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Momentaufnahmen aus dem Leben von Menschen mit gebrochenem Herzen: Singles auf der Suche nach dem Lebenspartner, Paare auf der Suche nach einem Weg aus der Krise, alle auf der Suche nach dem Sinn. Erzählungen über das Leben in Gesellschaft. Jede der zwölf Geschichten dreht sich um jenen Moment dramatischer Zuspitzung im Leben, in dem das Innerste zutage tritt. In diesen schonungslosen, oft intimen Beobachtungen geht es um Menschen, deren Ehen zu scheitern drohen, die im Kino sitzen und einen Film ohne Ton ansehen, die sich auf ein Sexabenteuer mit einem Fremden im Hotel einlassen oder Nähe nur…mehr

Produktbeschreibung
Momentaufnahmen aus dem Leben von Menschen mit gebrochenem Herzen: Singles auf der Suche nach dem Lebenspartner, Paare auf der Suche nach einem Weg aus der Krise, alle auf der Suche nach dem Sinn. Erzählungen über das Leben in Gesellschaft.
Jede der zwölf Geschichten dreht sich um jenen Moment dramatischer Zuspitzung im Leben, in dem das Innerste zutage tritt. In diesen schonungslosen, oft intimen Beobachtungen geht es um Menschen, deren Ehen zu scheitern drohen, die im Kino sitzen und einen Film ohne Ton ansehen, die sich auf ein Sexabenteuer mit einem Fremden im Hotel einlassen oder Nähe nur in einer Telefonbeziehung erleben.
Die Helden A. L. Kennedys tragen Zärtlichkeit und Enttäuschung, Verletzbarkeit und Verlangen in sich, tiefes Leid, aber auch überraschendes, kindliches Staunen. Bei allen trifft sie die emotionale Wunde, die Einblick in die Persönlichkeit gewährt. Auf beiden Seiten des Atlantiks angesiedelt, in Nordamerika wie in Großbritannien, erscheinen uns diese Träume, Sehnsüchte und Ängste gefährlich nahe und auf merkwürdige Weise vertraut - es sind die Gefühle unserer Zeit.
Autorenporträt
A. L. Kennedy, geb. am 22. Oktober 1965 im schottischen Dundee, gehört seit ihrer ersten Aufnahme in die legendäre Granta-Anthologie Best of Young British Writers (1993) zu den meistbeachteten Autorinnen Großbritanniens und gewann zahlreiche Preise. A. L. Kennedy wurde u.a. mit dem Somerset Maugham Award ausgezeichnet. Die Autorin, Dramatikerin und Filmemacherin lebt in Glasgow und meldet sich mit Beiträgen im Guardian auch politisch zu Wort, u.a. als engagierte Gegnerin des Irak-Krieges. Sie erhielt 2008 den Internationale Eifel-Literatur-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2010

Das notwendige Ausmaß der Traurigkeit
Jede Geschichte hat einen Stachel: A. L. Kennedys neuer Erzählband „Was wird”
Wenn die Hoffnung „das Ding mit Federn” ist, wie es Emily Dickinson formuliert hat, dann ist Hoffnungslosigkeit vielleicht das Ding mit Stachel: „Da waren immer Wespen”, heißt es in der zweiten Erzählung dieses Bandes: „Alle hinüber. Als ob das Haus sie anzöge und dann zerstöre.” Man wundert sich mit der Protagonistin, wie die dort titelgebenden Insekten es schaffen, durch das geschlossene Fenster einzudringen. Doch wundert man sich nicht allzu sehr, so wie auch ihr Mann Ray, der innerlich längst Abschied von ihr und ihren beiden kleinen Söhnen genommen hat.
„Ihr Vater fuhr mal wieder weg, mehr war nicht”, hat die 1965 im schottischen Dundee geborene A(lison) L(ouise) Kennedy diese Skizze eines häuslichen Schlachtfeldes beginnen lassen. Die Söhne steigern sich in hilflose Wut – ja Zornanfälle hinein, und ihre Mutter ahnt, dass ihr Mann sich auf seinen Geschäftsreisen mit anderen Frauen trifft, dass er eines Tages nicht zurückkehren wird. Sie denkt daran, wie Ray ihren jüngsten Sohn Jimbo darauf vorbereitet hat. Schließlich seien er und sein Bruder „sehr teuer”, und weil ihre Mutter „bloß hier im Haus” arbeite, müsse er hinaus und das Geld verdienen: „Und ein Teil von Jimbo, das spürte sie, entschied in diesem Moment, dass sein Vater ihn verließ, weil er Spielzeug brauchte. Während sie zusah, wandelte Jimbos Schmerz sich unmerklich und unwiderruflich in Jimbos Schuld: da kam sie, schlich sich hinterrücks hinein.”
Das ist subtil und zugleich einseitig. Wie Ray seine Familie erlebt, erfährt man allenfalls indirekt. Seine Frau trägt „eine Jeans, die mal schick gewesen war – so als könne sie sich auch modisch kleiden”. Diesseits aller Symbolik und Metaphorik deuten die toten Wespen auf der Fensterbank auch darauf hin, dass sie das Haus nicht im Griff hat, und die Verzweiflung der Kinder wächst ihr über den Kopf: „Wir wollen doch einen schönen Morgen haben”, versucht sie die beiden zu bändigen, um dann ihre Hilflosigkeit einzugestehen: „Sonst fängt eure Mutter an zu schreien und kann nicht mehr aufhören, und dann muss sie ins Krankenhaus für schreiende Leute.” Was an anderer Stelle auch in diesem Erzählungsband humorvoll-ironisch klingen würde, erscheint hier durchaus realistisch. A. L. Kennedy führt ihre Gestalt an den Rand des Zusammenbruchs, aber nicht darüber hinaus. Effekte wie Affekte sind kein Selbstzweck, sondern Mittel für Operationen an offenen Herzen.
In anderen Erzählungen hat ein Crash schon stattgefunden. In „Konditorgold” geht ein bankrottes Paar noch einmal in ein Luxusrestaurant. Der Mann spekuliert darüber, was sein Körper auf dem Organmarkt wert sein möge. „Ganze Familie mit kleinen Kindern am Boden zerstört” annonciert den Verfall einer Familie gleich im Titel. Der aber ist irreführend. Der Satz stammt von einem jener selbstgemachten Fahndungsplakate, auf denen Leute um Hilfe bei der Suche nach einem „geliebten Haustier” bitten. Dazu sei es „ganz bestimmt nicht notwendig, dass sie das Ausmaß ihrer Traurigkeit erläutern”, ereifert sich die Ich-Erzählerin und zählt ironischerweise selbst zum Ensemble eines Erzählungsbandes, in dem es um ebendieses Ausmaß geht.
Wie in „Wespen” erzählt A. L. Kennedy auch in den anderen Stücken dieses Bandes durchweg subjektiv. Selbst dort, wo die Handlung wie in „Mit Gefühl” dialogisch dargeboten wird und der implizite Erzähler quasi ganz Ohr ist, kommt es bei einer Zufallspaarung in einem Hotelzimmer zur Verschiebung der Gewichte, als der männliche Part beginnt, sich aus der Geschichte davonzustehlen. Mit all seinen Variationen über Lebens- und Beziehungstragödien liefert „Was wird” keine bloße Nummernrevue des Unglücks, sondern brillante Etüden über die Raffiniertheit und Hartnäckigkeit, mit der es Menschen befällt.
Dabei wird die literarische Form immer mitreflektiert. Wenn die im Original „What Becomes” benannte Titelgeschichte mit der lakonischen Feststellung beginnt: „Das Kino war winzig”, dann gilt das auch für das literarische Format. Und wenn erst die Vorführung des Films auf sich warten lässt und dann der Ton fehlt, spiegelt sich ein Medium im anderen. Der einzige Zuschauer hat sich aus den Trümmern seiner Ehe hierher geflüchtet, weil seine Frau ihm die Schuld gibt, „an einer schrecklichen Sache, die solch ein Unfall gewesen war”. Was genau geschehen ist, erfährt man nicht, doch wenn nach mehreren erfolglosen Ansätzen auf der Leinwand endlich das Gesicht eines älteren Mannes erscheint, „wie es mit dem des kleinen Mädchens, wie er mit seiner Tochter sprach”, geht es hier wohl um einen Verlust, der nicht mehr gutzumachen ist.
Verluste haben auch die Gestalten in „Wie Gott uns schuf” erlitten. Zunächst ist da aber nur Dan, ein Mann, der sich mit dem Leben etwas schwertut und dies mit seinen Freunden auf gelegentlichen Zügen durch die Gemeinde lautstark und feucht-fröhlich kompensiert. Um was es wirklich geht, erfährt man erst, als sie im Schwimmbad neben der Kleidung auch Körperteile ablegen. Hier mischt sich eine Bande lärmender Kriegskrüppel ins Badeleben und das mit einer Expressivität, die den einschlägigen Bildern eines George Grosz nicht nachsteht.
A. L. Kennedy sorgt sich aber nicht um eine behindertengerechte Ausstattung oder um die Details einer doppelten Handgelenksexartikulation und einer Transhumeral-Amputation am rechten Oberarm. Auch was in solchen Wörtern nachhallt, ist nicht Gegenstand der Erzählung. Die gipfelt in einer grotesken Konfrontation, als eine Lehrerin den Invaliden vorhält, sie würden ihre Schüler verstören. Natürlich habe sie versucht, „Sie den Kindern zu erklären”.
Erklären? „Heißt das so was wie, ich muss übersetzt werden?”, fragt einer der Versehrten entgeistert. Aus Dans Perspektive ist die Situation da schon längst gekippt: „Du siehst plötzlich, dass sie Lehrerin ist, weil sie diese falsche Fröhlichkeit um den Mund hat, und weil ihre kleinen müden Augen auf der Suche nach Fehlern hin und her zucken.” Schon bevor die Frau ihre Taktlosigkeit bewiesen hat, war das Urteil über sie gefallen: „Sie ist vielleicht Anfang vierzig, aber er bemerkt, dass sie nach alter Frau riecht.”
Dass die Frau, die ihren Schülern gesagt hat, die Amputierten seien „wie Gott sie schuf”, so abschätzig dargestellt wird, ist keine poetische Gerechtigkeit, sondern nüchterner Naturalismus. Der Gott, der so leichtsinnig beschworen wird, hat wieder mal Mist gebaut, und nicht nur die Protagonistin von „Wespen” sagt sich vergeblich: „Man müsste doch irgendwem Bescheid geben können, es muss doch eine Möglichkeit zur Beschwerde geben.”
Doch ob fehlender Arm, fehlender Vater oder krummes Holz allgemein – niemand ist da, es zu richten. Nur ein grimmiger, an Beckett und Bierce erinnernder Humor. Etwa in „Edinburgh”, wo ein sitzengelassener Mann in seinem Lebensmittelladen über den esoterischen Unsinn grantelt, der sich auf seiner Pinnwand breitmacht: „Gestern hatte ein Mann mit kahlen Stellen auf dem Kopf und ohne Schamgefühl ein Plakat präsentiert, auf dem es um Engelssichtung ging.” Gäbe es doch irgendwo eine frohe Botschaft, so stießen ihre Boten hier wohl auf taube Ohren. ULRICH BARON
A. L. KENNEDY: Was wird. Erzählungen. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009. 224 Seiten, 19,90 Euro.
„Du siehst plötzlich, dass sie Lehrerin ist, weil sie diese falsche Fröhlichkeit um den Mund hat”
„Lächerlich fragile Flügel, fehlerlose Streifen, segmentierte Leiber, insgesamt sehr fein gearbeitet – sie waren wie winzige Spielzeuge.” Foto: BA-Geduldig
A. L. Kennedy Foto: Getty Images
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Ulrich Baron beweist echte Steherqualitäten. Geradezu schicksalsergeben nimmt er hin, mit welcher "Raffiniertheit und Hartnäckigkeit" das Unglück die Menschen in A.L. Kennedys Erzählungen befällt: verlassene Ehefrauen, verzweifelte Kinder, schuldige Väter - entweder hat der Crash schon stattgefunden oder er steht kurz bevor. Dabei erzählt Kennedy immer ausgesprochen subjektiv, selbst in Dialogen, aber immer mit großer Ironie und einem grimmigen Humor, der den Rezensenten an Beckett erinnerte: Etwa wenn sich kriegsversehrte Krüppel im Schwimmbad von einer besonders unreträglichen Lehrerin sagen lassen müssen, sie seien eben so, wie Gott sie schuf. Für Baron sind diese Etüden des unerbittlichen Schicksal schlichtweg brillant.

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