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Felicitas liebt den Luxus. Doch sie hat Schulden und wenig Talent zu ehrenwerten Berufen. Stattdessen macht sie Karriere als Hochstaplerin. Drei Regeln bestimmen ihr Leben: Regel eins: Armut schändet, Regel zwei: Geld stinkt nie, Regel drei: Die Eitelkeit der Männer ist grenzenlos gewinnbringend.

Produktbeschreibung
Felicitas liebt den Luxus. Doch sie hat Schulden und wenig Talent zu ehrenwerten Berufen. Stattdessen macht sie Karriere als Hochstaplerin. Drei Regeln bestimmen ihr Leben: Regel eins: Armut schändet, Regel zwei: Geld stinkt nie, Regel drei: Die Eitelkeit der Männer ist grenzenlos gewinnbringend.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2000

Luxus-Luder auf Kaperfahrt
Christine Gräns "Hochstaplerin" betrügt Patriarchat und Kapital

Selbst wo der Hochstapler nur sein egoistisches Interesse verfolgt, hält er - "hinter seinem Rücken", wie Marx sagen würde - einer autoritätshörigen, materialistischen Gesellschaft den Spiegel vor. Karl May tat es aus Hunger und mythomanischer Geltungssucht, der Hauptmann von Köpenick aus preußischem Über-, Felix Krull aus rheinisch-antibürgerlichem Hochmut. In jedem Falle war Hochstapeln Männersache. Zwar gibt es schon bei Pitigrilli und Walter Serner den Typus der erotischen Hochstaplerin, und in Hollywood bediente sich zur selben Zeit das Gold Digger Girl skrupellos männlicher Begierden und weiblicher Verstellungskunst. Doch waren diese Femmes fatales eher Männerphantasien als Pionierinnen der Emanzipation. Inzwischen haben die Frauen freilich aufgeholt und gehen nicht mehr dümmlich blinzelnd wie Marilyn Monroe oder charmant wie Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany" zu Werke, sondern elegant, selbstbewußt und ohne jedes Unrechtsbewußtsein

Christine Grän hält Frauen für "geborene Hochstaplerinnen". Ihre Felicitas Wondraschek jedenfalls schläft sich vom resoluten Boxer-Luder zur eiskalten Luxushure hoch. Sex ist für sie nur eine "banale Leibesübung", eine Waffe im Geschlechterkrieg, vor allem aber das Kapital der Frau. "Männer definierten sich über Sex, Geld und Macht. Wenn sie es nicht taten, hatte man die Wahl zwischen Impotenz, Feigheit oder intellektueller Arroganz. Es war einfach mit den Männern." Alle sind Sklaven ihrer Eitelkeit, Idioten des Kapitalismus, Zirkusbären am Nasenring ihrer Gier: Man muß ihnen nur ihre eigene Melodie vorspielen, um sie zum Tanzen zu bringen. Fee zuckt dabei mit keiner Wimper, und weil es sich bei den lüsternen Sugardaddys, die ihr Geld und Gunst aufdrängen, um Bonner Staatssekretäre, Pfeffersäcke, Waffenhändler, Werbefritzen und Zahnärzte handelt, hält sich ihr und unser Mitleid in Grenzen.

Grän kennt ihre Pappenheimer; sie war dreimal verheiratet und hat als Klatschreporterin in Bonn auf den Hintertreppen der Macht recherchiert. In "Die Hochstaplerin" tragen Politiker Geldkoffer auf Stiftungskonten in Liechtenstein, und auch ihr Porträt eines Fußballprofis zeugt von bemerkenswerter Einfühlung in die Psyche der Millionärszöglinge in kurzen Hosen. Fees Opfer sind durchweg Täter: Steuerhinterzieher, Anlagebetrüger und potentielle Vergewaltiger; das und ihr dummer Macho-Stolz erklären, warum sie wenig Wert auf brutalstmögliche Aufklärung oder gar Strafverfolgung legen. Schlimmstenfalls nehmen sich die Ehrenmänner das Leben, wie der schüchterne Freiburger Anwalt; aber das sind nur Betriebsunfälle für einen Macchiavell in Netzstrümpfen: "Die Welt war ein Selbstbedienungsladen, und wer nicht zugriff, war selber schuld."

Felicitas ist also eine Rächerin der verletzten Frauenwürde - und selber nicht unempfänglich für die Verlockungen von Luxus und Macht. Kaviar aber macht nicht satt, Schwarzgeld nicht glücklich, und das ewige Rollenspiel führt zur Selbstentfremdung. In Fees üppigem Busen schlummert eine unstillbare Sehnsucht nach Wärme, Seßhaftigkeit und Liebe, die sie weder mit Leonard-Cohen-Songs noch mit ihrem starken Appetit stillen kann: Der Vater, ihr Lehrer in Sachen Betrug, hat sie vernachlässigt, die Mutter verlassen, und so blieb ihr nur Klara als Freundin und Komplizin. Die Möchtegernschauspielerin kann das Hochstapeln zwar mit Marx- und Brecht-Zitaten begründen, aber sie hält die Widersprüche antikapitalistischer Subversion nicht aus. Erst kommt das Fressen, dann die Unmoral, doch der Mensch lebt nicht vom Schampus allein. Klara träumt wie Seeräuberjenny von dem Schiff mit den hundert Kanonen an Bord, das sie aus Depression und Trunksucht entführen wird; dabei ist sie schon vor ihrem Schiffbruch auf Hawaii ein Wrack. Felicitas, die eher nach Baal und Mackie Messer schlägt, muß erst an einen falschen Polizisten und einen Sadisten geraten, ehe sie sich auf einer Südseeinsel zur Ruhe setzt, um sich redlich, aber unbekehrt von den Zinsen ihres Kapitals zu nähren: Kaum vorstellbar, daß sich die extravagante Hedonistin mit einer so gewöhnlichen Aussteigerexistenz bescheidet.

Christine Grän kann mit wenigen Strichen schmerbäuchige Immobilienhaie und schmierige Schlafwagenschaffner entwerfen, in komische Situationen und mondäne Lifestyle-Kulissen versetzen. Sie kennt die Gesetze erzählerischer Verführung und schreibt, immer strikt aus weiblicher Perspektive, lakonisch, schnoddrig und ironisch unterkühlt. Das alles macht "Die Hochstaplerin" zu einem ebenso boshaften wie amüsanten Roman. Allerdings wird das Thema ohne dramaturgische Klimax und überraschende Varianten durch alle Gesellschaftsschichten, Männermilieus und Erdteile zwischen Bonn und Düsseldorf, Venedig und Honolulu, Kenia und Karibik durchdekliniert, und das geht nicht ohne Klischees und Redundanz ab: Beim nächsten Mann wird alles ganz anders, und doch bleibt alles gleich.

Immerhin, Grän kennt die große weite Welt und ihre Männer, und sie liebt auch das Essen und Trinken, Linken und Lästern. Immerhin hat sie auch schon mal vier Jahre lang ein Buschrestaurant in Botswana geführt und arbeitet noch heute für die Welthungerhilfe. In Afrika begann die Österreicherin auch Krimis zu schreiben: Ihre Hobbydetektivin Anna Marx brachte es sogar zu einer Fernsehserie, auch wenn die Rolle der üppigen, scharfzüngigen Bonner Gesellschaftskolumnistin mit Thekla Carola Wied eher fehlbesetzt war.

Marx und auch die Pathologin Eva Röhm aus ihrem bislang letzten und ambitioniertesten Roman "Dame sticht Bube" (1997) waren immer auch ironische Selbstporträts der Autorin als fesches Vollweib. Wenn sie auch keine literarische Hochstaplerin ist, so schreibt sie doch so: flott und lässig, gelegentlich auch nur nachlässig; mit Schmäh, Witz und einem manchmal forcierten Zynismus. Diesmal schlüpfte sie offenbar in die Rolle des schlampigen Wiener Kaffeehausgenies: jeder Mann ein armer, reicher Trottel, jeder Satz eine geschliffene Sentenz. Frauen glauben an das Unmögliche, heißt eines dieser Bonmots, "Männer glauben, daß sie das Unmögliche vollbringen". Wenigstens glaubt Christine Grän nicht, daß die Männer durch schwesterlich-gemütliche Frauenkrimis belehrt oder bestraft werden müßten. Anders als die meisten ihren Kolleginnen ist sie ein wirklich böses Mädchen, das verdammt gute Unterhaltungsromane schreibt.

MARTIN HALTER

Christine Grän: "Die Hochstaplerin". Roman. Knaus Verlag, München 1999. 318 S., geb., 39,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Klaus Harpprecht begrüßt dieses Buch als ein Beispiel dafür, dass die Auflösung der Grenzen zwischen "E" und "U" gelegentlich empfehlenswerte Ergebnisse hervorbringe. Er ist begeistert von Gräns Schreibstil ("fast zu gut") und der lebhaften, spannenden Geschichte der "Hochstaplerin", die Grän "intelligent erzählt". Manch kleine Schwäche in puncto Präzision deutet der Rezensent als Verkrampfung, die sich - davon ist er überzeugt - in Gräns nächstem Buch gelegt haben wird.

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