Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 23,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Niemand wütet schöner! Schade, daß keiner mehr Ariosts Meisterwerk kennt! Der Grund liegt auf der Hand: gerade die virtuosen Verse sind es, die jedem Zuhörer süß ins Ohr rinnen - aber wer traut es sich heute noch zu, seitenlang solche betörenden Stanzen zu lesen? Italo Calvino ist es, der uns ebenso sanft wie entschlossen an die Hand nimmt und durch die Fabelwelt des Orlando furioso führt. Er kann das, weil er ein geborener Erzähler ist, weil er auf seine Art ebenso zaubern kann wie Ariost. Es ist ein phantastischer Kosmos, der sich so erschließt. Auf den ersten Blick geht es um den Kampf…mehr

Produktbeschreibung
Niemand wütet schöner! Schade, daß keiner mehr Ariosts Meisterwerk kennt! Der Grund liegt auf der Hand: gerade die virtuosen Verse sind es, die jedem Zuhörer süß ins Ohr rinnen - aber wer traut es sich heute noch zu, seitenlang solche betörenden Stanzen zu lesen? Italo Calvino ist es, der uns ebenso sanft wie entschlossen an die Hand nimmt und durch die Fabelwelt des Orlando furioso führt. Er kann das, weil er ein geborener Erzähler ist, weil er auf seine Art ebenso zaubern kann wie Ariost. Es ist ein phantastischer Kosmos, der sich so erschließt. Auf den ersten Blick geht es um den Kampf zweier Kulturen: Ein islamisches Heer steht vor den Toren von Paris, und die christlichen Ritter verteidigen das Abendland. Aber der Autor nimmt den Glaubenskrieg, der zu seiner Zeit schon vier Jahrhunderte zurückliegt, nicht besonders ernst. Er erzählt ein Märchen, in dem, neben Magiern, Feen und Monstern die streit-, abenteuer- und liebessüchtigen Menschen seiner eigenen Zeit die Hauptrolle spielen. Das alte Ritterwesen existiertnicht mehr. Egoisten sind es, Verrückte, Einsame, die sich mit der Anarchie und dem Chaos der Renaissance herumschlagen. Die Handlung wuchert, verzweigt sich, irrt im Zickzack umher. So entsteht ein grandioses, farbenprächtiges Panorama "ein Universum für sich, in dem man kreuz und quer umherreisen und sich verlieren kann".
Autorenporträt
Italo Calvino, geb. 1923 in Santiago de las Vegas/Kuba, wuchs in San Remo auf und kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Partisan gegen die Deutschen. Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften, Philosophie und Literatur war er einige Jahre als Lektor bei dem italienischen Verlag Einaudi beschäftigt. Danach lebte er als freier Schriftsteller in Rom, Paris und in Siena, wo er 1985 starb. Sein Werk wurde in alle Weltsprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Viele von Calvinos Büchern sind heute in Italien Volksgut und Schullektüre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2004

Auf dem Flügelpferd durchs Reich der Lüfte
Rettung eines Meisterwerks: Ludovico Ariosts "Rasender Roland", nacherzählt von Italo Calvino und illustriert von Johannes Grützke

Ariosts "Orlando furioso" ist ein humoristisches Weltgedicht, mit dem Italien nach Dantes "Commedia", Petrarcas "Canzoniere" und Boccaccios "Decameron" dem literarischen Europa noch einmal ein großes Beispiel gegeben hat. Der bunte Erzählteppich dieser auseinander hervorgehenden Geschichten, mit denen die Willkür eines stets unvorhersehbaren Erzähler-Ich spielt, spiegelt eine neue Erfahrung der Renaissance von der Pluralität und Bodenlosigkeit der Welt, vom Perspektivismus jeder Wahrnehmung und der Aufhebung der Grenzen zwischen Sein und Schein, Ernst und Spiel.

Emblem von Ariosts Erzählkunst ist der Hippogryph, das Fabelwesen des Zauberers Atlante, halb Pferd, halb Greif, das Ruggiero nach Westen über die Säulen des Herkules hinaus auf eine Insel im Ozean entführt, wo ihn das Abenteuer mit Alcina erwartet. Das ungebärdige Pferd mit den Greifenflügeln bewegt sich frei im Reich der Lüfte: "Im Flug erhebt es sich bis zu den Sternen und streift im nächsten Augenblick schon fast die Erde." So bewegt die Einbildungskraft Ariosts, dies Flügelpferd, sich frei im Raum der Fiktion, in dem sich, der Gattung des romanzo gemäß, die Tradition des mittelalterlichen französischen Heldenlieds und des im Mittelalter in Frankreich entstandenen Romans zu einer ironischen Spätform verbinden.

Atemlos folgt der Leser dem heiteren Wahnsinn der Ereignisse, die im tragischen Liebeswahnsinn Rolands ihr dunkles Gegenbild haben, und wird hineingezogen in das entfesselte Spiel widriger Umstände und der Tücken des Objekts. Nichts, was beständig bliebe: Pferde, Helme, Schwerter, Zauberringe wechseln unablässig die Besitzer. Die Helden und Heldinnen und mit ihnen der Leser verfallen dem Trug der Sinne und der Sinnlichkeit. Den Illusionen des schönen Scheins folgt die Frustration auf den Fuß, und doch geht aus dieser sogleich wieder der schöne Schein siegreich hervor.

Für Friedrich Schlegel war Ariosts "Rasender Roland" der Inbegriff der romantischen Ironie. Sein romantisches Manifest, das berühmte 116. Athenäums-Fragment, liest sich wie ein Kommentar zu Ariost: "Nur sie", heißt es dort von der romantischen Poesie, "kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann sie auch am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse, auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfältigen."

Der "Rasende Roland", dieser Klassiker einer "progressiven Universalpoesie", war, als das Italienische in Deutschland noch als eine Bildungssprache ersten Ranges galt, dort auch im Original vertraut. Aber schon 1806 erschien die großartige Übersetzung von Johann Diederich Gries, die 1827/28 in der zweiten Auflage ihre endgültige Form fand und in der der leichtfüßige Duktus des Originals mit den virtuosen Reimen seiner stets pointiert endenden Stanzen in verblüffender Ähnlichkeit nachgebildet ist. Heute ist die Griessche Übersetzung in Deutschland fast ebenso vergessen wie das Original. Die 1980 erschienene Neuauflage ist längst vergriffen und fand auch bei Erscheinen kein besonders großes Echo. Aber auch in Italien wird der "Orlando furioso" inzwischen nur noch selten ganz gelesen. Es ist das leider unbestreitbare Schicksal der Klassiker, daß sie, zumindest für den nichtprofessionellen Leser, langweilig werden, weil Aufwand und ästhetische Gratifikation immer mehr in ein Mißverhältnis zu treten scheinen. Es ist nicht ihre Schuld, sondern Folge des Abstands der Zeiten, der die einstige Fülle dem Leser immer schwerer zugänglich macht. Aber wer hat die Geduld, sich den widerspenstigen Klassiker verfügbar zu machen, in Kommentaren nachzuschlagen und sich in eine immer fremder werdende Sprache einzulesen?

Im Fall von Ariost hat Italo Calvino, der große Erzähler aus dem Geist Ariosts, einen idealen Kompromiß gefunden, um den Klassiker zu retten, ohne seinen ungeduldigen Leser zu langweilen. Schon der "Orlando furioso" steht unter dem Gesetz einer furiosen Beschleunigung, die, wie im Slapstick, immer ein Moment des Komischen hat. Gleich im ersten Gesang wimmelt der Wald von Gestalten, die es eilig haben, die sich fliehen oder verfolgen oder zu schnell erledigtem Kampf aufeinanderstoßen. In ihrer Mitte Angelica, das Lustobjekt par excellence, die mit ihrer magischen erotischen Anziehungskraft wie eine ewige Fata Morgana die Männerwelt narrt.

Fortan werden die Heldinnen und Helden dieses romanzo mit ungeheurer Geschwindigkeit, zu der ihnen oft ein fabelhaftes Pferd verhilft, in einem Labyrinth von Flucht- und Verfolgungswegen ganz Europa, ja die ganze bekannte und unbekannte Welt durcheilen, und Astolfo, dieser ritterliche Weltenbummler, wird schließlich sogar zum Mond emporfliegen, um dort den in einem Krug aufbewahrten Verstand Rolands wieder zu holen, den er aus Liebe zu der schönen Angelica verloren hat.

Da diese Welt der schnellen, bunten Veränderungen aber in einer unübersehbaren Vielfalt von Episoden ausgebreitet wird, fällt es dem Leser schwer, dem Erzähler beständig auf der Spur zu bleiben. Jede Geschichte auf dem Weg zu ihrem Ende ist zugleich Anfangs-, End- oder Mittelpunkt anderer Geschichten, die sich wiederum verzweigen. Immer läßt der Erzähler, wie die irrenden Ritter, sich aus der Bahn werfen, und doch geht ihm keiner der Erzählfäden verloren.

Wie wäre es aber, wenn diese Welt noch einmal beschleunigt und dem Leser Siebenmeilenstiefel verliehen würden, mit denen er alles überspringen könnte, was die Zeit verblaßt hat, um sich Zeit nehmen zu können für die poetischen Glanz- und Höhepunkte dieser grenzenlosen Erzählwelt? Ebendies tut Italo Calvino und trägt in eigener Sprache das Übersprungene nach. Was so entsteht, ist ein Dialog zwischen Poesie und Prosa, zwischen dem Leser des zwanzigsten Jahrhunderts, der selbst Autor ist, und dem Autor des sechzehnten Jahrhunderts, bei dem Calvino, wie er bekennt, wie bei keinem anderen zu Hause ist: "Unter allen Dichtern unserer Literatur ist es Ludovico Ariosto, dem ich mich am nächsten fühle, der mich auf geheimnisvolle Weise am meisten fasziniert und den ich nicht müde werde, immer wieder zu lesen: Dieser absolut klare und heitere Dichter ohne Probleme, der im Grunde doch so geheimnisvoll bleibt, so gewandt darin, sich selbst zu verbergen; dieser ungläubige Italiener des sechzehnten Jahrhunderts, der aus der Renaissancekultur einen Realitätssinn ohne Illusion gewinnt und der, während Macchiavelli aus derselben illusionslosen Einsicht in die menschliche Natur eine harte Idee von politischer Wissenschaft gewinnt, daran festhält, eine Fabel zu ersinnen."

Es gibt von Jorge Luis Borges die phantastische Erzählung von Pierre Ménard, der den Don Quijote noch einmal geschrieben hat, als identisches und dennoch gänzlich neues Werk. Vielleicht hat Calvino so Ariosts Werk neu geschrieben, daß wir es nun mit seinen Augen lesen können. Calvinos Part ist nicht die überbrückende Inhaltsangabe, sondern ein vor Geist und Lebendigkeit sprühender Begleittext, der kunstvoll immer wieder den Rahmen schafft, in dem Ariosts Dichtung selbst in um so leuchtenderen Farben ihre Auftritte hat.

Calvino führt uns als Cicerone durch das Ariostsche Erzähllabyrinth: zur Begegnung der flüchtigen Angelica mit dem liebesentbrannten Sacripant, zu Bradamentes Kampf mit dem Zauberer Atlante, zu Ruggieros Abenteuer mit der bezaubernden, gefährlichen Alcina, die sich schließlich als häßliches altes Weib erweist, wenn dies nicht nur wieder ein anderer Sinnestrug ist. Wir finden uns wieder im verzauberten Palast Atlantes, wo die gefangenen Ritter umherirren, genarrt von den Objekten ihrer Begierde, die als Phantasmen erscheinen und verschwinden, haben teil am Wahnsinn Rolands, als er erfährt, daß Angelica, nach der er sich verzehrt, ihre Liebe dem einfachen Fußsoldaten Medoro zugewendet hat. Wir trauern über das Unglück des edlen Liebespaars Zerbino und Isabella, wir folgen Astolfo bei seiner Reise zum Mond, erfahren die Wiedergenesung Rolands und das wohlverdiente Ende des heidnischen Schlagetots Rodomonte. Dazwischen haben wir Anteil am Geschick der Liebenden Ruggiero und Bradamante, die erst am Ende des romanzo, nachdem der Kampf um Paris zwischen Heiden und Christen entschieden ist, sich endgültig finden werden. Aus ihrer Verbindung wird der Stammvater der Este hervorgehen, in deren Dienst Ariost sein heiter-übermütiges Werk schreiben wird, in das sich auch melancholisch-resignative Töne mischen.

Es war eine glänzende Idee, den Part Ariosts der alten romantischen Übersetzung von Gries anzuvertrauen und Italo Calvinos Teil in die Hände des Übersetzers Burkhard Kröber zu legen, der für die Nuancen italienischer Prosa ein geradezu absolutes Gehör hat und sie mit vollkommener Sicherheit im Deutschen wiedergibt. (Die Poesie scheint ihm dagegen weniger zu liegen, seine Verbesserungen der Griesschen Übersetzung sind manchmal eher Verschlimmbesserungen.) Calvinos Bandbreite von sachlichem Referat, klugem Kommentar, ironisch gebrochener Eindampfung oft Dutzender Ariostscher Oktaven zu wenigen knappen Sätzen und seiner eigenen Erzählerstimme, mit der er aus der Erinnerung Ariost vergegenwärtigt, ist ebenso treffend in ein modernes, kraftvolles und schnörkelloses Deutsch gebracht, wie Gries dem romantischen Duktus des Originals gerecht wird.

Viele Köche, sagt man, verderben den Brei. Hier haben Meisterköche ein wunderbar schmeckendes Lesegericht feinster italienischer Küche zubereitet. Spätestens hier muß auch von Johannes Grützke die Rede sein, der eine große Zahl von Bleistiftzeichnungen zu dem Band beigesteuert hat. Grützkes kraftvolle, schwere Hand scheint wie von Ariosts Leichtigkeit ergriffen, nicht daß dadurch der Bleistiftstrich filigran würde, sondern das breite Graphit wird oft drucklos und scheint dann wie in einen Schwebezustand über dem Papier versetzt.

Daß dieses Buch so überaus erfreulich geraten ist, daran haben auch die Buchgestalter nicht geringen Anteil. Alles ist an diesem liebevoll gemachten Band zu loben: das furiose Rot des Rückenschildchens, das von dem Lesebändchen aufgenommen wird, die schöne Idee, für Calvinos und Kröbers Prosa ein kräftiges Schwarz, für die Passagen, die Ariost-Gries gehören, ein elegantes Grau zu wählen, das feine Papier, der makellose Druck, der farbenprächtige Einband, alles trägt hier dazu bei, dem Leser und Buchfreund ein Vergnügen zu bereiten, wie es der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen "Anderen Bibliothek" würdig ist.

Ludovico Ariost: "Rasender Roland". Nacherzählt von Italo Calvino. Mit 63 Zeichnungen von Johannes Grützke. Aus dem Italienischen übersetzt und kommentiert von Burkhard Kroeber. Eichborn Verlag, Frankfurt 2004. 444 S., geb., 28,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rolf Vollmann sieht sich mit diesem Buch in die schönsten Frühlingsgärten versetzt und wandelt dort entzückt umher. Bei aller lyrischer Schwärmerei über den so "herrlich gar nicht enden wollenden Rasenden Roland" von Ludovico Ariost, besinnt sich der Rezensent dann aber doch noch auf die vorliegende Nacherzählung von Italo Calvino, der bereits 1970 den Rasenden Roland in eine Erzählung gefasst hat, in die ausgewählte Strophen von Ariost eingefügt sind, wie Vollmann erklärt. Burkhard Kroeber hat nach der begeisterten Einschätzung des Rezensenten Calvinos Text in einer "leichtfüßige" Übersetzung ins Deutsche gebracht, "wie sie keiner von uns hätte schreiben können". Und so wäre das Glück Vollmanns perfekt, wenn da nicht die Illustrationen von Johannes Grützke wären, deren "tölpelhaft bäuerische" Manier er der Anmut der Geschichte um Ritter, geraubte Frauen und geflügelte Pferde vollkommen unangemessen findet.

© Perlentaucher Medien GmbH