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Am 24. Juni 1859 beobachtete Jean-Henri Dunant, ein reicher Genfer, der im Norden Italiens unterwegs war, von den Anhöhen um Castiglione, wie die Streitkräfte unter Kaiser Napoleon III. von Frankreich und Kaiser Franz Joseph von Österreich in den Weinbergen und Schluchten von Solferino miteinander kämpften. Den ganzen Tag über hörte Dunant den alles erschütternden Schlachtenlärm, der aus Wolken von Staub und Kanonenrauch drang. In der Abenddämmerung räumte der österreichische Kaiser schließlich das Feld, und seine geschlagenen Truppen liefen auseinander. In Die Kartause von Parma hatte…mehr

Produktbeschreibung
Am 24. Juni 1859 beobachtete Jean-Henri Dunant, ein reicher Genfer, der im Norden Italiens unterwegs war, von den Anhöhen um Castiglione, wie die Streitkräfte unter Kaiser Napoleon III. von Frankreich und Kaiser Franz Joseph von Österreich in den Weinbergen und Schluchten von Solferino miteinander kämpften. Den ganzen Tag über hörte Dunant den alles erschütternden Schlachtenlärm, der aus Wolken von Staub und Kanonenrauch drang. In der Abenddämmerung räumte der österreichische Kaiser schließlich das Feld, und seine geschlagenen Truppen liefen auseinander. In Die Kartause von Parma hatte Stendhal das Getümmel der Schlacht von Waterloo geschildert; in den Sewastopoler Erzählungen hatte Tolstoi die Kameradschaft in den russischen Feldschanzen während des Krimkrieges beschrieben. Aber es gibt wohl keine schonungslosere Darstellung als Jean-Henri Dunants Buch Eine Erinnerung an Solferino, in dem er schildert, wie es auf einem Schlachtfeld nach dem Gefecht wirklich aussieht: Die Erde ist schwarz von geronnenem Blut und übersät mit liegengelassenen Gewehren, Tornistern und Uniformen, überall abgetrennte Gliedmaßen, Knochensplitter, Kartuschen, reiterlose Pferde, die zwischen den Leichen herumstöbern, Gesichter, verzerrt zur Grimasse des Todes, Verwundete, die zu Pfützen blutigen Schlamms hinkriechen, um ihren Durst zu löschen, und gierige lombardische Bauern, die von Leiche zu Leiche eilen und den Toten die Stiefel von den Füßen zerren. Als er nach Castiglione hineinkam, fand Dunant dort mehrere Tausend verwundete Soldaten beider Mächte vor, die Seite an Seite in den Kirchen, auf den Plätzen und in den Gassen des Dorfes starben. Er ließ Verbandsmaterial und andere Hilfsgüter holen, rekrutierte Frauen aus dem Dorf und begann mit der Versorgung der Verwundeten, nur assistiert von zwei englischen Gentlemen, die sich gerade auf einer Urlaubsreise befanden. Dunant, damals Anfang dreißig, war absoluter Laie in diesen Dingen, eine Art Schlachtenbummler. Er hatte in seinem Leben noch nie irgend jemanden gepflegt. Im zunehmend blutbefleckten weißen Leinenanzug wanderte er zwischen den Toten und Sterbenden umher, die dichtgedrängt im Hauptschiff der Dorfkirche lagen, und verteilte Zigarren, weil er glaubte, der Duft einer guten Zigarre könne den Gestank der eiternden Wunden verringern. Außer Wasser, mit dem man die Wunden säubern konnte, und einigen wenigen Streifen Baumwollstoff für Notverbände gab es kaum etwas. Die zehnstündige Schlacht hatte sechstausend Menschenleben gefordert; in den Folgemonaten starben noch weitere tausend Soldaten an ihren Verwundungen.
Autorenporträt
Hans Magnus Enzensberger, geboren 1929 in Kaufbeuren, lebt in München. 1963 erhielt Hans Magnus Enzensberger den Georg-Büchner-Preis, im Jahr 2015 wurde ihm der Frank-Schirrmacher-Preis verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.05.2001

Krieger und Idioten
Erfolg und Versagen fürs Internationale Komitee vom Roten Kreuz
Bücher aus der Anderen Bibliothek sind immer anders, sie befördern schon durch ihre Ausstattung (inklusive rotem Lesebändchen) zusätzliche Botschaften. Die dünne Gazehaut, in welche die Buchdeckel dieser von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Textsammlung über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gewickelt sind, kann die Wunden nicht kaschieren. Wie Blut schimmern sie durch, die roten Kreuze, die primär das IKRK selbst betreffen: die internen Querelen; das fragile, nicht immer den Erfordernissen entsprechende, stets auch bedrohte Selbstverständnis als neutrale Organisation; das Versagen gerade wegen dieses Prinzips Neutralität; das Verschweigen beziehungsweise das bewusste Herunterspielen dessen, was man über die Ermordung der Juden spätestens im November 1942 schon wusste, um es sich mit dem nationalen deutschen Komitee, das vom SS-Führer Grawitz geleitet wurde, nicht zu verderben; die Konkurrenz mit anderen humanitären Organisationen im Wettlauf um Medienpräsenz und Geld heutzutage.
Ganz (selbst-)kritisch setzen sich die Autoren dieses Bands mit den strukturellen Schwächen des IKRK auseinander. Dabei ist es doch eine Erfolgsgeschichte, die mit Henri Dunant begann, der, ein geschäftsreisender Schlachtenbummler, am 24. Juni 1859 mehr zufällig zum Zuschauer des Gemetzels von Solferino zwischen napoleonischen und habsburgischen Soldaten wurde und, erschüttert von dem, was er sah, versuchte, den unversorgten Verwundeten, die am Morgen nach der Schlacht zu Tausenden das Feld bedeckten, Hilfe zu leisten.
Ob Dunant selbst an diesem und an einem der folgenden Tage ein Menschenleben hat retten können, ist ungewiss. Aber sein Bericht von der Schlacht hat die Welt aufgerüttelt. 1862 erschien die Broschüre Eine Erinnerung an Solferino. Ein Jahr später gründete sich das Genfer Komitee, und schon 1864 unterschrieben 16 Staaten die „Genfer Konvention betreffend die Linderung der im Felddienst verwundeten Militärpersonen”.
Es ist selten, dass ein einzelner Mensch so viel bewegt wie Dunant, der mit Überzeugungskraft, Fantasie und Mut das Außerordentliche forderte und erreichte. Tugenden die auch heute noch von den Delegierten gefordert sind, auch wenn sie einen Stab von Helfern, Tonnen von Ausrüstung im Tross mitführen. Sie sind Einzelkämpfer, müssen am Ort selbst abstecken, wie weit sie gehen können, erfinderisch in ihrer Mission, oft ohne Rechtsgrundlage. Wie Marcel Junod, der im Spanischen Bürgerkrieg von Genf aus nach Barcelona geschickt wurde, „um zu sehen, was sich machen lässt”, und dann drei Jahre blieb. 2000 Geiseln rettete er vor der Ermordung durch die jeweils andere Partei. Oder Louis Haefliger, der im April 1945 praktisch im Alleingang die 60000 Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen vor der Ermordung, zumindest aber vor den todbringenden Hungermärschen bewahrte. Oder Peter Gottfried Stocker, dem es im Kontakt zu den Warlords in Somalia gelang, Hunderttausende dem sicheren Hungertod zu entreißen. Als „erbärmlicher Idiot” wurde Junod von einem Falangisten beschimpft, und als „Verrückter, der aus der ruhigen Schweiz in ein Land von Verrückten gekommen” sei, galt der in den Libanon delegierte Jörg Bischoff.
Das Feld der in der Genfer Konvention umrissenen Aufgaben wurde in mehreren Zusatzprotokollen erweitert, die den Kriegern ohne Waffen das Eingreifen zum Schutz von Kriegsgefangenen, Internierten und der Zivilbevölkerung nicht nur im Kriegsfall, sondern auch bei Bürgerkriegen und bei sozialen Unruhen ermöglichten. Alles lief auf eine allmähliche Zivilisierung des Kriegs hin – nicht dessen Abschaffung. Dunant war kein Pazifist, und darin liegt nicht zuletzt der Erfolg seiner Idee. Auch der Herausgeber Enzensberger gibt sich durch die Auswahl der Texte als einer zu erkennen, der weiß, dass, wer den Frieden bewahren will, sich auch auf Krieg einlassen muss.
Aber letzten Endes wurde, wie es Michael Ignatieff in seinem Essay über „Die Ehre des Kriegers” darlegt, das IKRK überrollt von der Entwicklung, welche die Kriege in der Postmoderne genommen haben – von der trotz allem noch an Prinzipien der Ritterlichkeit orientierten Schlacht von Solferino bis zum Vernichtungskrieg, den die Deutschen gegen Europa führten, und schließlich den durch keinerlei Regeln mehr gebändigten Feldzügen räuberischer Warlords am Ende des 20. Jahrhunderts, sei es in Afrika, in Afghanistan, in Jugoslawien (auf allen Seiten) oder Tschetschenien. Hier werden Kriege geführt, die nicht mehr aufhören, in denen das Opfer von heute der Täter von morgen ist und in denen das Rote Kreuz – das Internationale Komitee wie auch die nationalen Gesellschaften – an die Grenzen seiner Möglichkeit gerät.
Kann man da überhaupt noch weiter machen? Soll man/darf man es, fragt Ignatieff, wenn es – zusätzliches Dilemma, ärger noch als das der Neutralität, die einem die Hände bindet – nicht auszuschließen ist, dass durch die humanitäre Hilfe Kriege verlängert werden? Wird nicht durch die von den Medien begleiteten Aktionen der eigentliche Konflikt geschönt, entpolitisiert zur das öffentliche Gewissen entlastenden Helfergeschichte? Wäre es, fragt er, bei den ethnischen Konflikten der allerjüngsten Zeit manchmal nicht doch das Beste, nichts zu tun: zuzulassen, dass ein Sieger aus dem Krieg hervorgeht, und ihm dann bei der Errichtung und Aufrechterhaltung eines Gewaltmonopols zu helfen? Eine Frage, so schmerzhaft wie eine Wunde, nur mühsam bedeckt mit etwas Verbandsmull. Scharpie hieß der zu Dunants Zeiten.
ELISABETH BAUSCHMID
HANS MAGNUS ENZENSBERGER (Hrsg.): Krieger ohne Waffen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Die Andere Bibliothek. Eichborn Verlag, Frankfurt 2001. 348Seiten, 54Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2001

In den Fußtapfen Henry Dunants
Beiträge zur Geschichte und Gegenwart des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz

Hans Magnus Enzensberger: Krieger ohne Waffen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001. 348 Seiten, 54, Mark.

Unter dem Titel Krieger ohne Waffen werden rund ein Dutzend Beiträge zum Thema Internationales Rotes Kreuz präsentiert. Nach welchen Auswahlkriterien Hans Magnus Enzensberger die Texte zusammengestellt hat, bleibt einigermaßen unklar. Erfreulich ist aber, daß eines der packendsten Kapitel aus Marcel Junods Kämpfer beidseits der Front ein Paradestück der Rotkreuz-Memorialistik des 20. Jahrhunderts der Vergessenheit entrissen wird. Höchst begrüßenswert sodann, daß mit Textproben aus Eine Erinnerung an Solferino der Vater des Rotkreuzgedankens, Henry Dunant, selbst zu Wort kommt. Dunants Werk gehört zur Kategorie jener ehrfurchtgebietenden Monumente in Buchform, die jedermann vom Hörensagen, aber kaum jemand aus eigener Lektüre kennt.

Letzteres läßt sich von einer andern Publikation nicht behaupten, aus der Enzensbergers Rotkreuz-Anthologie längere Passagen übernimmt: Jean-Claude Favez Das Internationale Rote Kreuz und das Dritte Reich . Deutsch erstmals 1989 veröffentlicht, ist das Werk seither unter anderem Titel auch als Taschenbuch erschienen und hat weite Verbreitung gefunden. Die Aufnahme von Auszügen in den vorliegenden Sammelband hätte sich allenfalls gerechtfertigt, wenn die Gelegenheit benützt worden wäre, Mängel der deutschen Übersetzung und auch sachliche Irrtümer zu korrigieren. So wurde Favez Behauptung, daß Ernst Robert Grawitz von 1938 bis 1945 in Personalunion geschäftsführender Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und Reichsarzt SS mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nur sporadische Beziehungen unterhalten habe und während des Krieges nie an dessen Genfer Sitz erschienen sei, schon vor geraumer Zeit widerlegt.

Was die umstrittene damalige Haltung des IKRK betrifft, wird in Krieger ohne Waffen auch die Legende weiter kolportiert, das Genfer Gremium habe im Oktober 1942 die historische Entscheidung getroffen, der Öffentlichkeit vorzuenthalten, was man über das Innenleben der deutschen Konzentrationslager am Sitz in Genf wußte, nämlich mehr als irgendwo sonst außerhalb des Reichs . Aus den einschlägigen Akten des IKRK-Archivs geht indessen klar hervor, daß das Komitee seinerzeit keineswegs darüber zu befinden hatte, ob es mit Enthüllungen über KZ-Verbrechen an die Öffentlichkeit treten wolle oder nicht. Diskutiert und negativ entschieden wurde Mitte Oktober 1942 lediglich die Frage der Lancierung eines Appells, worin das IKRK alle Kriegführenden zu humanitärem Wohlverhalten insbesondere gegenüber der Zivilbevölkerung ermahnt hätte. Der Entwurf dieser Erklärung sprach weder von Judenverfolgungen noch von Konzentrationslagern, sondern beklagte lediglich Deportationen und Geiselnahmen . Niemand hätte daraus eine Verurteilung der zu jener Zeit in die Phase industriellen Massenmordes eingetretenen Endlösung der Judenfrage heraushören können. Auch deutet alles darauf hin, daß nur eines der Genfer Komiteemitglieder Carl J. Burckhardt über das Ausrottungsprogramm der NS-Führung damals schon informiert war. Ihm aber lag sehr daran, sein Wissen rotkreuzintern für sich zu behalten.

Eine der Stärken von Enzensbergers Rotkreuz-Anthologie liegt darin, daß ihre gegenwartsbezogenen Beiträge die Schwierigkeiten beim Namen nennen, mit denen sich die Nachfahren Dunants heute konfrontiert sehen. Nicht alle der aufgeführten Probleme sind neuen Datums. Spannungen zwischen dem Genfer Internationalen Komitee das sich seit seiner Gründung ausschließlich aus Schweizer Bürgern zusammensetzt und manchen nationalen Rotkreuzgesellschaften lassen sich bis in die Jahre des Ersten Weltkrieges zurückverfolgen. Zeitweise versuchte der Dachverband der nationalen Gesellschaften (früher Liga, heute Föderation genannt), das IKRK aus seiner historisch begründeten Führungsrolle innerhalb der Rotkreuzbewegung zu verdrängen.

Nicht zuletzt unter dem Druck zunehmender Konkurrenz, die den Mitgliedern von Dunants Erbengemeinschaft insgesamt ob national oder international in neuerer Zeit durch außenstehende humanitäre Akteure wie Amnesty International oder Ärzte ohne Grenzen erwächst, hat man sich in den neunziger Jahren zu einem modus vivendi durchgerungen. Er gestattet es den finanziell und personell wohldotierten, international einsatzfähigen und -willigen Rotkreuzgesellschaften hochentwickelter Länder (wie beispielsweise dem DRK), in Kriegs- oder Krisengebieten de facto selbständig, nominell aber unter der Ägide des IKRK zu operieren.

Selbstverständlich führt das IKRK weiterhin und in großem Umfang auch Hilfsaktionen in eigener Regie durch. Es ist stolz darauf, etwa in einem Land wie Afghanistan trotz schwierigsten Arbeits- und Lebensbedingungen seine Tätigkeit zu keiner Zeit unterbrochen zu haben. Andernorts wie zum Beispiel in Somalia mußte Genf zeitweilig die Flagge streichen, weil sinnvolles Arbeiten inmitten mörderischer Clan- und Bandenkämpfe für die Rotkreuzdelegierten und ihre Helfer selbst unter Lebensgefahr nicht mehr möglich war.

Dankenswerterweise haben Reminiszenzen ehemaliger IKRK-Mitarbeiter, die solchen Extremsituationen ausgesetzt waren, im vorliegenden Sammelband Aufnahme gefunden. Diese Zeugnisse lassen erkennen, daß die kriegsvölkerrechtliche Basis, auf die sich die Rotkreuzaktivität im Zeitalter klassischer zwischenstaatlicher Konflikte stützen konnte, angesichts des heute dominierenden Typus innerstaatlicher ethnischer und religiöser Auseinandersetzungen weithin obsolet geworden ist. Zurück bleibt mitunter ein Gefühl drohenden Versinkens in regelloser Gewalt, das Zweifel am Sinn weiterer humanitärer Bemühungen aufkommen lassen könnte, von einer Elite unter den Kriegern ohne Waffen aber offenkundig als Herausforderung empfunden wird. Zu den besonders lesenswerten, aktualitätsbezogenen und rotkreuzpolitisch wohlinformierten Beiträgen des Bandes zählt vorab jener von Daniel Hitzig ( Das Kreuz mit dem Kreuz ), während Jürg Bischoff und Georg Brunold den bewegten Alltag eines IKRK-Delegierten im Krisengebiet wirklichkeitsnah zu evozieren wissen.

Enzensberger läßt nur Michael Ignatieff zweimal zu Wort kommen. Dieser beschert dem Leser zwar den einen oder andern originellen Gedanken, aber auch ein reiches Maß an Fehlinformationen: das Emblem der Genfer humanitären Institution entspricht angeblich der Schweizer Nationalfahne mit ihrem roten Kreuz auf weißem Grund ; die (vier) 1949 vereinbarten Genfer Konventionen hält der Autor für identisch mit ihren erst 1977 beschlossenen beiden Zusatzprotokollen. Während des Zweiten Weltkrieges habe die Genfer Konvention in ihrer Fassung von 1939 gegolten in Wirklichkeit stammten sie aus dem Jahre 1929 , und die vielberufene historische Komitee-Sitzung, die sich am 14. Oktober 1942 mit der Appell-Frage befaßte, fand gemäß Ignatieff erst ein Jahr später statt.

PAUL STAUFFER

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Alles andere als ein Loblied auf das Rote Kreuz ist dieses Buch, das Rezensentin Renee Zucker gelesen hat. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) sei keine Menschenrechtsorganisation, dagegen stehe allein schon der Grundsatz "Neutralität und Vertraulichkeit geht über alles", schreibt Zucker. So würden dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag etwa wichtige Informationen über Opfer im Jugoslawien-Krieg vorenthalten. Schließlich wolle das IKRK auch weiterhin Notleidenden helfen - und dazu müsse man zu allen kriegsführenden Parteien Kontakt halten, übermittelt die Rezensentin. Die gut ein Dutzend Beiträge seien "aus der Sicht der Helfer" (auch von Helfern?) geschrieben; diese müssten sich immer mehr mit der eigenen Sicherheit beschäftigen, da die Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten immer gefährlicher werde. Die IKRK-Helfer hätten erkannt, dass es sinnlos sei, von einer "Welt ohne Krieg" zu träumen, schreibt Zucker, deshalb sollten sich die "Krieger" wenigstens an bestimmte Regeln halten. Herausgeber Hans Magnus Enzensberger bezeichnet den Band als "scharfsichtiges wie herzzerreißendes Panorama" - dem schließt sich die Rezensentin an.

© Perlentaucher Medien GmbH