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Schlesien - eine Landschaft, die einem oftmals als Projektionsfläche der wehmütigen Erinnerungen von Eltern oder Großeltern erscheinen will; Galizien - einst das kulturelle Herzstück des alten Mitteleuropa, zerstört durch Holocaust, Krieg und Diktatur - Sinnbild einer versunkenen Welt. Roswitha Schieb unternimmt eine Reise und schenkt den Lesern und Leserinnen einen kenntnisreichen, wunderbar poetischen Text, der Schlesien und Galizien auch für uns in die Gegenwart holt, ohne die Vergangenheit zu verdrängen.

Produktbeschreibung
Schlesien - eine Landschaft, die einem oftmals als Projektionsfläche der wehmütigen Erinnerungen von Eltern oder Großeltern erscheinen will; Galizien - einst das kulturelle Herzstück des alten Mitteleuropa, zerstört durch Holocaust, Krieg und Diktatur - Sinnbild einer versunkenen Welt. Roswitha Schieb unternimmt eine Reise und schenkt den Lesern und Leserinnen einen kenntnisreichen, wunderbar poetischen Text, der Schlesien und Galizien auch für uns in die Gegenwart holt, ohne die Vergangenheit zu verdrängen.
Autorenporträt
Roswitha Schieb wurde 1962 in Recklinghausen geboren. Sie veröffentlichte 1996 Das teilbare Individuum. Körperbilder bei Ernst Jünger, Hans Henny Jahn und Peter Weiss. 1999 erschien Rügen. Deutschlands mytische Insel (Berlin Verlag) und im Jahre 2000, ebenfalls im Berlin Verlag, Reise nach Schlesien und Galizien. Eine Archäologie des Gefühls .Ein Buch zu Peter Steins Faust-Inszenierung kam ebenfalls 2000 heraus. Roswitha Schieb lebt mit ihrer Familie in Borgsdorf bei Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2001

Archäologie des Gefühls
Eine literarisch-sentimentale „Reise nach Schlesien und Galizien”
Josef, den Nachbarsjungen, nannten alle Peppi. Er und seine Familie waren Vertriebene. Das klang für uns Kinder wie „Dänen” oder „Preußen”. Über Schlesien, die verlorene Heimat, redeten sie nicht.
Erst als ich nun Roswitha Schiebs anregend kluges Buch „Reise nach Schlesien und Galizien” las, erkannte ich, wie typisch das für die Situation der Vertriebenen war. In Breslau, wohin die Polen aus Lemberg von Stalin zwangsumgesiedelt wurden, war die Situation zu Ostblockzeiten nicht anders. Aus Rücksicht auf den „großen Bruder” durfte dort gleichfalls nicht über die alte Heimat im Osten gesprochen werden.
Über der augenöffnenden Lektüre fiel mir plötzlich auch auf, dass ich den Begriff „Vertriebene” nie auf meine Eltern angewendet und sie sich selbst nie so genannt hatten, obwohl mein Vater in Graudenz (Westpreußen, heute das polnische Grudziadz), meine Mutter in Königsberg (Ostpreußen, heute das russische Kaliningrad), geboren wurde. Ein Tabu lag auf dem Wort, das als Synonym galt für Reaktionäre, Revanchisten, Ewiggestrige, Nationalisten oder gar für Nazis.
Schiebs Buch, das wunderbarerweise in allem das Gegenteil dessen ist, was man reflexhaft befürchten könnte, stößt ein Tor auf zu Regionen, die nicht einmal mehr sagenhaft waren, sondern einfach vergessen, verdrängt, verboten – und die Autorin geht selbst durch dieses Tor hindurch. Von mehreren „sentimental journeys” handelt das Buch, welche die Tochter von Flüchtlingen (Jahrgang 1962, Germanistin und Kunsthistorikerin) in den vergangenen Jahren unternommen hat, manche davon mit ihren Eltern. Was sucht, was findet eine Nachgeborene in den ehemals deutschen, den ehemals polnischen „Ostgebieten”?
Schieb öffnet – wie schon in ihrem wunderbaren Buch über Rügen – den Blick für die Dimension der Erinnerungsräume und der heutigen Landschaften. Das persönliche Empfinden verbindet sie unangestrengt mit ihren reichen Kenntnissen über die Jahrhunderte deutscher Kultur in Schlesien, die Jahrhunderte einer polnisch-jüdisch-österreichisch-böhmisch- ruthenischen Mischkultur in Lemberg – oder sollte man sagen Lwiw oder Lwow oder Lwów oder Leopolis? Sie verknüpft den schuldbewussten, wissenden, analytischen Blick mit dem unvorbelasteten, neugierigen. So bewundert sie die Kleidung der Breslauerinnen, sieht fast ausgetilgte Überreste der ausgetriebenen Völker, genießt ein Bad in Tarnopol, erkennt alt-neuen Rassenhass, ungebändigte Lebenslust und Bildungsfreude, den Stolz auf mühsam konstruierte Traditionen und unheilbare Depression. Überall stößt sie auf bittere Scherze der Geschichte: In Breslau ist fast der einzige Ort mit deutschen Inschriften der jüdische Friedhof.
In genauer Wortwahl nennt Roswitha Schieb ihr Unternehmen „Eine Archäologie des Gefühls”. Das bedeutet das Abtragen von vielen Schichten, bedeutet Sichten und Katalogisieren der Grabungsergebnisse. Das bedeutet gleichzeitig, sich be- und entgeistern zu lassen von den Funden, sie emotional auf sich wirken zu lassen. Mit solcher Methode erschließen sich ihr und dem Leser Erkenntnisse weit über rein historische Untersuchung oder rein subjektive Reiseprosa hinaus.
Nicht nur die fruchtbare Ehe von Intellekt und Affekt begeistert an diesem Buch, mindestens ebenso fasziniert Schiebs Sprache. Leicht liest sich selbst das Schwere bei ihr und das Leichte immer lehrreich. Passagen zur Kulturgeschichte, zu Kunst, Religion, Politik vermischt sie mit kuriosen Erlebnissen – zuweilen verlässt sie sich in langen Aufzählungen allein auf die Kraft der Namen von Orten, von Menschen, dann folgen Dialoge und immer wieder Landschaftsbeschreibungen. So gelingt es ihr, weiße Flecken in dem kollektiven Atlas zu tilgen, in dem bislang hinter der Ostgrenze – egal, ob der deutschen oder der polnischen – gleich Tundra und Taiga begannen.
ROLF-BERNHARD ESSIG
ROSWITHA SCHIEB: Reise nach Schlesien und Galizien. Eine Archäologie des Gefühls. Berlin Verlag 2000. 238 Seiten, 36 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So löbliche Kritiken werden wirklich selten veröffentlicht. Der Rezensent Rolf-Bernhard Essig findet absolut nichts an Roswitha Schiebs literarischem Reisebuch auszusetzen. Anregend, klug und augenöffnend habe sich die Germanistin und Kunsthistorikerin vorbehaltlos und alles andere als nationalistisch auf eine Spurensuche nach deutsche Wurzeln in Schlesien und Galizien begeben. Dabei zeigt sie nicht nur ihr reichhaltiges Wissen, sondern vermag es auch, den Leser zu begeistern und seine Gefühle anzusprechen, lobt Essig. Fasziniert ist er auch von Schiebs Sprache. Komplizierte Sachverhalte stelle sie gut verständlich da und einfache Passagen seien stets lehrreich.

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