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Stehen wir zu Anfang des 21. Jahrhunderts am Beginn eines demokratischen Zeitalters? Erfüllt die demokratische Politik ihre funktionalen und legitimatorischen Kernfunktionen? Dieser Frage gehen drei Generationen von Politikwissenschaftlern im vorliegenden Band nach, anknüpfend an Karl-Dietrich Brachers klassische Beschreibung des Machtvakuums der Weimarer Republik, das einer totalitären Bewegung Entfaltungsraum bot. Analysiert werden Deutschland, Japan, China, Russland, Frankreich, Österreich, Südafrika, die Philippinen und Osteuropa, d. h. Länder, die totalitäre oder autoritäre Erfahrungen…mehr

Produktbeschreibung
Stehen wir zu Anfang des 21. Jahrhunderts am Beginn eines demokratischen Zeitalters? Erfüllt die demokratische Politik ihre funktionalen und legitimatorischen Kernfunktionen? Dieser Frage gehen drei Generationen von Politikwissenschaftlern im vorliegenden Band nach, anknüpfend an Karl-Dietrich Brachers klassische Beschreibung des Machtvakuums der Weimarer Republik, das einer totalitären Bewegung Entfaltungsraum bot. Analysiert werden Deutschland, Japan, China, Russland, Frankreich, Österreich, Südafrika, die Philippinen und Osteuropa, d. h. Länder, die totalitäre oder autoritäre Erfahrungen gemacht haben. Huntingtons Theorie von der Demokratisierung der Welt in drei Phasen und der Demokratie-Unfähigkeit des Islam wird falsifiziert und die Frage der inneren Demokratisierung mit der nach einer demokratischen Weltordnung verknüpft.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2004

Wohlstand oder Waffen
Was die Demokratisierung fördert und was sie hemmt
PAUL KEVENHÖRSTER / DIETRICH THRÄNHARDT (Hrsg.): Demokratische Ordnungen nach den Erfahrungen von Totalitarismus und Diktatur. Eine inter-national vergleichende Bilanz. Lit Verlag, Münster 2003. 238 Seiten, 24,90 Euro.
Beinahe täglich fallen im Irak amerikanische Soldaten einem Anschlag zum Opfer. Die „Nachkriegsverluste” der Alliierten sind bereits jetzt höher als ihr Blutzoll im vorherigen Feldzug. Zwar hat der von den USA ernannte Übergangsrat seinerseits eine Regierung bestimmt, doch hat dieses System nichts mit irakischer Selbstbestimmung zu tun. Allein die Amerikaner entscheiden, wer sie beraten darf. Das Projekt, im Herzen der islamischen Welt eine Demokratie zu errichten, scheint vorerst gescheitert zu sein.
Doch ist dies wirklich eine Niederlage Washingtons? Wie entwickeln sich demokratische Ordnungen nach den Erfahrungen von Totalitarismus und Diktatur? Welche Rolle spielen traditionelle Demokratien wie die Vereinigten Staaten in diesen Prozessen? Und wie steht es um die Ausbreitung der Demokratie und die demokratische Weltordnung am Anfang des 21. Jahrhunderts? Fragen, denen sich ein von Paul Kevenhörster und Dietrich Thränhardt herausgegebener Sammelband widmet – mit zum Teil ernüchternden Antworten.
In drei Wellen zur Demokratie
Die Autoren diskutieren anhand der Überlegungen des amerikanischen Politologen Samuel Huntington. In seinem Werk „The Third Wave” vertrat Huntington die These, die Welt demokratisiere sich in drei Wellen. Er geht von einer ersten Welle im 19. Jahrhundert aus, einer zweiten nach dem Ersten Weltkrieg und einer dritten, die in Südeuropa begonnen habe, sich in Asien, Afrika und Lateinamerika fortgesetzt habe und in Osteuropa kulminiert sei. Huntington kommt zu dem Schluss, dass Demokratien gegeneinander keine Kriege führen. Dieser inzwischen populär gewordenen These hängen auch die Think-Tanks am Potomac an. Durch die Demokratisierung des Nahen Ostens wollen sie die Welt friedlicher und vor allem sicherer machen, nicht zuletzt für die Vereinigten Staaten.
Huntingtons deutsche Kollegen haben an dieser These berechtigte Zweifel. Die Drei-Wellen-Theorie lässt sich historisch nicht belegen. Vielmehr ergibt sich ein komplexeres Bild: Ein kontinuierlich langsamer Anstieg des globalen Anteils von Demokratien bis 1920 sei keine identifizierbare „erste Welle”. Überdies sei ein zahlenmäßiges Übergewicht von Autokratien in der gesamten Zeit des Ost-West-Konflikts bis 1990 zu konstatieren, also auch der Zeit seit 1974, für die Huntington bereits von einer „dritten Welle” spricht. Selbst die Analyse der Regimewechsel fördert nicht das Szenario zu Tage, das Huntington präsentiert: Insbesondere in den achtziger Jahren überwiegen noch die Hinwendungen zur Autokratie. Auch die zweite These von den per se friedliebenden Demokratien hält den Studien der Münsteraner Politologen nicht stand. Zurecht weisen sie auf Washingtons Politik in Lateinamerika hin, Militär- und Familiendiktaturen zu begünstigen, wenn sie amerikanische Interessen verfolgten. Mit diesem Kurs stand das Weiße Haus in den sechziger und siebziger Jahren jedoch nicht allein. Der Westen insgesamt pflegte gute Beziehungen zu rechtsgerichteten Autokratien wie der Türkei, Portugal, Spanien, Taiwan, Südkorea, Iran oder den Philippinen, sofern sich diese kooperationsbereit zeigten und ihre Märkte offen hielten. Die Ermordung des ersten gewählten kongolesischen Präsidenten Patrice Lumumba durch den belgischen Geheimdienst, unterstützt durch die Amerikaner, dient hier als ein anschauliches Beispiel. Heute ist Europa erneut im Kongo engagiert – mit ungewissem Ausgang.
Wie ist unter diesen Vorzeichen die weltweite Demokratisierung seit 1989 zu erklären? Das Buch von Paul Kevenhörster und Dietrich Thränhardt gelangt zu bedenkenswerten Ergebnissen: Es sei vor allem der Europäischen Union und dem Europarat zu verdanken, die sichere ökonomische Strukturen mit demokratischen Prinzipien verbinden, dass sich zumindest ihre Beitrittsländer und Anrainerstaaten demokratisierten und stabilisierten. Die von den Amerikanern dominierte NATO habe dies bisher nicht vermocht. Doch Washington trage gleichfalls zur gegenwärtigen Demokratisierung bei – wenn auch ungewollt. Die unilateralistische Doktrin der Bush-Administration habe, so die Autoren, insbesondere ihre westlichen Verbündeten gezwungen, ohne die USA internationale Übereinkünfte wie das Kyoto-Protokoll, die Anti-Minen-Konvention oder den Internationalen Strafgerichtshof zu erzielen und durchzusetzen. Die Bürger von Bagdad profitieren von dieser Entwicklung allerdings bislang nicht.
THOMAS SPECKMANN
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der von Paul Kevenhörster und Dietrich Tränhardt herausgegebene Sammelband gebe zum Teil "ernüchternde Antworten" auf die Frage, wie sich demokratische Ordnungen aus Totalitarismus und Diktatur entwickelten und welche Rolle traditionelle Demokratien wie die USA dabei spielten, fasst Thomas Speckmann den Tenor des Buches zusammen. Die Untersuchungen bezweifelten die Gültigkeit der zu Anfang des Buches diskutierten Theorie des Politologen Samuel Huntington von der wellenförmigen Ausbreitung der Demokratien und auch die These, dass Demokratien sich nicht gegenseitig bekriegen würden, berichtet der Rezensent. Positive Impulse im Demokratisierungsprozess seien vor allem von der Europäischen Union und dem Europarat ausgegangen, die "sichere ökonomische Strukturen mit demokratischen Prinzipien" verbunden und damit zur Stabilität in Europa beigetragen hätten. Die unilateralistische Doktrin der Bush-Administration trage eher unfreiwillig zu diesem Prozess bei, indem sie die westlichen Verbündeten zwinge, internationale Übereinkünfte ohne sie zu treffen, resümiert der Rezensent die "bedenkenswerten" Ergebnisse des Bandes.

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