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Die Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union legte Ende 2001 neben der ,besseren demokratischen Kontrolle', ,Effizienz', ,Transparenz' und ,deutlichere Kompetenzverteilung' als weitere Ziele fest. Mit der Ablösung der Regierungskonferenzen durch die Konventsmethode konnte der Weg zu einer ,Verfassung für die europäischen Bürger' beginnen. Der Verfassungskonvent vom 28.2.2002 bis zum 10.7.2003 glich dabei einem Labor, das neue Möglichkeiten eröffnete, um die grundsätzliche Ideendiskussion unter Einbeziehung einer größeren Öffentlichkeit (Beitrittskandidaten, Zivilgesellschaft,…mehr

Produktbeschreibung
Die Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union legte Ende 2001 neben der ,besseren demokratischen Kontrolle', ,Effizienz', ,Transparenz' und ,deutlichere Kompetenzverteilung' als weitere Ziele fest. Mit der Ablösung der Regierungskonferenzen durch die Konventsmethode konnte der Weg zu einer ,Verfassung für die europäischen Bürger' beginnen. Der Verfassungskonvent vom 28.2.2002 bis zum 10.7.2003 glich dabei einem Labor, das neue Möglichkeiten eröffnete, um die grundsätzliche Ideendiskussion unter Einbeziehung einer größeren Öffentlichkeit (Beitrittskandidaten, Zivilgesellschaft, Jugendkonvent) gleichzeitig sachlicher, verbindlicher und kompromißbereiter zu führen. Ein Stück mehr Demokratie ist gewagt worden.
Autorenporträt
Heinz Kleger ist Philosoph und Sozialwissenschaftler, er lehrt Politische Theorie an der Universität Potsdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.2005

Europäische Kompromisse
Chronologie und Dokumentation der Arbeit des Konvents

Heinz Kleger (Herausgeber): Der Konvent als Labor. Lit Verlag, Münster 2004. 864 Seiten, 34,90 [Euro].

Die Dokumentation zur Idee einer europäischen Verfassung und Arbeit des Konvents präsentiert nicht nur eine Fülle von Entwürfen, Positionen und Diskussionen, sondern liefert auch einen ausführlichen Kommentar zu beiden Projekten. Im ersten Teil geht es um den Begriff Europäische Verfassung, die Arbeit des Konvents sowie um erste Bewertungen der Ergebnisse bis zum gescheiterten Gipfel in Brüssel im Dezember 2003. Der zweite, dokumentarische Teil listet die wichtigsten Verfassungsentwürfe auf und trifft eine wohlbegründete Auswahl von Dokumenten, bei der Heinz Kleger verschiedenen Positionen und Überlegungen Raum gibt.

Nach Kleger konnte mit der Ablösung der Regierungskonferenz durch die Konventsmethode der Weg zu einer "Verfassung für die europäischen Bürger" beginnen. Tatsächlich war es das Ziel des vom Februar 2002 bis Juli 2003 tagenden Verfassungskonvents, neue Möglichkeiten zu eröffnen, um die grundsätzliche Ideendiskussion unter Einbeziehung einer größeren Öffentlichkeit (Beitrittskandidaten, Zivilgesellschaft, Jugendkonvent) gleichzeitig sachlicher und verbindlicher zu führen. Der Verfassungsprozeß fand somit unter Bürgerbeteiligung statt. "Ein Stück mehr Demokratie" ist damit gewagt worden, so lautet eine der Grundthesen des Bandes.

Von ihr aus entwickelt Kleger im ersten Teil nach einleitenden grundsätzlichen Überlegungen zum Thema Verfassung und einer Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte des Verfassungsentwurfs Anstöße und Thesen zur Fortentwicklung des Integrationsprozesses. Sie sind auch nach der Einigung der Staats- und Regierungschefs auf das konstitutionelle Fundament für die EU im Juni 2004 - zu diesem Zeitpunkt lag die Studie bereits vor - von Relevanz. Schon der Streit um die Stimmengewichtung zwischen Polen und Spanien auf der einen und Frankreich und der Bundesrepublik auf der anderen Seite im Vorfeld des gescheiterten Gipfels in Brüssel machte deutlich, daß es im Verfassungskonvent am Ende weniger um inhaltliche denn um Machtfragen ging, bei denen nationale Interessen nach Meinung vieler Beobachter vor europäischen Pragmatismus gestellt wurden. Daran hat auch der am Ende gefundene Kompromiß, der sich gleichermaßen an dem vom Konvent vorgeschlagenen Prinzip der doppelten Mehrheit orientierte, nichts geändert. Was Kleger allerdings bemängelt, nämlich die Fokussierung auf Handlungsfähigkeit und Effizienz zu Lasten von Verantwortlichkeit (gegenüber dem Bürger), Transparenz und Legitimität, ist zweischneidig zu bewerten: In der Tat sind Fragen, wie die Zuständigkeiten in Zukunft real verteilt werden sollen und ob der Subsidiaritätsgedanke zugunsten bürgernaher Entscheidungen wirklich umgesetzt werden kann, am Ende kaum noch erörtert worden. Und sie betreffen natürlich die Unionsbürger in allen Ländern und Regionen, für welche die Verfassung geschrieben werden sollte. Aber ist nicht die alles entscheidende Frage tatsächlich die nach der Regierbarkeit einer Union mit 25 Mitgliedern, also die nach entscheidungsfähigen Institutionen? Und lautete nicht das Mandat von Nizza, die EU "operationell fit zu machen" für die Erweiterung?

Die Befürchtungen hinsichtlich der Herausbildung eines neuen "Kerneuropas", wie sie bereits im Vorfeld des Brüsseler Gipfels im Dezember 2003 laut wurden, mögen berechtigt sein, doch es ist eine Illusion zu meinen, daß sich die nationalen Interessen gerade vor dem Hintergrund der von Kleger selbst zu Recht konstatierten Bedrohung des weiteren Integrationsprozesses durch die "Finanzkeule" quasi hint anstellen ließen. Die nächsten Jahre wird Europa ganz zwangsläufig vor allem ums Geld streiten. Der gemeinsame Brief der Nettozahler an den Kommissionspräsidenten, mit dem diese eine Aufstockung des EU-Haushalts verhindern wollten, hat dies bereits signalisiert. Hintergrund dieses Streites ist natürlich die Erweiterung, die mit dem Beitritt zum 1. Mai 2004 noch längst nicht endgültig verkraftet ist.

Insofern muß das Konventsergebnis durchaus als veritabler Kompromiß angesehen werden. Zwar stimmt, daß wir allenfalls von unvollkommener Transparenz im Sinne eines nachvollziehbaren Grundlagendokuments sprechen können, welches die Union den Bürgern kaum nähergebracht hat. Immerhin aber ist ein erster Schritt in Richtung gemeinsamer Verfassungsidentität getan; mehr war realistischerweise wohl nicht zu erwarten. Ganz abgesehen davon wurde der indirekte Einfluß der EU-Bürger auf den Gesetzgebungsprozeß dadurch gestärkt, daß das EP künftig in nahezu doppelt so vielen Feldern wie bisher gleichberechtigt mit dem Ministerrat mitentscheiden soll.

Durchaus positiv ist zu vermerken - was in der Bewertung wenig herausgehoben und gewürdigt wird -, daß mit der Einführung eines gewählten Präsidenten des Europäischen Rates sowie der Schaffung des Amtes eines Europäischen Außenministers zumindest die Chance auf eine Bündelung der Kräfte und eine Verbesserung der politischen Führung in der erweiterten EU gegeben ist. Und zwei weitere Grundsatzentscheidungen verdienen Erwähnung: Zum einen hat sich die EU durch die Stärkung der Mitentscheidungs- und Haushaltsrechte des EP mittlerweile zusehends zu einem Zweikammersystem entwickelt. Zum anderen ist die Fortentwicklungsfähigkeit der EU durch die Ausweitung der Möglichkeiten zur flexiblen Integration sowie die Schaffung vereinfachter Verfahren zur Reform der Entscheidungsprozesse erheblich gestärkt worden.

Klegers Band bietet insgesamt eine sehr solide Chronologie und Dokumentation der Konventsarbeit, bei der die Bewertung allerdings eher einer systematischen Erörterung entspricht, bei der der Verfasser die Konventsarbeit vor allem an ihrem Anspruch der Legitimationsstiftung und weniger an der Frage nach der künftigen Handlungsfähigkeit der EU mißt.

STEFAN FRÖHLICH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit dem von Heinz Kleger herausgegebenen Band zum Entwurf der Europäischen Verfassung und der Arbeit des Konvents liegt eine gründliche Dokumentation vor, die nicht nur einen "ausführlichen Kommentar" bietet, sondern insbesondere mit der "wohlbegründeten" Auswahl der darin abgedruckten Dokumente auch Raum für "verschiedene Positionen und Überlegungen" gibt, lobt Stefan Fröhlich. Die darin enthaltenen Positionen und Thesen zur Förderung des Integrationsprozesses sind auch nach der Einigung auf ein konstitutionelles Fundament von Belang, beteuert der Rezensent. Nicht recht folgen will Fröhlich dem Autor aber in dessen Bewertung der erzielten Beschlüsse, denn während Kleber "Transparenz und Legitimität" zugunsten von Handlungsfähigkeit geschwächt sieht, findet der Rezensent, dass es doch zu einem "veritablen Kompromiss" gekommen ist. Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten lobt Fröhlich den Band aber als "sehr solide" Darstellung der Konventsbildung und -arbeit.

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