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Produktdetails
  • Verlag: Philo
  • ISBN-13: 9783825702281
  • ISBN-10: 3825702286
  • Artikelnr.: 28341574
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2001

Latino-Faschismus als Abziehbildchen

Mit gutem Grund ist anläßlich der Jugendbriefe Carl Schmitts an seine Schwester Auguste darum gebeten worden, in der Schriftenexegese Schmitts ein Moratorium eintreten zu lassen, weil entscheidende biographische Stationen noch unerforscht seien, die in ihrer Faktizität geeignet seien, Vermutungen oder Extrapolationen gegenstandslos werden zu lassen (F.A.Z. vom 12. Februar). Das vorliegende kleine Buch (Richard Faber: "Lateinischer Faschismus". Über Carl Schmitt - den Römer und Katholiken. Philo Verlagsgesellschaft, Berlin, Wien 2001. 115 S., br., 34,50 DM) läßt diesen Wunsch noch dringlicher erscheinen. Es besteht aus drei Kapiteln und einem Exkurs, sämtlich überarbeitete Aufsätze beziehungsweise Kapitel aus Büchern des Verfassers aus den Jahren 1994, 1999, 1981 und 1997. Das erste Kapitel identifiziert Schmitt als "Römer", das zweite als "Katholiken", das dritte rückt beides in "Lateinischen Faschismus" zusammen, und der Exkurs behandelt Schmitts Großraumvorstellungen in dem so geschaffenen Kontext. Die Texte, teilweise auf Vorträge zurückgehend, sind in einer Art Gesprächston gehalten, die Leser, also ehemalige Zuhörer, werden manchmal direkt angeredet, und auch sonst herrscht ein für sich genommen angenehmer, lockerer Plauderton vor. In dieser Weise wird allerlei plausibel gemacht. Gewiß kommen jedem Schmitt-Leser ohnehin gelegentlich Assoziationen in den Sinn, die ihn "römisch", ja in der Prägnanz seines Stils auch "lateinisch" erscheinen lassen, gewiß ist die katholische Kirche auch "römisch", gewiß gibt es, greifbar etwa in den Bauten, eine klassizistische Komponente sowohl im Faschismus als auch im Nationalsozialismus, wobei man den passo Romano, der der deutsche Stechschritt, und den deutschen Gruß, der der römische war, gerne beiseite lassen kann. Selbst eine obenhin vorgenommene Durchmischung all dieser und anderer Assoziationen können Carl Schmitt durchaus als Vertreter eines lateinischen Faschismus erscheinen lassen, ja, es wäre ein Erkenntnisfortschritt und keineswegs von der Hand zu weisen, wenn man das feststellen könnte - und wenn man genau bestimmte, was all diese Begriffe bedeuteten, wie sie miteinander zusammenhängen, und wenn man ihnen stringent anhand Schmittscher Texte nachginge, also, sei's drum, ordentliche Schriftenexegese triebe. Aber daran fehlt es hier. Dazu hätten zunächst einmal saubere Definitionen gehört, die des Römischen, des Katholischen und des Faschistischen und ihrer Beziehungen zueinander, und daran hätte sich eine systematische Bezugnahme auf Schmitts Schriften anschließen müssen. Statt dessen wird hier, unter durchaus häufiger Zitierung von Schmitt-Sätzen, ein Sammelsurium von Meinungen, Vermutungen, Behauptungen vorgetragen, eine Fülle von Sekundärliteratur herbeigebracht, oft durch pauschale Verweise - zum Römischen beispielsweise das amüsante, aber in der Sache ebenfalls zu leicht geschürzte Buch von Annette Rink (F.A.Z. vom 8. Januar) -, oft in abenteuerlich mittelbaren Schlußfolgerungen und Ableitungen. Welche Beweiskraft hat etwa die Mitteilung, daß "Gurian in einem Brief an Petersen früh geurteilt (hat), daß er Maurras sehr ähnlich wäre und nicht nur in Sachen Cäsarismus beziehungsweise Faschismus", oder sollen wir mit dem Autor den Hinweis Schmitts auf einen Aufsatz auch deshalb für verdächtig halten, weil dessen Verfasser "ein Jünger Stefan Georges war", der seinerseits im Gedicht "Die Gräber in Speyer" gedichtet habe, daß . . .? Noch einmal: Vielleicht trifft alles zu, vielleicht auch nicht - was das Katholische betrifft, eher nicht, wie die Jugendbriefe jetzt wahrscheinlich machen -, aber man hätte das gerne präzise dargelegt gehabt. So sind Fabers neu zusammengestellte Texte angenehm zu lesende, unverbindliche Essays, von denen nur zu hoffen ist, daß sie nicht in der Absicht geschrieben wurden, Carl Schmitt mit dem Etikett Faschist zu bekleben. Vielleicht könnte man allmählich eine neue Etappe der Schmitt-Forschung beginnen, indem man die Schmitt-Rezeption zum Thema macht und die Antriebe der Schmitt-Gegner untersucht, sich ständig über diesen doch scharf abgelehnten Autor zu verbreiten, und hierfür würde sich dieses Buch bestens empfehlen. Was aber die Sache selbst betrifft: Wenn schon ernsthafte Schriftenexegese mit einem Moratorium versehen werden sollte, dann Arbeiten dieser Art erst recht.

WOLFGANG SCHULLER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch besteht aus bereits veröffentlichten Aufsätzen, die für die Neuausgabe überarbeitet wurden. Faber versucht darin, das Profil Carl Schmitts als "Römer", als "Katholik" und, in der Synthese, als "lateinischer Faschist" herauszuarbeiten. Gelungen ist ihm das nicht, da lässt Wolfgang Schullers Rezension keinen Zweifel. Eher angenehm fällt Schuller noch der "lockere Plauderton" auf, in dem das Buch geschrieben ist. Und die Thesen als solche müssen noch nicht einmal falsch sein, räumt er ein, nur: Faber biete weder brauchbare Definitionen seiner Begriffe noch plausible Darstellungen der Zusammenhänge, stattdessen nur "ein Sammelsurium von Meinungen, Vermutungen, Behauptungen", die nie vernünftig ausgeführt werden. Die Argumentationswege sind nach Schullers Meinung oftmals "abenteuerlich". Hinzu kommt, dass einige Thesen durch die jetzt zugänglich gewordenen Jugendbriefe Schmitts an seine Schwester eher widerlegt werden. Dieses Hinweises bedarf es fürs ablehnende Urteil kaum noch - und lesenswert scheint das Buch dem Rezensenten allenfalls für die Untersuchung der "Antriebe" leichtfertig verfahrender Schmitt-Gegner.

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