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2 Kundenbewertungen

Edward St Aubyns meisterhafter Roman über einen machtbesessenen und eitlen Despot am Ende seines Lebens
Sein ganzes Leben lang hat Henry Dunbar auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, besessen von der Vision, seinen kleinen Zeitungsverlag zu einem Medienkonzern auszubauen. Auf dem Zenit seiner Macht hat nur noch einen einzigen, aber mächtigen Feind: das Alter. Dunbar weiß, er muss sein Reich in die Hände seiner Töchter legen. Nur zwei der Kinder hält er für geeignet. Doch das Leben erteilt ihm eine bittere Lektion.
In seinem neuen Roman, inspiriert von Shakespeares König Lear,
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Produktbeschreibung
Edward St Aubyns meisterhafter Roman über einen machtbesessenen und eitlen Despot am Ende seines Lebens

Sein ganzes Leben lang hat Henry Dunbar auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, besessen von der Vision, seinen kleinen Zeitungsverlag zu einem Medienkonzern auszubauen. Auf dem Zenit seiner Macht hat nur noch einen einzigen, aber mächtigen Feind: das Alter. Dunbar weiß, er muss sein Reich in die Hände seiner Töchter legen. Nur zwei der Kinder hält er für geeignet. Doch das Leben erteilt ihm eine bittere Lektion.

In seinem neuen Roman, inspiriert von Shakespeares König Lear, seziert Edward St Aubyn gekonnt innerfamiliäre Beziehungen. "Dunbar und seine Töchter" ist ein brillantes Lehrstück über Egoismus, Starrsinn und die Erkenntnis, wie leicht einem am Ende des Lebens alles Erreichte aus den Händen gleiten kann.

Autorenporträt
St Aubyn, Edward
Edward St Aubyn, geboren 1960, stammt aus einer der bekanntesten und ältesten Familien des englischen Hochadels. Er durchlebte eine schwierige Kindheit, verbrachte die meiste Zeit davon in Internaten, wurde bereits als Jugendlicher drogenabhängig und brauchte Jahre, um von seiner Sucht loszukommen. Er verarbeitete diese traumatischen Erlebnisse in mehreren Romanen, deren Veröffentlichung als Tabubruch empfunden wurde.Edward St Aubyn lebt in London.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Zur Aufbereitung der Geschichte von King Lear und seinen Töchtern passt wohl kaum einer besser als Edward St Aubyn. Sein großes Thema sind dunkle Familiengeschichten und er ist ein sehr genauer Beobachter der Lügen hinter anständigen Fassaden. Und so ist seine Version der Tragödie vom verblendeten König, der von seinen beiden älteren Töchtern verraten wird, und die jüngste Tochter, die ihn wahrlich liebt, verstößt, eine zeitgemäße und zugleich klassische Darstellung von familiären Intrigen und Betrug, von Ränke- und Machtspielen. In St Aubyns Roman ist Lear der alternde Medienmogul Henry Dunbar, der seine Geschäfte den beiden ältesten Töchtern Abigail und Megan anvertraut, nichts ahnend, dass sie sich gegen ihn wenden und ihn in ein Sanatorium abschieben. Von dort entkommt er gemeinsam mit einem trinkfreudigen Komiker. Doch seine Töchter jagen ihn, und nur Florence, die Jüngste, die er von sich gewiesen hat, könnte ihn retten. Der greise Dunbar erkennt wie das literarische Vorbild Lear allzu spät, dass er ein Dummkopf war, geblendet von Macht und Ruhm, von der Gier nach materiellen Gütern und der Sucht nach Schmeicheleien. Edward St Aubyn erzählt dieses Drama um verlorene Ehre und verschenkte Liebe fast nüchtern karg, aber sehr eindringlich.

© BÜCHERmagazin, Margarete von Schwarzkopf (mvs)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.11.2017

Sturm,
Wahn
und Angst
Der Medienmogul und seine
schwindende Macht:
Edward St Aubyn erfindet in seinem
Roman „Dunbar und seine Töchter“
einen modernen King Lear
VON FRANZISKA AUGSTEIN
Dunbar ist eine Stadt im Süden Schottlands. In Schottland liegen bekanntlich auch dann düstere, nebelüberwaberte Gefilde, wenn die Sonne scheint. Shakespeare-Freunde wissen das. Und so hat Edward St Aubyn den achtzig Jahre alten Protagonisten seines neuen Buches Henry Dunbar genannt. Außerdem gibt es die Dunbar-Zahl, benannt nach ihrem Erfinder, der errechnet hat, wie viele Beziehungen zu anderen Menschen ein Individuum gleichzeitig unterhalten kann.
Die Ziffer ist mit Liebe mathematisch zusammengebastelt und schwankt zwischen 150 und 250 Personen. St Aubyns Henry Dunbar kennt viele Leute, aber von Beziehungen kann man eigentlich nur insofern reden, als er unwirsch geworden ist, wenn andere nicht ausführten, was er befohlen hatte. Derzeit – so beginnt der Roman – hat Dunbar leider gar nichts mehr zu sagen: Seine zwei bösen Töchter, denen der milliardenschwere Medienmogul, um Steuern zu sparen, seinen Konzern überschrieb, haben ihm – immergierig – Drogen verpassen lassen, sodass die daraus resultierende Paranoia es völlig natürlich erscheinen ließ, Dunbar in einem komfortablen Irrenhaus wegzuschließen. Die Schwestern wollen die Anteile des an der Börse notierten Konzerns zurückkaufen, das Riesenunternehmen verschlanken, dann mit sagenhaftem Gewinn abstoßen und sich fürderhin der Genusssucht und ihren perversen Lüsten widmen.
Dunbar ahnt das. Selbst durch den Schleier der Beruhigungsmittel, die ihm verabreicht werden, weiß er: Er muss ausbrechen, muss erreichen, was ihm lebenslang Aufgabe und Ziel gewesen ist, an der Macht bleiben. Auf der anderen Seite des großen Teichs macht seine dritte, die jüngste Tochter sich große Sorgen um den Papa. Sie hat längst schon genug Geld geerbt und von Dunbar geschenkt bekommen, mehr will sie gar nicht. Sie liebt ihren Vater, eine Grüne ist sie auch und im Übrigen vor lauter Gutherzigkeit völlig eigenschaftslos. Deshalb ähnelt sie Shakespeares Cordelia im „König Lear“.
Edward St Aubyn wurde eingeladen, beim „Hogarth-Projekt“ mitzumachen: Namhafte Romanciers schreiben Shakespeares Theaterstücke um, für die Gegenwart. „König Lear“ bot sich für St. Aubyn an, weil er als kleiner Junge von seinem – auch pekuniär mächtigen – Vater sexuell missbraucht wurde, was ihm auf der Universität Oxford Heroin als bevorzugtes Präparat erscheinen ließ. Ende der Achtzigerjahre befreite sich der heute 57-Jährige von der Drogensucht. Er wechselte sie ein gegen die Schriftstellerei. Wer ihn fragt, bekommt freilich zu hören, das Schreiben mache ihm Mühe, es sei für ihn Arbeit, kein Trip und keine Therapie.
König Lear: Wer ist das? Das ist nicht St Aubyns Vater. Wenn das englische Schulsystem den gehobenen Schichten eines untergerieben hat, dann die Pflicht, das eigene werte Ich nimmer in den Vordergrund zu stellen. Das hat sich schon bei den fünf Büchern über das Schicksal des Patrick Melrose gezeigt. St. Aubyn hat darin seine üble Kindheit ausgeschöpft: Kühl bis ans Herz hinan, distanziert, mit großem Witz und fabelhafter Formulierungskunst hat er die Fährnisse eines jungen, gebildeten, gesellschaftlich gewandten, sehr wohlhabenden jungen Mannes geschildert, der mehr Drogen einnimmt als bloß Heroin.
König Lear, alias Henry Dunbar: St Aubyns Figur ist reicher als die von Shakespeare. St Aubyn füllt ein paar Lücken, die Shakespeare offengelassen hat. Im 17. Jahrhundert war ein König ein König, im guten Fall ausgestattet mit einem Gewissen.
St. Aubyn zeigt Dunbar als die miese Type, die vielleicht auch Shakespeares Lear war. Die Angst, den Verstand zu verlieren, beschert Henry Dunbar Einsichten und Besinnung.
Dieser neue Roman St Aubyns ist nicht hoch genug zu preisen, er ist das Werk eines im Wortsinn ungeheuerlich guten Schriftstellers. St Aubyn schreibt witzig und unterhaltsam und zugleich psychologisch bedrückend eindrucksvoll. Er ist allem himmelweit überlegen, dem Verlagsgeschäft, der nötigen PR, der Kenntnislosigkeit der Leser, die bloß unterhalten werden wollen. Er unterhält die Leser sogar mit Naturbeschreibungen. Wer es merkt, freut sich daran, dass St Aubyns Darstellungen von Sturm und dem armen Dunbar, der sich nach seinem Ausbruch aus dem Irrenhaus in den Bergen des westenglischen Cumbria verirrt, auf die Romantik zurückgehen, quasi als Anspielungen auf das Dickicht der Kulturgeschichte. Dunbar irrt in den Bergen umher wie Hans Castorp durch den Schneesturm im „Zauberberg“. (Und schon diese Szene von Thomas Mann spielte mit der Erinnerung an die Romantik des frühen 19. Jahrhunderts.)
Edward St Aubyns Englisch ist von unglaublicher Schönheit und Prägnanz. Jedes Wort sitzt. Er wechselt Tonlagen wie andere das Hemd. Er ist so komisch-satirisch wie Evelyn Waugh. Er ist psychologisch so einfühlsam wie, sagen wir, Virginia Woolf. Ein solches Buch zu übersetzen ist sehr schwierig. Es beginnt mit den Sprachspielen. Peter Walker, ein seinen Depressionen und dem Alkohol übergebener Komiker, ist Dunbars Nachbar im Irrenhaus. Mit sich selbst kommt er nicht zurecht, seinen TV-Ruhm verdankt er dem Umstand, dass er keine Identität hat, sondern mit vielen Stimmen zu sprechen versteht, mal als John Wayne, mal als Hotel-Rezeptionistin.
Über den Ratgeber Dunbars (auch für diese Figur gibt es in „König Lear“ eine Entsprechung) sagt dieser gestrandete Komiker: „He sounds like a sound fellow, he sounds like a man with his meds screwed on, I mean his heads screwed on.“ „Meds“ sind Medikamente, „heads“ sind die Köpfe von Dunbars Ratgeber, wobei der depressive, sich in die Nachahmung anderer rettende Peter Walker sich gar nicht vorstellen mag, jemand könne bloß einen einzigen Kopf haben. Hier wie an anderen Stellen hat der Übersetzer die Fahne gestrichen: „Oh, der gefällt mir (...) klingt nach einem ernstzunehmenden Menschen, nach jemandem mit Sinn für die richtige Dosis, Dosis an Härte und Stärke.“ Da fehlt alles: das deutsche Wortspiel mit Verweis auf Medikamente ist medioker, und die richtigen Wörter fehlen auch. „A sound fellow“ ist viel mehr und zugleich viel weniger als „ein ernstzunehmender Mensch“.
Das ist die Kunst von Edward St Aubyn: Er schreibt glasklar. Und wie sein Komödiant Peter Walker, der blitzschnell einen anderen Ton aufsetzen kann, wechselt er zwischen Umgangssprache, affektierter Hochsprache, romantischer Beschreibung, schierem Sarkasmus. Das macht sein Buch brillant. Nikolaus Hansen, der es ins Deutsche übersetzt hat, ist nicht zu beneiden. Die deutsche Version ist am Ende irgendwie gelungen, Hansen sind viele originelle, hübsche Vokabeln eingefallen. Freilich, wer Englisch lesen kann, sollte sich das englische Original besorgen.
Henry Dunbar und seine dritte, liebe Tochter Florence (Florence Nightingale lässt grüßen) feiern schließlich das Wiedersehen. Bis dahin finden einige ekelhafte geschäftliche Transaktionen statt und mindestens ein Mord. Und der gebannte Leser merkt, dass Edward St Aubyn, auch wenn er auf den Modus einer Kriminalgeschichte einschwenkt, er selbst bleibt, so komisch, so klug, so gebildet, so einfühlsam, so grandios schreibt, dass die Leser alles mit Freude miterleben. Wir warten auf das nächste Buch.
Edward St Aubyn: Dunbar und seine Töchter. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Hansen. Albrecht Knaus Verlag, München 2017. 256 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro.
St Aubyn zeigt den Alten
als die miese Type, die
King Lear vielleicht auch war
Wie seine Figur, der Komiker
Peter Walker, kann der Autor
blitzschnell den Ton ändern
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»König Lear hat in Henry Dunbar einen würdigen literarischen Nachfahr gefunden.« MDR Kultur, Rainer Moritz, Literaturkritiker
Sturm,
Wahn
und Angst

Der Medienmogul und seine
schwindende Macht:
Edward St Aubyn erfindet in seinem
Roman „Dunbar und seine Töchter“
einen modernen King Lear

VON FRANZISKA AUGSTEIN

Dunbar ist eine Stadt im Süden Schottlands. In Schottland liegen bekanntlich auch dann düstere, nebelüberwaberte Gefilde, wenn die Sonne scheint. Shakespeare-Freunde wissen das. Und so hat Edward St Aubyn den achtzig Jahre alten Protagonisten seines neuen Buches Henry Dunbar genannt. Außerdem gibt es die Dunbar-Zahl, benannt nach ihrem Erfinder, der errechnet hat, wie viele Beziehungen zu anderen Menschen ein Individuum gleichzeitig unterhalten kann.

Die Ziffer ist mit Liebe mathematisch zusammengebastelt und schwankt zwischen 150 und 250 Personen. St Aubyns Henry Dunbar kennt viele Leute, aber von Beziehungen kann man eigentlich nur insofern reden, als er unwirsch geworden ist, wenn andere nicht ausführten, was er befohlen hatte. Derzeit – so beginnt der Roman – hat Dunbar leider gar nichts mehr zu sagen: Seine zwei bösen Töchter, denen der milliardenschwere Medienmogul, um Steuern zu sparen, seinen Konzern überschrieb, haben ihm – immergierig – Drogen verpassen lassen, sodass die daraus resultierende Paranoia es völlig natürlich erscheinen ließ, Dunbar in einem komfortablen Irrenhaus wegzuschließen. Die Schwestern wollen die Anteile des an der Börse notierten Konzerns zurückkaufen, das Riesenunternehmen verschlanken, dann mit sagenhaftem Gewinn abstoßen und sich fürderhin der Genusssucht und ihren perversen Lüsten widmen.

Dunbar ahnt das. Selbst durch den Schleier der Beruhigungsmittel, die ihm verabreicht werden, weiß er: Er muss ausbrechen, muss erreichen, was ihm lebenslang Aufgabe und Ziel gewesen ist, an der Macht bleiben. Auf der anderen Seite des großen Teichs macht seine dritte, die jüngste Tochter sich große Sorgen um den Papa. Sie hat längst schon genug Geld geerbt und von Dunbar geschenkt bekommen, mehr will sie gar nicht. Sie liebt ihren Vater, eine Grüne ist sie auch und im Übrigen vor lauter Gutherzigkeit völlig eigenschaftslos. Deshalb ähnelt sie Shakespeares Cordelia im „König Lear“.

Edward St Aubyn wurde eingeladen, beim „Hogarth-Projekt“ mitzumachen: Namhafte Romanciers schreiben Shakespeares Theaterstücke um, für die Gegenwart. „König Lear“ bot sich für St. Aubyn an, weil er als kleiner Junge von seinem – auch pekuniär mächtigen – Vater sexuell missbraucht wurde, was ihm auf der Universität Oxford Heroin als bevorzugtes Präparat erscheinen ließ. Ende der Achtzigerjahre befreite sich der heute 57-Jährige von der Drogensucht. Er wechselte sie ein gegen die Schriftstellerei. Wer ihn fragt, bekommt freilich zu hören, das Schreiben mache ihm Mühe, es sei für ihn Arbeit, kein Trip und keine Therapie.

König Lear: Wer ist das? Das ist nicht St Aubyns Vater. Wenn das englische Schulsystem den gehobenen Schichten eines untergerieben hat, dann die Pflicht, das eigene werte Ich nimmer in den Vordergrund zu stellen. Das hat sich schon bei den fünf Büchern über das Schicksal des Patrick Melrose gezeigt. St. Aubyn hat darin seine üble Kindheit ausgeschöpft: Kühl bis ans Herz hinan, distanziert, mit großem Witz und fabelhafter Formulierungskunst hat er die Fährnisse eines jungen, gebildeten, gesellschaftlich gewandten, sehr wohlhabenden jungen Mannes geschildert, der mehr Drogen einnimmt als bloß Heroin.

König Lear, alias Henry Dunbar: St Aubyns Figur ist reicher als die von Shakespeare. St Aubyn füllt ein paar Lücken, die Shakespeare offengelassen hat. Im 17. Jahrhundert war ein König ein König, im guten Fall ausgestattet mit einem Gewissen.

St. Aubyn zeigt Dunbar als die miese Type, die vielleicht auch Shakespeares Lear war. Die Angst, den Verstand zu verlieren, beschert Henry Dunbar Einsichten und Besinnung.

Dieser neue Roman St Aubyns ist nicht hoch genug zu preisen, er ist das Werk eines im Wortsinn ungeheuerlich guten Schriftstellers. St Aubyn schreibt witzig und unterhaltsam und zugleich psychologisch bedrückend eindrucksvoll. Er ist allem himmelweit überlegen, dem Verlagsgeschäft, der nötigen PR, der Kenntnislosigkeit der Leser, die bloß unterhalten werden wollen. Er unterhält die Leser sogar mit Naturbeschreibungen. Wer es merkt, freut sich daran, dass St Aubyns Darstellungen von Sturm und dem armen Dunbar, der sich nach seinem Ausbruch aus dem Irrenhaus in den Bergen des westenglischen Cumbria verirrt, auf die Romantik zurückgehen, quasi als Anspielungen auf das Dickicht der Kulturgeschichte. Dunbar irrt in den Bergen umher wie Hans Castorp durch den Schneesturm im „Zauberberg“. (Und schon diese Szene von Thomas Mann spielte mit der Erinnerung an die Romantik des frühen 19. Jahrhunderts.)

Edward St Aubyns Englisch ist von unglaublicher Schönheit und Prägnanz. Jedes Wort sitzt. Er wechselt Tonlagen wie andere das Hemd. Er ist so komisch-satirisch wie Evelyn Waugh. Er ist psychologisch so einfühlsam wie, sagen wir, Virginia Woolf. Ein solches Buch zu übersetzen ist sehr schwierig. Es beginnt mit den Sprachspielen. Peter Walker, ein seinen Depressionen und dem Alkohol übergebener Komiker, ist Dunbars Nachbar im Irrenhaus. Mit sich selbst kommt er nicht zurecht, seinen TV-Ruhm verdankt er dem Umstand, dass er keine Identität hat, sondern mit vielen Stimmen zu sprechen versteht, mal als John Wayne, mal als Hotel-Rezeptionistin.

Über den Ratgeber Dunbars (auch für diese Figur gibt es in „König Lear“ eine Entsprechung) sagt dieser gestrandete Komiker: „He sounds like a sound fellow, he sounds like a man with his meds screwed on, I mean his heads screwed on.“ „Meds“ sind Medikamente, „heads“ sind die Köpfe von Dunbars Ratgeber, wobei der depressive, sich in die Nachahmung anderer rettende Peter Walker sich gar nicht vorstellen mag, jemand könne bloß einen einzigen Kopf haben. Hier wie an anderen Stellen hat der Übersetzer die Fahne gestrichen: „Oh, der gefällt mir (...) klingt nach einem ernstzunehmenden Menschen, nach jemandem mit Sinn für die richtige Dosis, Dosis an Härte und Stärke.“ Da fehlt alles: das deutsche Wortspiel mit Verweis auf Medikamente ist medioker, und die richtigen Wörter fehlen auch. „A sound fellow“ ist viel mehr und zugleich viel weniger als „ein ernstzunehmender Mensch“.

Das ist die Kunst von Edward St Aubyn: Er schreibt glasklar. Und wie sein Komödiant Peter Walker, der blitzschnell einen anderen Ton aufsetzen kann, wechselt er zwischen Umgangssprache, affektierter Hochsprache, romantischer Beschreibung, schierem Sarkasmus. Das macht sein Buch brillant. Nikolaus Hansen, der es ins Deutsche übersetzt hat, ist nicht zu beneiden. Die deutsche Version ist am Ende irgendwie gelungen, Hansen sind viele originelle, hübsche Vokabeln eingefallen. Freilich, wer Englisch lesen kann, sollte sich das englische Original besorgen.

Henry Dunbar und seine dritte, liebe Tochter Florence (Florence Nightingale lässt grüßen) feiern schließlich das Wiedersehen. Bis dahin finden einige ekelhafte geschäftliche Transaktionen statt und mindestens ein Mord. Und der gebannte Leser merkt, dass Edward St Aubyn, auch wenn er auf den Modus einer Kriminalgeschichte einschwenkt, er selbst bleibt, so komisch, so klug, so gebildet, so einfühlsam, so grandios schreibt, dass die Leser alles mit Freude miterleben. Wir warten auf das nächste Buch.

Edward St Aubyn: Dunbar und seine Töchter. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Hansen. Albrecht Knaus Verlag, München 2017. 256 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro.

St Aubyn zeigt den Alten
als die miese Type, die
King Lear vielleicht auch war

Wie seine Figur, der Komiker
Peter Walker, kann der Autor
blitzschnell den Ton ändern

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