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Eine Ameise ist dumm, tausend Ameisen sind genial Was hat das Schwarmverhalten von Tieren mit unserem Postboten oder sozialen Netzwerken wie Twitter zu tun' Len Fisher erklärt anschaulich wie kein anderer, wo wir die Intelligenz der Vielen im Alltag finden und wie sie funktioniert. Fisch- oder Vogelschwärme bewegen sich in verblüffenden Formationen. Jedes Tier hat seinen Platz, gelenkt durch unsichtbare Gesetzmäßigkeiten. Bienenschwärme peilen scheinbar wie von selbst die pollenreichste Blumenwiese an. Ameisen arbeiten nach so außerordentlich differenzierten Strukturen, dass Forscher die…mehr

Produktbeschreibung
Eine Ameise ist dumm, tausend Ameisen sind genial Was hat das Schwarmverhalten von Tieren mit unserem Postboten oder sozialen Netzwerken wie Twitter zu tun' Len Fisher erklärt anschaulich wie kein anderer, wo wir die Intelligenz der Vielen im Alltag finden und wie sie funktioniert. Fisch- oder Vogelschwärme bewegen sich in verblüffenden Formationen. Jedes Tier hat seinen Platz, gelenkt durch unsichtbare Gesetzmäßigkeiten. Bienenschwärme peilen scheinbar wie von selbst die pollenreichste Blumenwiese an. Ameisen arbeiten nach so außerordentlich differenzierten Strukturen, dass Forscher die Ameisenkolonie mit einem Superhirn vergleichen. Unsere Begeisterung für die Schönheit komplexer Systeme in der Natur kommt nicht von ungefähr, sagt Len Fisher: Wir bewundern sie, weil wir uns selbst nach den gleichen Prinzipien organisieren. Fisher durchleuchtet den menschlichen Alltag und findet Schwarmintelligenz überall: bei unserer Suche nach dem besten Restaurant, dem Reißverschlussprinzip beim Einfädeln in den Verkehr und bei strategischen Entscheidungen von Kurierfahrern, die erkannt haben, dass dauerndes Linksabbiegen Zeit und Geld kostet. Wie kein anderer versteht er es, naturwissenschaftliche Gesetze lebensnah zu vermitteln und zu zeigen, wie wir sie im Alltag nutzen können.
Autorenporträt
Len Fisher ist ein erfolgreicher Wissenschaftspublizist und Autor zahlreicher Bücher, von denen einige auch ins Deutsche übersetzt sind, etwa Reise zum Mittelpunkt des Frühstückseis (dessen Original vom American Institute of Physics zum Best Popular Science Book gekürt wurde) und Der Versuch die Seele zu wiegen. Der ausgebildete Physikochemiker hat an der CSIRO Division of Food Research in Australien, am Physiologischen Labor der Cambridge University, an der Anatomieabteilung des University College London sowie an der University of South Australia geforscht und ist gegenwärtig Gastforscher an der University of Bristol in England. Er lebt in Wiltshire in England and Blackheath in Australien.
"Meine Bücher", so schreibt er, "sollen den Menschen helfen, die Welt durch die Augen des Wissenschaftlers zu sehen und zu verstehen. Dazu verwende ich gerne eine gute Prise Humor, Anekdotisches und persönliche Geschichten der Forscher. Die Grundauffassung aller Wissenschaftler ist, dass die Welt nicht nach dem gesunden Menschenverstand funktioniert. Sobald man dies einmal verstanden hat, kann man die Erkenntnisse der Wissenschaft mit Freude verfolgen, ohne selbst Wissenschaftler sein zu müssen. Ich sähe die Wissenschaft gerne als selbstverständlichen Teil unserer Kultur, auf einer Ebene mit Religion, Literatur, Philosophie und Kunst eben als eine Möglichkeit, die Welt zu betrachten und zu erkennen."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2010

Wenn die Wellen durch die Gruppe gehen

Niemand ist so klug wie wir alle zusammen, aber auch keiner so dumm: Len Fisher und Peter Miller erklären die Schwarmintelligenz und was sich aus ihr für das tägliche Leben lernen lässt.

Informatiker lieben Ameisen. Es ist zwar recht lästig, wenn eine krabbelnde Armee den Zugang zur Speisekammer gefunden hat und auf einer breiten Straße durch die Küche zieht. Doch mit etwas Abstand betrachtet, sind Ameisenstraßen geniale Problemlösungen. Informatiker nennen es das Problem des Handlungsreisenden: Ein Vertreter soll Kunden in verschiedenen Städten besuchen und sucht die kürzeste Route. Bei drei Städten gibt es nur sechs Alternativen, das ist übersichtlich, aber bei fünf Städten sind es schon 120 mögliche Routen, bei zehn Städten 3,6 Millionen und bei dreißig würden wir schon länger brauchen, um die Alternativen aufzuzählen, als das Universum noch existieren wird.

Ameisen hingegen haben auch mit der kürzesten Route zu hundert Futterplätzen kein Problem: Sie schwärmen massenhaft in alle Richtungen aus und hinterlassen dabei Pheromonspuren. Diejenigen, die den kürzesten Weg gehen, sind als erste zurück, auf ihrem Weg sind bald die meisten unterwegs. Das verstärkt die Duftspur, wogegen sich die Pheromone auf den weniger begangenen Strecken verflüchtigen. So sind alle Ameisen schnell über den kürzesten Weg informiert, die Ameisenstraße steht. Informatiker nehmen sich ein Beispiel an den Krabbeltieren und schicken, statt langwierig zu rechnen, simulierte Ameisen los, die die benützten Wege mit Punkten bewerten. Eine Menge nicht besonders kluger Individuen löst ohne zentrale Steuerung eine Aufgabe, die für den Einzelnen unlösbar wäre: das ist das Prinzip der Schwarmintelligenz.

Gleich zwei Bücher präsentieren diesen Herbst dieses Forschungsfeld, das nicht nur neue Algorithmen für die Informatik verspricht, sondern eine neue Strategie für den Umgang mit Komplexität überhaupt, in Unternehmen, in der Politik, in der Verkehrsplanung, im Alltag.

Der Physiker, Kolumnist und Ig-Nobel-Preisträger Len Fisher stellt für seine Leser einen Werkzeugkasten zusammen, der ihnen helfen soll, die Komplexität des Alltags zu meistern. Die Werkzeuge stammen nicht nur aus der Schwarmintelligenz, sie umfassen auch einfache Heuristiken und Erkenntnisse der Statistik: Wenn Ihnen von zwei Alternativen eine bekannt vorkommt und sonst keine Informationen zur Verfügung stehen, wählen Sie die bekannte. Sind Sie Steuerfahnder vergessen Sie das Benford'sche Gesetz nicht. Es zeigt, in welcher Häufigkeit die verschiedenen Ziffern gewöhnlich an welchen Positionen in großen Zahlen vorkommen. Wer seine Steuererklärung oder die Messergebnisse für das nächste Forschungsprojekt fälscht, kennt es in der Regel nicht und verteilt die Ziffern gleichmäßig.

Für National-Geographic-Redakteur Peter Miller kann die Schwarmintelligenz helfen, überholte Vorstellungen von hierarchischer Planung und Kommandostrukturen abzulösen. Würden sich die Ameisen wie im Trickfilm "Antz" jeden Morgen bei einer Ober-Ameise mit Klemmbrett anstellen, die ihnen ihre Aufgaben zuteilt, wäre es um die Zukunft des Ameisenstaats schlecht bestellt. Doch das ist unsere Art, Arbeit zu organisieren, die schnell aus dem Ruder laufen kann. Miller zeigt, wie Ameisenvon der Evolution darauf getrimmt wurden, ihren Staat ohne Kommandeure und Computer zu organisieren.

Beide Autoren zitieren zum Teil dieselben Studien und benutzen dieselben Beispiele. Miller stellt die wissenschaftlichen Hintergründe ausführlicher dar. Fisher liefert mehr praktische Tipps, seine Erklärungen bleiben aber trotz seiner fast achtzig Seiten Anmerkungen oft eher abstrakt. Einig sind sich beide Autoren in ihrer Begeisterung für Fisch- und Vogelschwärme, Bienen-, Termiten- und Ameisenstaaten. Sie alle zeigen, wie hochkomplexe Organisation ganz ohne zentrale Planung und Steuerung gelingt. Es sind einfache Regeln, die das komplexe Verhalten eines Schwarms ermöglichen: "Folge dem Fisch vor dir", "Halte die Geschwindigkeit des Fisches neben dir", "Lege dein Sandkorn dort ab, wo die anderen Termiten ihres ablegen", "Fliege so schnell, dass die Heuschrecke hinter dir dich nicht ins Bein beißen kann". Vögel behalten, wenn sie im Schwarm fliegen, sechs bis sieben Nachbarn im Blick und halten "topologische Distanz" zu ihnen: ihre Interaktion mit ihnen ist gleich stark, egal, wie weit die anderen weg sind. Das macht den Schwarm elastisch und schützt die einzelnen Tiere vor Angriffen.

Auf Störungen scheinen Schwärme wie ein einziger Organismus zu reagieren, was selbst seriöse Forscher dazu gebracht hat, an eine Art Telepathie zu glauben, wie Miller berichtet. Heute sprechen Forscher lieber von "koordiniertem dezentralem Verhalten", geprägt von Kommunikation und Nachahmung, das dazu führt, dass Informationen und Energie eine ganze Gruppe wie in Wellen durchströmen.

Bienenschwärme zeigen, so Fisher, dass einige wenige informierte Individuen den ganzen Schwarm lenken können, einfach, indem sie schneller fliegen als der Rest und eine andere Richtung einschlagen. Damit lösen sie eine Kettenreaktion aus, denn die anderen folgen ihren Nachbarn. Das funktioniert, wie Fisher belegt, auch in Menschengruppen. Ein Anführer braucht weder sichtbar zu sein noch über besondere Eigenschaften zu verfügen, schließt der Autor und empfiehlt: Führen Sie von innen heraus und sehen Sie zu, dass die anderen es nicht bemerken.

Beide Autoren erläutern, wie Fußgänger sich ab einer bestimmten Dichte auf dem Gehsteig zu Strömen organisieren und dass es wenig Zweck hat, gegen diese anschwimmen zu wollen. Für noch nicht allzu schlimmes Gedrängel halten Computersimulationen eine Empfehlung bereit: zu 60 Prozent solle man sich mit der Gruppe treiben lassen, zu 40 Prozent nach eigenen Auswegen suchen. Für die echte Massenpanik hat allerdings auch der Computer keine gute Empfehlung.

Oft ist die Menge eine gute Informationsquelle: Der Durchschnitt vieler uninformierter Schätzungen ist besser als das Urteil von Experten, egal ob es darum geht, das Gewicht eines Ochsen, die Himmelsrichtung oder den Ausgang der nächsten Wahl zu bestimmen. Selbst Wettervorhersagen sind am besten, wenn sie auf dem Durchschnitt verschiedener Modellrechnungen beruhen. Die Fehler der vielen heben sich gegenseitig auf, die richtige Antwort schwimmt wie die Sahne auf der Milch, erläutert Miller. Wo der Durchschnitt nicht weiterhilft, sind Mehrheitsentscheidungen oft die besten. Selbst wenn nur ein Teil der Gruppe gut informiert ist, liegt die Mehrheit sehr wahrscheinlich richtig. Das funktioniert allerdings nur, wenn sich alle Individuen unabhängig voneinander entscheiden. Sobald Gruppenzwang im Spiel ist, kann die Entscheidung groteske Formen annehmen.

Bienen treffen immer ihre eigenen Entscheidungen und die Entscheidung des gesamten Schwarms fällt nicht durch Konsens, sondern durch Wettbewerb: Welcher Alternative schließen sich die meisten Individuen an? Doch auch das kann schiefgehen: Forscher mussten nur eine ausreichende Anzahl künstlicher Stichlinge in das Maul eines Raubfisches schwimmen lassen, schon folgte ihnen der ganze Schwarm ins Verderben. So gilt beides: Niemand ist so klug wie wir alle zusammen, aber es ist auch niemand so dumm.

Eine Mischung aus Orientierung an der Gruppe und kritischer Eigeninitiative ist gefragt, so Fisher. Er erläutert, wie Unternehmen und Einzelpersonen sich die Prinzipien der Schwarmintelligenz zunutze machen können: "Bieten Sie Anreize, eine Information weiter zu geben oder eine Verbindung zu stärken", und er warnt vor Scharlatanerie, die sich in der Komplexität der Alltagsphänomene gut verstecken kann: Ist eine Masse groß genug, gibt es immer irgendwelche Muster. Nur sind, wie die Astrologie zeigt, nicht alle hilfreich.

Miller zeigt detailliert die faszinierende Entscheidungsfindung in Bienenvölkern, die unglaubliche Komplexität eines Termitenhügels und die Versuche, solche Beispiele für die Praxis zu nutzen, sei es für die dezentrale Steuerung von Unternehmen oder Robotern oder die Informationsbeschaffung der Geheimdienste.

Am Ende stellt Fisher sechs Seiten Empfehlungen für den Umgang mit der komplexen Welt zusammen, nicht ohne davor zu warnen, dass, wo Komplexität vorhanden ist, das Chaos nicht weit sei und am Ende alles anders kommen könnte. Miller begnügt sich mit zwei Hinweisen: Kooperation in intelligent zusammengesetzten Gruppen und kreativer Ideenwettbewerb sind bei komplexen Problemen die Mittel der Wahl. Ganz wie bei den Bienen, den Termiten und den Ameisen.

MANUELA LENZEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2011

Wirtschaftsbücher
Eine Firma ist auch nur ein Schwarm
Was Ameisen mit dem Verhalten von Fluggästen und Gänse mit Führungsstrukturen in einem Konzern zu tun haben
Die Leute in London oder New York sprechen von „Drohnen“. So heißen bei ihnen die Hundertschaften von Angestellten, die in Geschäftsvierteln morgens aus den U-Bahnschächten auf die Straßen drängen und in ihre Büros eilen.
Der Vergleich mit den Arbeitsbienen ist nicht von der Hand zu weisen. Fragt sich nur, warum es bei Bienen keine Zusammenstöße gibt, während sich die ins Büro hastenden Menschen oft unabsichtlich anrempeln. Solche Gedanken beschäftigen gleich zwei Autoren: Peter Miller und Len Fisher. Die beiden bilden sozusagen einen Mini-Schwarm und bewegen sich wie ein Organismus: Ihre Bücher „Die Intelligenz des Schwarms“ und „Schwarmintelligenz“ haben fast den gleichen Titel, sind beide nahezu gleich lang, gleich teuer und wurden beide von Jürgen Neubauer übersetzt.
Beide Autoren beschäftigen sich mit Bienen, Ameisen oder Fischen und der Frage, was der arbeitende Mensch von ihnen lernen könnte. Wobei der Begriff „Intelligenz“ in die Irre führt. Das Verhalten von Makrelen, die einer Robbe zu entgehen suchen, ist ja kein Ergebnis des Denkens, sondern resultiert aus Millionen Jahren Evolution. „Schwarmverhalten wird zu Schwarmintelligenz, wenn eine Gruppe eine Aufgabe im Kollektiv löst, die kein Angehöriger der Gruppe allein lösen könnte“, erklärt Fisher. So gesehen ist jedes größere Unternehmen ein intelligenter Schwarm.
Die Meister dieser Disziplin sind jedoch nicht etwa Manager, sondern die rund 14 000 Ameisenarten. Entsprechend fasziniert sind beide Autoren. Das Gerenne der Spezies mag chaotisch wirken, doch es ermöglicht den Insekten erstaunliche Leistungen: Ameisen bauen komplexe Nester und schlagen Schlachten gegen das Nachbarvolk – ganz ohne Anführer. Wie machen sie das bloß?   Die einzelne Ameise ist nicht schlau genug. Clever ist nur das Kollektiv. Die Ameisen verteilen ihre Aufgaben über den Fühler-Kontakt. Morgens verlassen die Wächter-Ameisen als erstes den Bau. Wenn sie wiederkommen, berühren sie die Antennen der hinauslaufenden Nahrungssucher-Ameisen. Kommen die Wächter in großen Gruppen schnell zurück, strömen nur wenige Futtersucher aus – die Tiere nehmen an, dass die Wächter vor einer Gefahr flüchten und bleiben, wo sie sind. Kommen die Wächter mit großen Abständen zwischen den einzelnen Tieren zurück, rücken ebenfalls nur wenige Nahrungssucher aus. Offenbar haben Ameisen ein Gedächtnis von etwa zehn Sekunden und vergessen, dass sie gerade schon Kontakt mit einem Wächter hatten. Der Job der Nahrungssuche wird nur erteilt, wenn die richtige Zahl der Wächter-Ameisen im richtigen Takt ins Nest zurückwandert.
Wer sich dadurch an Just-In-Time-Konzepte in der Fertigung erinnert fühlt, täuscht sich nicht. Prozesse aus dem Tierreich helfen Logistikern schon seit Jahren auf die Sprünge. Wie bei menschlichen Massenphänomenen, bei denen aus friedlichen Mitarbeitern protestierende Demonstranten werden oder aus ein paar Verkaufsanweisungen von Brokern eine Finanzkrise, gibt es auch bei der Schwarmbildung von Tieren einige Dominoeffekte: Unter Ameisenvölkern brechen Kriege aus, und harmlose Heuschrecken verwandeln sich in eine alles kahlfressende Lawine. Ständig rückkoppelnde Systeme – nichts anderes ist ein Schwarm – neigen dazu, sich selbst zu verstärken.
Auch deswegen beschäftigen sich viele Ökonomen und Praktiker mit der Frage, wie sich Organisationen, Netzwerke oder Lieferketten besser gestalten lassen. Traditionelle Hierarchien haben zwar durchaus Vorteile – etwa bei der Systematisierung von Arbeit – doch die klassischen Muster von „oben“ und „unten“ stoßen oft an Grenzen. Auf der Suche nach Innovation werden in vielen Firmen Kompetenzen stärker partnerschaftlich verteilt; Arbeit wird zunehmend in virtuellen Teams geleistet. Kann der moderne Mensch etwas lernen von der komplexen Zusammenarbeit in der Natur?
Wenn es um moderne, kooperative Führungsfragen geht, wird häufig der Gänse-Schwarm zitiert. Er fliegt in V-Formation. Die Gans an der Spitze hat den größten Luftwiderstand und muss am härtesten arbeiten. Wird sie müde, fällt sie zurück. Ein anderes Tier setzt sich für eine Weile an die Spitze. Gänse organisieren also instinktiv genau die Art kollektive Führung, um die in menschlichen Netzwerkstrukturen gerungen wird. Doch wie sollen unsere Konzerne lernen, was Tiere von sich aus tun? Bislang fehlten dazu wissenschaftliche Grundlagen. Vieles, was die Autoren beschreiben, wird bereits angewendet. Viele Erkenntnisse aus der Biologie – übersetzt in mathematische Formeln – werden von Telefongesellschaften genutzt, um Anrufe schneller durchzustellen, von Werksleitern, um die Abläufe in Fabriken zu optimieren oder von Flugzeugingenieuren, um neue Maschinen zu testen. Die US-Fluggesellschaft Southwest versuchte anhand des Ameisenverhalten herauszufinden, wie Passagiere am schnellsten in ein Flugzeug einsteigen. Bienenschwärme demonstrieren, wie Gruppen in einem Ideenwettbewerb gute Entscheidungen treffen können, Termitenhügel beweisen, dass auch kleine Beiträge am Ende zu Kathedralen führen, wenn alle aufeinander aufbauen – so wie aus vielen Einzelbeiträgen das Online-Lexikon Wikipedia entsteht und unternehmerischer Erfolg im Konzern aus Hunderten Leistungen besteht.
„Ich werde doch nicht zum gleichgeschalteten Schwarm-Tier, bloß damit das Teamwork im Job besser funktioniert“, meinen manche – und interpretieren die Biologen falsch. Im Tierreich sind auch Meinungsverschiedenheiten Teil der Lösungsfindung. Bienen beispielsweise tanzen einander vor, wenn sie eine vielversprechende Stelle für einen neuen Hort gefunden haben. Alle anderen Bienen im Schwarm nehmen jedoch erst mal die Örtlichkeit in Augenschein und tanzen nur mit, wenn auch sie die neue Heimat gut finden.
Angehörige eines Teams müssen „keineswegs ihre Individualität aufgeben“, schreibt Miller. „In der Natur entstehen gute Entscheidungen nicht nur durch faule Kompromisse, sondern auch durch einen Ideenwettbewerb.“
Beide Bücher sind lesenswert, lehrreich und unterhaltsam. Millers Buch ist dabei allgemeinverständlicher gehalten. Fisher arbeitet analytischer, kommt ein wenig akademischer daher und nicht ohne die Grundlagen der Statistik aus. Am Ende steht die Erkenntnis, dass unser modernes Arbeitsleben immer komplexer wird und wir alle kreativ mit dem Alltagschaos umgehen müssen. Wir könnten einiges davon besser meistern, wenn wir ein paar Experten-Regeln beherzigen – aber nicht die der Akademiker, sondern jene der Bewohner von Wiese, Wald und Ozean.
Barbara Bierach
Len Fisher: Schwarmintelligenz. Wie einfache Regeln Großes möglich machen. Übersetzt von Jürgen Neubauer. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 268 Seiten.
19,95 Euro.
Peter Miller: Die Intelligenz des Schwarms. Was wir von Tieren für unser Leben in einer komplexen Welt lernen können. Übersetzt von Jürgen Neubauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2010. 271 Seiten. 19,90 Euro.
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"eine unterhaltsame Lektüre, in der sich bestens schmökern lässt und die mit vielen kuriosen Geschichten zu überraschen weiß - und der Erkenntnis, dass auch wir Menschen echte Schwarmtiere sind." (Dirk Lorenzen, Deutschlandradio, 5. September 2010)

"Len Fisher bringt das Thema Schwarmintelligenz auf einen so verführerisch alltagstauglichen Level, dass man die neu erlernten Prinzipien am liebsten gleich im Büro ausprobieren möchte." (Nadine Eckert, Bild der Wissenschaft, 2/2011)

"[Len Fishers] Buch atmet die Lust an absurden Fakten, belegt diese mit Berechungen - und gibt Tipps, wie Einzelne Gruppendynamik nutzen können." (Britta Heidemann, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 20. November 2010)

"Die Lektüre verschafft Aha-Erlebnisse in Serie [...] Das Buch gibt Anlass nachzudenken und zwar auf höchst angenehme und unterhaltsame Weise." (Business Bestseller, September 2010)

"Fisher [...] gelingt der Spagat zwischen seriöser Information und Unterhaltung" (Psychologie heute, 11/2010)

"Len Fisher erklärt anschaulich wie kein anderer, wo wir die Intelligenz der Vielen im Alltag finden, und wie wir sie für den Alltag nutzen können."(Augsburger Allgemeine, 4. November 2010)

"Fisher versteht es, das Ganze so zu verpacken, dass selbst komplizierteste Phänomene greifbarer werden. Allein die Anekdoten und verblüffenden Beispiele sowie die persönliche Herangehensweise an das Thema sind der Lektüre wert." (Annette Spiller, Gießener Allgemeine Zeitung, 17. September 2010)

"Fisher versteht es, auch bei dieser hochkomplexen Thematik verständlich und unterhaltsam zu bleiben und dazu liefert er noch für jedes Leserindividuum ganz konkrete wissenschaftliche Regeln für das (Über)leben im Schwarm." (3sat bookmark, 21. August 2010)

"Der amerikanische Physiker Len Fisher fasst die Erkenntnisse von Verhaltensforschern und anderen Naturwissenschaftlern sehr seriös und amüsant zusammen. Daraus ist ein Buch geworden, das eindrucksvoll zeigt, wie das simple Regelwerk der Schwärme auch das Verhalten von Menschenmassen bestimmt und unseren Wohlstand, das Entstehen unserer Netzwerke sowie unsere Entscheidungsfähigkeit beeinflusst." (Michael Leitl, Harvard Business Manager, 8/2010)

"Dass der Spagat zwischen Wissenschaft und Unterhaltung gelingt, könnte daran liegen, dass der britische Physiker und Kolumnist ein Grenzgänger ist, der schon für seine Experimente zur idealen Eintunkzeit von Keksen ausgezeichnet wurde." (Hannoversche Allgemeine, 6. Oktober 2010)

"Ein Buch für alle Führungskräfte, Meinungsmacher und alle, die sich mit Strategiefragen beschäftigen." (Schweizer Fernsehen - ECO, 25. September 2010)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Instruktiv findet Manuela Lenzen dieses Buch über Schwarmintelligenz, das der Physiker, Kolumnist und Ig-Nobel-Preisträger Len Fisher vorgelegt hat. Sie charakterisiert es als eine Art "Werkzeugkasten", der bei der Bewältigung der Komplexität des Alltags helfen soll. Dabei kommen neben Erkenntnissen aus Schwarmintelligenz auch einfache Heuristiken und Erkenntnisse der Statistik zum Einsatz. Interessant findet sie Fishers Erläuterung, wie Unternehmen und Einzelpersonen die Prinzipien der Schwarmintelligenz nützen können. Das Buch bietet ihres Erachtens dafür eine Fülle von interessanten praktischen Hinweisen. Die Erklärung der wissenschaftlichen Hintergründe scheint ihr allerdings oft "eher abstrakt". Sie hebt die Begeisterung des Autors für Fisch- und Vogelschwärme, Bienen-, Termiten- und Ameisenstaaten hervor, die allesamt zeigten, wie "hochkomplexe Organisation ganz ohne zentrale Planung und Steuerung gelingt".

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