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Soviel ergötzliches Unglück war nie: Eine Parade der Unheilsverkünder aus 3000 Jahren Nach allem, was wir von unseren Vor fahren wissen, sind die Klagen über den Verfall der guten Sitten so alt wie die Menschheit oder doch mindestens so alt wie die frühesten Zeugnisse unserer Schriftkultur. Und häufig waren sich die Herren der Apokalypse schnell einig darüber, wer am Niedergang aller- Werte eigentlich Schuld hat: die Frauen, besser gesagt: das Weib, das sinnliche. Im zweiten Jahrhundert malte sich ein christlicher Schwarzmaler die Hölle aus: Dort würden "Weiber an ihren Flechten über jenem…mehr

Produktbeschreibung
Soviel ergötzliches Unglück war nie: Eine Parade der Unheilsverkünder aus 3000 Jahren Nach allem, was wir von unseren Vor fahren wissen, sind die Klagen über den Verfall der guten Sitten so alt wie die Menschheit oder doch mindestens so alt wie die frühesten Zeugnisse unserer Schriftkultur. Und häufig waren sich die Herren der Apokalypse schnell einig darüber, wer am Niedergang aller- Werte eigentlich Schuld hat: die Frauen, besser gesagt: das Weib, das sinnliche. Im zweiten Jahrhundert malte sich ein christlicher Schwarzmaler die Hölle aus: Dort würden "Weiber an ihren Flechten über jenem aufsiedenden Koth aufgehängt; das waren die, welche sich zum Ehebruch geschmückt hatten; die aber, die sich mit dem Miasma des Ehebruchs jener Weiber befleckt hatten, waren an den Füßen aufgehängt und hatten die Köpfe in jenem Koth ..." Das Muster der Verführung durch die weibliche Sinnlichkeit ist so durchgängig wie die Flucht davor: die lustfeindlichen...
Autorenporträt
Gerhard Henschel, geboren 1962, war unter anderem Redakteur bei der Titanic und lebt heute als freier Schriftsteller bei Hamburg. 2012 wurde ihm der Hannelore-Greve-Literaturpreis verliehen, 2013 wurde er mit dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet und 2015 mit dem Georg-K.-Glaser-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2010

Der Untergang lässt auf sich warten
Lektüre in den Tagen der Dekadenz: Gerhard Henschel verabschiedet die Propheten der Apokalypse
Zu schön ist die Anekdote, mit der Gerhard Henschel sein Buch über Untergangspropheten, Apokalyptiker und Unheilsverkünder beginnt. Sie müsste eigentlich im Lehrbuch der Philosophiegeschichte stehen, gefunden aber hat sie Henschel in den Erinnerungen des Fernsehmoderators Wim Thoelke. Anfang der fünfziger Jahre arbeitete dieser für den Deutschen Handballbund und war also auch dabei, als der Deutsche Sportbund eine Weihestunde im Düsseldorfer Landtag abhielt. Als Festredner hatte man den spanischen Philosophen Ortega y Gasset geladen, einen hellsichtigen Kulturkritiker. Am bekanntesten wurde er mit dem „Aufstand der Massen”aus dem Jahr 1929. Darin geißelte er auch die anstrengungslose, der Pflicht abholde, sittliche Zucht meidende Kultur der Gegenwart, die verhätschelnden Folgen des Wohlstands.
1952 nun warteten die Gäste des Sportbundes auf Ortega y Gasset. Aber er kam nicht. Also schickte man Wim Thoelke, nach dem Festredner zu schauen. Der sei, hieß es im Hotel, noch auf seinem Zimmer, anrufen wolle man ihn nicht, Thoelke möge selber sehen. Der tat es, klopfte, öffnete die Tür: „Der große Mann, von Statur her klein und rund, lag nackend mit drei ebenfalls ausgezogenen schrillen Damen im Bett und – nun ja – philosophierte kräftig.” Offenkundig erschrak Ortega y Gasset keine Sekunde angesichts des Eindringlings. Er blieb Herr der Lage und erwies sich als Philosoph von Rang: „Komm rein, und zieh dich aus!”, soll er dem jungen Wim Thoelke zu gerufen haben. Wie passt das lose Tun zum Lob der Sittlichkeit, die für Ortega y Gasset, wesentlich „ein Erlebnis der Unterordnung, Dienst- und Pflichtbewusstsein” war?
Leider geht Gerhard Henschel dieser Frage kaum nach, er stellt nur fest, dass der „fröhliche Hurenbock” nicht unsympathischer sei als der Unheilsprophet und deutet dann die Strafphantasien einiger Mahner und Warner als Ausdruck verborgener, nicht eingestandener Wünsche. Man folgt Henschel gern auf seiner „Suche nach der guten alten Zeit”. Sie führt ihn von einem Leserbrief aus dem Jahr 2005 – „Die Dekadenz unserer Gesellschaft hat längst einen verheerenden Zustand erreicht” bis ins alte Ägypten des Jahre 1800 vor Christus. Damals verunsicherten Veränderungen den Dichter Cha-cheper-Re-seneb: „Ein Jahr ist schwieriger als das andere, / das Land bricht auseinander und ist für mich zerstört, / es ist Brachland geworden.”
Das Ergebnis der raschen Suche durch die Jahrhunderte ist eindeutig: Die Vergangenheit, die es verdiente, verklärt zu werden, muss erfunden werden. Von allem Anfang an wird in hohem Ton über Niedergang und Dekadenz geklagt, wird ein bessere Gestern beschworen, um Ausschweifungen und Sittenverfall anprangern zu können. Einige der eifrigsten Verfallsbejammerer betrachtet Henschel näher. Auch widmet er sich den Allgemeinplätzen, den Topoi, der kulturpessimistischen Moralpredigt. Kirchenväter und der Turnvater treten auf, von den „alten Germanen”, vom Untergang Roms und dem Moloch Großstadt ist die Rede.
Oswald Spengler und Günther Anders werden wegen ihrer anmaßenden, humorfreien Kulturkritik gescholten, und auch die Bild-Zeitung, der Gerhard Henschel 2006 seinen großartigen „Gossenreport” gewidmet hat, wird wieder vorgeführt. Henschel besitzt ein gutes Gespür für sprechende Zitate, seine Kommentare sind klar, angenehm zurückhaltend im Ton, auch dann, wenn sie sarkastisch ausfallen. Vom schrillen Gekreisch seiner Helden hat er sich nicht anstecken lassen, trocken und leise, ohne Anlauf, Podium und autoritäre Geste entfaltet sich sein lebenszugewandter, sinnenfroher Witz. Und dennoch wird man des Buches nicht froh, dennoch zieht sich diese Revue der Untergangsankündigungen zäh in die Länge.
Es herrscht in diesem Buch über weite Strecken eine Atmosphäre der intellektuellen Selbstgenügsamkeit. Es fehlt an Neugier, an wirklichem Interesse. Wenn denn schon 3000 Jahre der Untergang des Abendlandes vorhergesagt wird, dann will man doch wissen, warum. Welche Funktion erfüllt die apokalyptische Rede? Hier wird sie vor allem als Deck- und Erfüllungsform des neidischen Moralisierens, als Porno der Kulturkritik sozusagen, vorgeführt. Ist das alles? Warum schien dann das Untergangsprophetentum so lange vielen, und nicht den Dümmsten, plausibel? Liegt es nicht nahe, den unaufhörlichen Wandel, als Fortschritt oder Verfall zu deuten? Hatte nicht auch die Dekadenzkritik eine historische Stunde, in der sie wichtig und berechtig war?
Der Philosoph Jacob Taubes hat in seinem suggestiven Buch über „Abendländische Eschatologie” behauptet, dass die „Frage nach der Freiheit” das „Urthema der Apokalyptik” sei: „alle ihre Motive weisen auf die Wende hin, in der das Gefüge des Weltkerkers sich sprengt.” Wie aus den theologischen Denkmodellen Geschichtsphilosophie wurde, war das Thema großer Studien. Man kann dies alles verwerfen, aber der grinsende Hinweis, dass der Untergang ausgeblieben sei, ist kein sehr stichhaltiges Argument. Vor allem aber erklärt der die ungeheure Intensität und die doch beachtliche Tradition der Unheilsprophezeiung nicht. Die Frage nach dem Sinn des Wandels steht dahinter, die Frage ist berechtigt, unabweisbar, wenn Menschen sich als halbwegs souveräne Akteure verstehen wollen.
Es hat etwas Selbstgerechtes, wie Henschel sich durch die Zeiten mogelt. Er macht es sich zu einfach: Im 19. Jahrhundert mit Ernst Moritz Arndt und Turnvater Jahn, in der Gegenwart mit Öko-Mahnern und Bild. In der Kritik des Konsumismus wie des „flexiblen Menschen”, in Attacken auf den Islam oder die amerikanische Kultur, in Thesen vom Sprachverfall, von der „Generation Porno” oder dem Ende der universitären Bildung leben Motive der Unheilsprophetie fort. Manchmal nur zur rhetorischen Verstärkung, oft aber scheinen sie zur Sache zu gehören. Kritische, klärende Überlegungen dazu sucht man in dieser Zitat-Revue vergeblich. Hier wird nur angetippt.
Was aus diesem Buch hätte werden können, sieht man erst im Kapitel über den unglücklichen Dichter Rolf Dieter Brinkmann. Es ist das vorletzte: „Mit der Axt in der Hand”. Hier changiert Gerhard Henschel zwischen Bewunderung für Sprachgewalt, Energie, Eigensinn seines Kollegen und Abscheu vor dessen Gewaltphantasien und Fluchorgien. Die Ambivalenz wird benannt, die Spannung ausgehalten. Der Gestus belehrenden Besserwissens ist dem des Erkennens gewichen. Dass dies in diesem Buch so selten geschieht, ist bestimmt kein Verfallssymptom, aber schade ist es doch. JENS BISKY
GERHARD HENSCHEL: Menetekel. 3000 Jahre Untergang des Abendlandes. Die andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 372 Seiten, 32 Euro.
Oft sieht man die „Geburt der Pornographie aus dem Geist des neidischen Moralisierens”
Dass Rom sein Reich durch Entartung verlor, dass es durch Sittenverfall unterging, ist eine historische Legende. Sie bot immerhin die gern genutzte Gelegenheit, hübsche Szenen der Sinnenfreude zu imaginieren. Besonders schön gelang dies Lawrence Alma-Tadema (1836-1912). Sein Gemälde „ Ein römischer Tanz” befindet sich in Privatbesitz und zeigt, wie reizend lockere Sitten sein können. Abb.: akg-images
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" ... ein Buch zum drin schmökern ... sehr köstlich, sehr amüsant ... "(Ijoma Mangold, ZDF Die Vorleser, 14. Mai 2010)

" ... äußerst lehrreich und sehr lustig ... Ausführlich, zitatgesättigt und souverän führt Henschel die Weltuntergangsstimmung als Neurose lustunfähiger, freudenfeindlicher Nußknacker vor."(Wiglaf Droste, Junge Welt, 18. März 2010)

"Ein sehr lesenswertes Buch, das Anregungen für weitergehende Fragen und Themen bietet! Und ein ausgesprochen sinnliches Lesevergnügen, das der gewohnt hohen Qualität der Anderen Bibliothek zu verdanken ist."(Konrad Wellmann, Hermannstädter Zeitung, 30. April 2010)

"3000 Jahre Endzeitprognosen in einem Band, eine lustige Polonaise der Schwarzseher - am vergnüglichsten bei strahlendem Sonnenschein zu lesen."(Business Punk, April 2010)

" ... unterhaltsame Studie ... Und weil es sich im schönen Umfeld am besten vom Untergang schwärmen lässt, kommt dieser Band in dekadenter Luxusausstattung daher ..."(Bücher, März 2010)

"witzig ... sehr unterhaltsames Buch ... "(Knut Cordsen, Bayern 2, 24. Februar 2010)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Bisky ist enttäuscht. Nicht weil er Gerhard Henschels Entlarvung der Untergangspropheten jetzt unbedingt widersprechen will. Nur sind ihm der Gestus des Buchs sowie sein intellektueller Gehalt einfach zu dürftig. Ja, die vertrauten Henschel-Qualitäten finden sich wiederum: ein hervorragender Sinn fürs treffende Zitat, eine Zurückhaltung im Ton, die umso heftiger trifft, ein großer Schatz an Einzelfällen und Anekdoten. Die Frage, warum über die Jahrtausende durchaus nicht nur die dümmsten Menschheitsvertreter an Weltuntergang, Apokalpyse oder wenigstens den Kulturverfall glaubten, werde hier aber nur sehr schlicht (mit dem Verweis auf Neid und Lust am Moralisieren) beantwortet. Henschel scheint alles immer schon besser zu wissen, klagt Bisky - mit einer Ausnahme im vorletzten Kapitel, das der Rezensent denn auch für das stärkste hält. Darin nämlich werde im Fall des Dichters Rolf Dieter Brinkmann die Ambivalenz von Faszination und Ablehnung gewahrt.

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