Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 1,50 €
  • Broschiertes Buch

Bildung ist nicht für alle da! Alle reden von Bildung für alle, damit Deutschlands Zukunft gesichert ist. Politiker und Bildungsbeauftragte fordern, dass Unterschichten und Migranten verstärkt Zugang zu höheren Schulen und Universitäten haben sollen. Zugleich werden Hauptschulen geschlossen, die Gymnasialzeit verkürzt, und den Zugang zur Hochschule gibt es nur gegen Bares. Denn nach wie vor sind wir alle überzeugt: Wer es nur wirklich schaffen will, kann es auch schaffen. Dass bildungsferne Kinder in unserem dreigliedrigen Schulsystem benachteiligt sind, ist keine neue Erkenntnis, sagt Bruno…mehr

Produktbeschreibung
Bildung ist nicht für alle da! Alle reden von Bildung für alle, damit Deutschlands Zukunft gesichert ist. Politiker und Bildungsbeauftragte fordern, dass Unterschichten und Migranten verstärkt Zugang zu höheren Schulen und Universitäten haben sollen. Zugleich werden Hauptschulen geschlossen, die Gymnasialzeit verkürzt, und den Zugang zur Hochschule gibt es nur gegen Bares. Denn nach wie vor sind wir alle überzeugt: Wer es nur wirklich schaffen will, kann es auch schaffen. Dass bildungsferne Kinder in unserem dreigliedrigen Schulsystem benachteiligt sind, ist keine neue Erkenntnis, sagt Bruno Preisendörfer. Wohl aber, dass dieser Zustand beabsichtigt ist. Mit Verve und bissiger Ironie entlarvt er die Sonntagsreden der Politiker und anderer Privilegierten, die in Wirklichkeit gar nicht wollen, dass diejenigen, die gern als "Bildungsreserve" bezeichnet werden, wirklich Bildung erfahren. Denn die Konsequenzen für die Kinder des Mittelstands und des Bürgertums liegen auf der Hand: Wo die einen hinzukommen, ist für die anderen kein Platz mehr - egal ob im Gymnasium, an der Universität oder bei der Karriere.
Autorenporträt
Bruno Preisendörfer, geb. 1957 in Unterfranken, lebt als Schriftsteller und freier Publizist in Berlin. Er arbeitete jahrelang als Redakteur beim Berliner Stadtmagazin Zitty, danach als Kolumnist beim Tagesspiegel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2008

Sachbücher des Monats Juli
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. HANS BELTING: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks. C. H. Beck Verlag, 318 Seiten, 29,90 Euro.
2. WINSTON CHURCHILL: Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi. Aus dem Englischen von Georg Brunold. Eichborn Verlag (Die Andere Bibliothek), 447 Seiten, 34 Euro.
3. PARAQ KHANNA: Der Kampf um die zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung. Aus dem Englischen von Torsten Schmidt, Berlin Verlag, 624 Seiten, 26 Euro.
4. ANDREAS KOSSERT: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. Siedler Verlag, 432 Seiten, 24,95 Euro.
5.-6. SERGE PAUGAM: Die elementaren Formen der Armut. Aus dem Französischen von Andreas Pfeuffer. Hamburger Edition, 336 Seiten, 30 Euro.
TOM SEGEV: Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Hans Freundl. Siedler Verlag, 414 Seiten, 24,95 Euro.
7.-8. AMNESTY INTERNATIONAL: Report 2008. Zur weltweiten Lage der Menschenrechte. Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2007. S. Fischer Verlag, 493 Seiten, 14,90 Euro.
BRUNO PREISENDÖRFER: Das Bildungsprivileg. Warum Chancengleichheit unerwünscht ist. Eichborn Verlag, 192 Seiten, 16,95 Euro.
9. FRIEDRICH ROTHE: Harry Graf Kessler. Biographie. Siedler Verlag, 352 Seiten, 22,95 Euro.
10. PAUL VEYNE: Als unsere Welt christlich wurde. Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht. Aus dem Französischen von Matthias Grässlin, C. H. Beck Verlag, 223 Seiten, 19,90 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats Juli 2008 von Wolfgang Hagen: JULIANE BRAND (Hrsg.): Arnold Schönberg – Alban Berg. Briefwechsel. Verlag Schott Music, 2 Teile, zusammen 1380 Seiten, 69,95 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Johannes Saltzwedel, Albert von Schirnding, Norbert Seitz, Eberhard Sens, Hilal Sezgin, Volker Ullrich, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR Kultur)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 31. Juli.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Nachhilfemuttis sind unser Fluch
Die Kosten des Aufstiegs: Bruno Preisendörfer bricht eine Lanze für die Bildungsfernen / Von Hannes Hintermeier

Es gibt zwei Arten, wie ehemalige Klosterschüler mit ihrem Schicksal umgehen: Entweder sie stellen ihre Leiden als Überlebende einer strengen Zuchtanstalt ins Schaufenster, oder sie tragen ihre Gymnasialzeit als Adelsprädikat am Revers und nennen sich zeitlebens stolz einen Zögling. Der Schriftsteller Bruno Preisendörfer versucht in seiner Streitschrift den goldenen Mittelweg. "Eine chancengerechte Schule ist unausweichlich eine zerstörerische", schreibt der aus einer unterfränkischen Arbeiterfamilie abstammende Autor, der sich den "Bifs" zurechnet, den Bildungsfernen.

Sein Bildungsweg grundiert das Buch. Der Sprung auf eine Klosterschule ist ihm gelungen, aber weil das Geld für Nachhilfe fehlte, fiel er durch und musste auf eine Realschule; dort startete er durch, zurück ans Gymnasium, Abitur, Studium, Promotion. Diese sehr persönliche Herangehensweise mündet in einem Dilemma. Denn Preisendörfer oszilliert zwischen autobiographischen Reminiszenzen und Aufsatztrockenfutter aus fünfzig Jahren Bildungspalaver. Über aktuelle Anschauung aus dem Schulalltag verfügt er nicht. Das gibt dem Unternehmen einen papiernen Anstrich, schwächt den Text auch an den Stellen, wo er Bedenkenswertes in die Debatte wirft.

Also auf in den Klassenkampf, weil das Elend die deutsche Bildungslandschaft regiert. Diesen Beweis tritt Preisendörfer in historischen Exkursen an, Ralf Dahrendorf hat es ihm angetan, den er als liberalen Säulenheiligen immer wieder anruft. Die "Bifs" und die "KoZ" (Kinder ohne Zukunft) werden, ohne dass sie es merkten, von der Mittelschicht von der Bildung ferngehalten - schlimmer noch: Sie halten sich selber fern. Aber selbst wenn ein "Bif" - wie weiland der Autor - zur Bildung strebt, lauert die nächste Gefahr. Das Kind, der Jugendliche entfremdet sich von seiner Herkunft, das ist der Preis für den Aufstieg, ein dem zügellosen "Klassismus" geschuldeter Tribut, der obendrein das Gefühl der "sozialen Minderwertigkeit" evoziert. Medial spiele dieser Prozess keine Rolle oder nur, wenn er mit einem Migrationsthema zu verknüpfen ist, klagt Preisendörfer. "Die Unterschichten sind mental zu derangiert, um so etwas wie Bildungsneid überhaupt entwickeln zu können." So verharrt der doppelverdienende deutsche Facharbeiter in absichtsloser Unbildung, gut situiert, aber fern jenes Gutes, das ihn zur Freiheit führen könnte.

Am empirischen Befund ist aber nicht zu rütteln: Aus den sogenannten Arbeiterschichten erreichen viel zu wenig Kinder die Universitäten, das war vor Pisa so, das ist immer noch so. Und dass daran das dreigliedrige Schulsystem schuld ist, gilt als ausgemacht. Es vernachlässigt die "Begabungsgerechtigkeit", fördere stattdessen Marktchancen. Diese "Reproduktion von Ungleichheit" ist gewollt: "Die Bildungsaristokratie vererbt Begabung wie früher der Adel blaues Blut." Preisendörfer bleibt allerdings den Beweis schuldig, wie eine solche Genübertragung vor sich geht. Eben nicht nur durch Vererbung, sondern durch harte familiäre Bildungsarbeit - einen langjährigen Prozess, den frühere Generationen Erziehung nannten.

Eintausendsiebenhundert Stunden Vorlesen sind einem Akademikersprössling bis zur Einschulung vergönnt, ganze dreißig sind es bei einem Arbeiterkind. Bis zum dritten Lebensjahr erhalten Kinder aus der Mittelund Oberschicht 500 000 Ermunterungen und 80 000 Entmutigungen: Sozialhilfeempfänger ermutigen nur 75 000 mal, aber entmutigen 200 000 mal. Weshalb der Autor für eine Bevorzugung von "Bifs" bei gleicher schulischer Leistung plädiert. Wer wohl über Zugehörigkeit zur "Bif"-Gruppe entscheiden soll? Im Gegenzug desavouiert er den Einsatz der Eltern, spottet über "gehobene Nachhilfemuttis". Das sind offenbar tiefe Wunden, die hier geleckt werden - Preisendörfers unfreiwilliger Abstecher auf die Kaufmännische Realschule. Auch sie, wie er findet, eine abgewirtschaftete Schulform (mit einer Ausnahme: Bayern).

Richtig ärgerlich wird das Buch dort, wo es sich zu der der psycholinguistischen Mottenkiste entrissenen These versteigt: "Dialekt macht dumm" - aber zum Glück sei das Thema durch das Aussterben der Dialekte bald erledigt. Was an Sprachreichtum in den Dialekten schlummert, sollte sich einer, der als Schriftsteller seinen eigenen IQ (115) ins Schaufenster stellt, nicht entgehen lassen. Auch dass heute noch Latein und Altgriechisch unterrichtet werden, subsumiert Preisendörfer unter der "Türhüterfunktion des Bürgertums". Natürlich fehlt nicht der Hinweis, das deutsche "Apartheidsystem" verteile die Chancen zu früh, am unteren Ende der Skala rangiere mit der Hauptschule eine "Restschule für Ausländerkinder". Auch hier diagnostiziert Preisendörfer Klassismus und weniger Rassismus.

In einer anderen Wirklichkeit flüchten die Eliten längst aus dem staatlichen System in Privatschulen. Erstaunlich, dass gerade Vertreter des linksliberalen Establishments dies tun, haben doch ihre ideologischen Vorväter erst die allgemeine Schulpflicht durchgefochten. Dass sie ihr Elternrecht verteidigen, erkennt Preisendörfer an, aber er deutet es als Privilegienkampf für die nächste Generation. Jeder, der in diesen Jahren Elternabende erlebt, weiß es besser: Das Schlimmste sind natürlich die Eltern - aber sie sind es nicht grundlos. Durch die Pisa-Studie hysterisiert, misstrauen sie dem Schulsystem, die Anforderungen der Globalisierung bestehen zu können. Nach den Kindergärten mit englischsprachigen Erzieherinnen befürworten sie fremdsprachigen Erdkundeunterricht, fordern Schul-Rankings und evaluierte Lehrer. So kreischen die Abstiegsängste der Funktionseliten.

Pädagogik kann, darin ist dem Autor zuzustimmen, niemals ein Marktprodukt sein. Ökonomisierung und weitere Aushöhlung des Bildungssystems sind absehbar, helfen wird dies alles nicht. Leider hat Bruno Preisendörfer am Ende auch keine rettende Idee. Analog zum Bürgersinn hofft er auf einen Bildungssinn, der mit den Mechanismen der Frauenbewegung zu implementieren sei; auch eine "allgemeine Vorschulpflicht" hält er für denkbar. Wagen wir eine andere These: Die Fundamente für Chancengleichheit ließen sich auch noch in der Grundschule legen: Wenn am Ende der vierten Klasse gewährleistet wäre, dass alle Kinder mündlich wie schriftlich über solide deutsche Sprachkenntnisse verfügten und die Grundrechenarten beherrschten, wäre viel gewonnen. Den nächsten Schritt können dann ausdifferenzierte Schultypen gehen, die am Ende verschiedene Wege an die Hochschule offenlassen.

Bruno Preisendörfer: "Das Bildungsprivileg". Warum Chancengleichheit unerwünscht ist. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 192 S., br., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Glücklicherweise kommt in dieser Woche eine Streitschrift in die Buchläden, die mit der selbstgerechten Ideologie der Ideologiefreien ironisch, sachkundig und wütend zugleich abrechnet [...] Es nimmt für diese Streitschrift ein, dass sie das moralische Dilemma der Mittelschichtseltern als ein substantielles anerkennt." (Jens Bisky in: Süddeutsche Zeitung, 2. Februar 2008)

"Am interessantesten aber ist das Argument mit der Benachteiligung durch Herkunft. Preisendörfer schildert in seinem Buch am eigenen Leben, dass Bildung für viele, die aus Buchfernen und diskussionsarmen Milieus stammen, mit Entfremdung vom Zuhause einhergeht." (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17. Februar 2008)

"Preisendörfers Angriff auf das Selbstverständnis des studierenden Bürgernachwuchses provoziert." (Neues Deutschland, 15. Februar 2008)

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit Interesse und Zustimmung hat Rezensent Dorion Weickmann das Buch des Germanisten Bruno Preisendörfer über die Chancenungleichheit des deutschen Bildungssystems gelesen. Denn es handelt sich seiner Beschreibung zufolge um eine "Streitschrift", die sehr detailliert Ursachen und Umstände der gegenwärtigen Bildungsmisere untersucht und darstellt - vom "föderalen Chaos" der Politik bis hin zu resignierten Lehrern und der in ihrer "Opferhaltung" stagnierenden "bildungsfernen Schichten". Ein Mangel dieses Buchs ist für den Rezensenten, dass Preisendörfer es "bei der Philippika" belässt und weiter keine Lösungswege aufzeigt.

© Perlentaucher Medien GmbH