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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Selbstbild und Selbstdarstellung
Die Europäische Union als außenpolitischer Akteur

Klaus Schubert, Gisela Müller-Brandeck-Bocquet (Herausgeber): Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik. Leske + Budrich, Opladen 2000. 290 Seiten, 48,- Mark.

Die Europäische Union hat einen schlechten Ruf, wenn es um ihre Außenpolitik geht: Wirtschaftlich zwar ein Riese, aber politisch ein Zwerg, außerdem schwerfällig und uneins. Dieses Etikett klebt besonders fest, seit die EU im Bosnien-Konflikt scheiterte. Die gängige Argumentation, die EU stelle keinen außenpolitischen Machtfaktor dar - insbesondere gemessen an den Vereinigten Staaten -, greift jedoch zu kurz. Ein willkommener Beitrag zu der notwendigen Debatte über Bedeutung und Zukunft des Außenhandels der EU ist deswegen das Buch "Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik". Die breite Anlage des Bandes, der in vierzehn Fallstudien nicht nur jede Region abdeckt, sondern auch die zentralen Politikfelder - von der Umwelt- über Finanz- und Handels- bis zur Sicherheitspolitik - behandelt, wirkt jeder Verengung und Vereinfachung entgegen. Der Gewinn jedes einzelnen Beitrags ist, daß die Autoren nicht bei der Analyse der Defizite stehenbleiben, sondern immer auch das vorhandene Entwicklungspotential im Blick haben.

Ausgangspunkt der Untersuchungen sind die Charakteristika der EU als fragmentierter Akteur oder - positiver ausgedrückt - Akteur mit einem "multi-faced" Profil, mit geteilten Souveränitäten und pluralisierten Entscheidungsebenen. Das heißt, das Außenhandeln der EU ist eher heterogen und richtet sich nach dem Politikfeld, das betroffen ist: Im Rahmen der ersten, vergemeinschafteten Säule - etwa Handels- oder Entwicklungspolitik - tritt die Gemeinschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit wie ein Staat auf. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der zweiten Säule hingegen muß zwischen den Mitgliedsstaaten abgestimmt werden. Hierbei verhindern nationale Interessen oft gemeinsame Entscheidungen, führen Abstimmungsprobleme und Kompetenzrangeleien zu Fehlleistungen.

Die beiden grundsätzlichen Beiträge der Herausgeber liefern eine aufschlußreiche weltpolitische Einordnung des EU-Mehrebenensystems. Klaus Schubert zielt dabei auf die weittragende Frage ab, ob neue Formen der Staatlichkeit auch eine qualitativ neue Außenpolitik generieren und wie auf diesem Hintergrund Potential und Zukunftsfähigkeit der EU-Außenbeziehungen zu bewerten sind. Die vorhandenen Defizite könnten nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die EU in den letzten Jahren hochkarätige Herausforderungen wie die Ost-Erweiterung, den Schutz der Menschenrechte, die Förderung von Marktwirtschaft und Demokratie, Krisenprävention bearbeitet - und zwar auch in multilateralem Kontext.

Schubert kennzeichnet die Ausrichtung der EU auf supranationale Kooperation und Multilateralismus als postmodern und unterscheidet sie so teilweise von den Mustern klassischer nationalstaatlicher Außenpolitik. Diese Postmodernität trage jedoch keine Feststellung über Scheitern oder Nicht-Scheitern in sich. Denn im Lichte einer Weltpolitik, bei der die Grenzen von Innen- und Außenpolitik verschwimmen, so Schuster, scheint das Handlungssystem der EU für die "zunehmende komplexe Interdependenz nicht schlecht gerüstet zu sein".

Ebenso kommt Gisela Müller-Brandeck-Bocquet zu dem Schluß, daß die Mehrdimensionalität der EU auch "als Potential für einen neuen, vielversprechenden Typ von Außenpolitik" interpretiert werden kann. Freilich sei dieser Dualismus von erster und zweiter Säule, zu dem neuerdings auch noch die währungspolitische Dimension dazugekommen ist, für Drittstaaten oder auch für die Öffentlichkeit in der EU schwer verständlich, weil sie unterschiedliche Ziele mit unterschiedlichen Entscheidungsverfahren auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen impliziert. Dort aber, wo sich die Mitglieder über Ziel und Maßnahmen grundsätzlich einig seien, präsentiere sich die EU als "durchaus innovativ und flexibel". Beispiele dafür liefert die europäische Regionalpolitik beziehungsweise der Inter-Regionalismus - etwa gegenüber den Mittelmeerländern, Asien und Lateinamerika.

Auch Lernfähigkeit beweist die EU. So konstatiert Beate Neuss in ihrer Analyse der Ost-Erweiterung, daß die EU-Politik durch neue Instrumente (Beitrittspartnerschaften, jährliche Fortschrittsberichte) klarer strukturiert ist als bei anderen Erweiterungsrunden. Und Jörg Nadoll zeigt auf, daß sich die bittere Lehre des Versagens in Bosnien bei dem Kosovo-Konflikt insofern niedergeschlagen hat, als die EU dort mit größerer Geschlossenheit und inhaltlicher Kohärenz agierte.

Effektivität, Kohärenz und Sichtbarkeit fordern alle Autoren als Bedingung erfolgreichen Handelns der EU nach außen. Dazu braucht die EU, so Neuss, vor allem ein klares Selbstbild. Und Nadoll beobachtet bei der Jugoslawienpolitik, daß die Vereinigten Staaten es besser verstehen, ihre Erfolge sichtbar zu machen. Er leitet daraus die Forderung an die EU nach besserer Außendarstellung ab, die auch nach innen Akzeptanz und Identität stärken könnte.

Die Bilanz des Buches und somit das Resümee der Herausgeber sind geteilt, oder mit den Worten Schuberts: die EU-Außenbeziehungen sind besser als ihr Ruf, wenngleich entwicklungsfähig. Wohin diese Entwicklung gehen soll oder kann, dazu enthalten die profunden Studien wichtige Aussagen und empfehlen sich daher als substantieller, die wissenschaftliche und politische Diskussion weitertreibender Beitrag.

MARIANNE KNEUER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Rezensentin Marianne Kneuer begrüßt diese Studie zur außenpolitischen Rolle der EU sehr. Für alle hierin veröffentliche Aufsätze gilt, so Kneuer, dass sie nicht nur bisherige Defizite aufzeigen, sondern auch auf bereits vorhandene konstruktive Schritte in die richtige Richtung hin zu einer stärkeren außenpolitischen Position der EU verweisen. Die "vierzehn Fallstudien" zeichnen sich zudem durch eine "breite Anlage" aus, da sie "nicht nur jede Region..., sondern auch die zentralen Politikfelder" abdecken, lobt Kneuer. Sie fühlt sich sehr gut informiert durch diese "profunde Studie", vermeint daher zu wissen "wohin die Entwicklung" gehen sollte und empfiehlt das Buch "als substantiellen, die wissenschaftliche und politische Diskussion weitertreibenden Beitrag".

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