und untilgbarer Ewigkeitsahnung in der Literatur narrativ jeweils im Doppelschritt von Stand- und Spielbein voran. Eine Hauptfigur mit dem Pulsschlag eines Ich trägt die Handlung, ihr Gegenüber umspielt sie mit dem eines Du oder Er. Wer dieses Pulsieren von Anziehung und Abstoßung brechen und etwa durch ein doppeltes Ich ersetzen will, der muß sein Erzählhandwerk hervorragend kennen. Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun hat oft gezeigt, wie gut er es kennt.

Dennoch klingt es in dieser Freundschaft zwischen Ali und Mamed, die in diesem Roman nacheinander und jeweils in Ich-Form dieselbe und zugleich eine ganz andere Geschichte erzählen, nur hohl. Die Gesamtresonanz, die im Abgrund dieser großen, heiteren und tragischen Freundschaft zumindest die beiden Stimmen hätte zusammenbringen sollen, kommt nicht zustande. Es scheppern die Anekdoten. Das Projekt, eine Romanparabel zum Thema Freundschaft im Doppelspiegel derselben Geschichte mit den Ereignissen von Entkolonialisierung, Algerienkrieg, Modernisierung, Traditionswahrung und Kulturverschränkung zwischen Nordafrika und Nordeuropa zu verbinden, ist mißlungen. Es hätte nicht zu mißlingen brauchen - auch wenn dieser Autor in den letzten Jahren wiederholt gezeigt hat, wie weit er mitunter hinter seinem Talent zurückbleiben kann. Was in tausend historischen und subjektiven Erfahrungssplittern auf die affektive Verstrickung der beiden Freunde hätte zurückstrahlen können, wird hier einfach schematisch heruntererzählt. Manchmal scheint es, als lese man den Rohentwurf eines Romans.

Der sensible, eher introvertierte und etwas schwärmerisch veranlagte Ali kommt als Kind aus der vornehm mittelalterlichen Stadt Fès ins anrüchig moderne Tanger und freundet sich dort mit dem draufgängerischen, selbstherrlichen und zwanghaft provokativen Mamed an. In unternehmungslustiger Komplizenschaft durchleben die beiden zwischen Bordell und Schleier die Pubertät, zwischen Hörsaal und politischem Straflager die Studentenzeit, zwischen Heimweh im Ausland und Fernweh wieder daheim den Eintritt ins Erwachsenenalter. Dreißig Jahre lang sind sie befreundet. Statt Filmregisseur ist Ali Lehrer in Tanger geworden, Mamed ist mit Frau und Kindern für die Weltgesundheitsorganisation nach Stockholm gezogen: Soweit es diese Fakten angeht, stimmen die Erinnerungsberichte der beiden Freunde überein.

Was es aber mit jenem Brief auf Umweltpapier mit der König-Hassan-Briefmarke, den Ali noch im Prolog zu lesen bekommt, genau auf sich hat, das ergibt sich weder aus dem einen noch aus dem anderen Bericht, noch aus deren Kombination. Es ist ein Brief mit "brutalen, trockenen, endgültigen Sätzen", kein schlechter Witz, sondern geschrieben, um den Empfänger zu zerstören. Das Rätsel der Freundschaft, der er entspringt, hat mit selbstlosem Idealismus, kleinlicher Selbstsucht, hohen Grundsätzen, materialistischem Kalkül, hat mit einer vermurksten Immobilientransaktion und einer verheimlichten Krebserkrankung zu tun. Es könnte ein schönes und bewegendes Rätsel sein, das sich uns da im Fortgang der Ereignisse immer gerade so weit auflöst, daß es noch fremder wird. Denn der im Prolog angekommene Brief auf dem Umweltpapier und mit der König-Hassan-Briefmarke nimmt einen anderen vorweg, ein Postskriptum, das eine neue, in ihrer Versöhnlichkeit noch grausamere Wahrheit des letzten Freundes enthält.

Aus dieser getrübten Offenheit der Figuren zueinander hat der Erzähler sich aber spurlos abgesetzt und vergessen, für die notwendige Spannung zwischen den beiden Erzählversionen zu sorgen. Verbindend hat er nur einen Nachtrag angehängt mit dem Kommentar des gemeinsamen Freundes Ramon, der sich jedoch seinerseits schnell aus dem Staub macht. "Wir waren wie zwei aufgeschlagene Bücher", resümiert Mamed einmal seine Beziehung zu Ali: "Wir waren einander durchschaubar." Durchschaubar, ja, und von den Schutzmauern, die von der - sonst zuverlässig arbeitenden - Übersetzerin dafür ins Spiel gebracht werden, steht nichts im französischen Text. Hätte der Erzähler vor seinem Rückzug die Zeichen der beiden Textfassungen in dieser allzu durchschaubaren Mitte sorgfältiger aufeinander abgestimmt, könnten wir uns lesend in sie verlieren. So stolpern wir nur darüber hinweg dem Romanende entgegen.

Tahar Ben Jelloun: "Der letzte Freund". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Christiane Kayser. Berlin Verlag, Berlin 2004. 157 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Joseph Hanimann ist Bedauern darüber anzumerken, dass er diesen Roman verreißen muss. Doch die darin geschilderte Freundschaftsgeschichte findet er schlicht nur hohl. Einen Grund für das Scheitern des Romans sieht er unter anderem in der Romankonstruktion, der Entscheidung Tahar Ben Jellouns, die Geschichte der gescheiterten Freundschaft zweier Männer als Parabel zum Thema "im Doppelspiegel derselben Geschichte" zu erzählen. Dabei hat Ben Jelloun aus der Sicht des Rezensenten vergessen, für die notwendige Spannung zwischen beiden Erzählversionen zu sorgen. Das Projekt der doppelten Erzählung derselben Geschichte vor dem Hintergrund von "Entkolonialisierung, Algerienkrieg, Modernisierung, Traditionswahrung und Kulturverschränkung zwischen Nordafrika und Neordeuropa" findet Hanimann deshalb misslungen, weil die Geschichte einfach so anekdotenscheppernd heruntererzählt werde. Manchmal erschien es dem Rezensenten sogar, als lese er nur einen Rohentwurf des Romans.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Dieser Roman zeigt das Porträt der ebenso archaischen wiemodernen arabischen Gesellschaft in einer Offenheit wie seltenzuvor." - Kulturradio