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Ungewöhnliche Geschichten von ebenso skurrilen wie normalen Menschen, aus einem Irland fern der Postkartenidylle. Der irische Autor Keith Ridgway erzählt von Menschen, die sich alles andere als zielstrebig durch ihren Alltag bewegen, die den Irrungen und Wirrungen der Liebe erliegen, denen Wollust oder religiöse und andere Obsessionen den Sinn vernebeln: eine Frau, die sich von einem bodenständigen Pfarrer ihre religiösen Visionen nicht ausreden läßt, ein männliches Liebespaar, bei dem sich die Sprache als Hindernis erweist, ein Vater, der beinahe sein Kind umbringt, ohne es eigentlich zu…mehr

Produktbeschreibung
Ungewöhnliche Geschichten von ebenso skurrilen wie normalen Menschen, aus einem Irland fern der Postkartenidylle. Der irische Autor Keith Ridgway erzählt von Menschen, die sich alles andere als zielstrebig durch ihren Alltag bewegen, die den Irrungen und Wirrungen der Liebe erliegen, denen Wollust oder religiöse und andere Obsessionen den Sinn vernebeln: eine Frau, die sich von einem bodenständigen Pfarrer ihre religiösen Visionen nicht ausreden läßt, ein männliches Liebespaar, bei dem sich die Sprache als Hindernis erweist, ein Vater, der beinahe sein Kind umbringt, ohne es eigentlich zu bemerken, ein mysteriöser Fremder, der in der Szene der jungen und hippen Dubliner für Angst und Schrecken sorgt.
Autorenporträt
Keith Ridgway, 1965 in Dublin geboren, lebt in London. Übersetzungen seiner Bücher erschienen in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Belgien, Holland und den USA.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2007

Himmelfahrt und Kreisverkehr
Irrlichtern in der Dämmerzone: Keith Ridgways Erzählungsband „Normalzeit”
„Er dachte, dass er gerne immer untergehen, aber niemals ertrinken würde.” Die Menschen in den Erzählungen von Keith Ridgway sind allesamt Grenzgänger. Sie bewegen sich auf der schmalen Linie zwischen Leben und Tod, dort, wo der Schlaf und der Traum regieren, die Umnachtung und die Trance. Sie leben in einem nebulösen Zwischenreich. Immer wieder, und immer ein bisschen mehr, verrücken sie sich, wechseln über in die Zone des Dämmers, der Gefahr bewusst, nicht mehr in die Welt zurückzukehren. In ihr finden sie sich nicht zurecht, hart stoßen sie sich am Alltag mit seinen Pflichten und Aufgaben, dem Beruf, der Familie und dem Eheleben. Schmerzen hier Körper und Geist, fühlen sie sich dort schwerelos und frei. Auf ihre Mitmenschen machen sie freilich den Eindruck von Gespenstern.
„Normalzeit” hat der Ire Ridgway, geboren 1965 in Dublin, seinen Band mit acht Geschichten genannt. 2001 ist „Standard Time” in England erschienen. Jetzt ist es das zweite Buch, das von ihm auf deutsch zu haben ist, nach dem kleinen Roman „Wolkenpferde”. Normalzeit: Sie wird in den Erzählungen außer Kraft gesetzt – von den Hauptpersonen? In den gelungensten Texten – „Schwer gezeichnet”, „Elend wie ein Hund, traurig wie ein Engel” und „Kopfwunde” – ist es unmöglich zu entscheiden, ob die Protagonisten sich ihrer Handlungen bewusst sind oder ihren inneren Stimmen gehorchen müssen. Wie der Ich-Erzähler in „Kopfwunde”, der beim Spazierengehen auf einmal nach einem Stein greift und mit einem gezielten Wurf seinen kleinen Sohn niederstreckt. Doch bereits während das Kind zu Boden fällt, fragt er sich ratlos, was geschehen ist: „Ich zog verschiedene Optionen in Erwägung, zunächst diejenige, die auf der Hand zu liegen schien – dass auf meinen Sohn geschossen worden war (…) Die zweite Theorie, eine zumindest gedanklich weit weniger wahrscheinliche, war die, dass mein Sohn mit dem Kopf gegen irgend etwas gedonnert war. Das passiert ihm ständig . . .”.
Was ist von einem solchen Erzähler zu halten? Ist er zuverlässig? Können wir ihm trauen? Liest man Ridgways beste Geschichten zum ersten Mal, so fällt einem auf, dass manche Figuren und das Leben, das sie führen, bloß skizziert sind, und man möchte ihm dies Skizzenhafte als Schwäche auslegen, als Mangel an erzählerischer Gestaltungskraft. Vergleicht man diese Geschichten dann allerdings mit den weniger geglückten – sie machen die andere Hälfte des Bandes aus –, dann gibt sich das Skizzenhafte, Angedeutete, das man zunächst als misslungen empfand, als Stärke zu erkennen. Form und Inhalt korrespondieren. Bemüht sich der Ire hingegen, den Protagonisten Leben einzuhauchen, sie fleischig zu zeichnen, durchströmt von Gefühlen, dann wirken seine Formulierungen häufig platt, neigen gar zum Kitsch. „Ich konnte die Wellen und das Blut in deinen Adern hören”, heißt es etwa in der Erzählung „Abseits von Vico (verum et factum convertuntur)”. Und weiter: „Ich konnte die See an dir schmecken. Die See, die Sterne und die ganze Welt.”
Aussparung und Andeutung sind die adäquaten Mittel für Ridgways Gespenstergeschichten. Und das eine oder andere starke Bild, das er zur Charakterisierung der irrlichternden Hauptfiguren findet. In der Erzählung „Schwer gezeichnet” steigt der Familienvater Cathal immer wieder ins Auto, um dem Heim zu entfliehen und sich seinen messianischen Obsessionen zu widmen. Mit dem Wagen durchquert er die Stadt, von Norden nach Süden, nach Westen, nach Osten, bis das große Kreuz dem Asphalt eingeschrieben ist. Seine fixe Idee, um den Ort zu segnen. Am Ende allerdings ist aus dem Kreuz ein Kreis geworden. Ein Notfall in der Familie zwingt ihn zu einer rasenden Fahrt ins Krankenhaus. Cathal verfängt sich, die entgeisterten Angehörigen auf dem Rücksitz, in einem Kreisverkehr und dreht Runde um Runde um Runde: „Was ihm gefiel, war, vollkommene Kontrolle über Situationen wie diese zu haben. Was ihm gefiel, waren die Gabe, Wunder zu wirken, und die erleuchtete Verkündung großer Wahrheiten.” FLORIAN WELLE
Keith Ridgway
Normalzeit
Erzählungen. Aus dem Englischen von Jürgen Schneider. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007. 240 Seiten, 19,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2007

Fast wie im keltischen Leben
Der Ire Keith Ridgway erzählt von Leuten, die sich nicht verstehen

Ein Ire spricht zu uns: Keith Ridgway, geboren in Dublin im Jahre 1965. Natürlich erwarten wir, beim Lesen der dargebotenen acht Erzählungen ein bisschen mehr über das keltische Inselvolk zu erfahren, als Geschichtsunterricht und spätere Nachrichten uns gelehrt haben. Hinweise des Verlags stärken diese Erwartung: Ridgway ist ein erfolgreicher Schriftsteller, bekam Preise. Alles bei ihm ist im höchsten Grade irisch - so scheint es uns, bevor wir die Lektüre beginnen. Nachher aber nicht mehr. Es könnten Leute aus jedem Erdenwinkel sein, die Keith Ridgway uns vorführt, auch wenn sie auf irischem Boden wohnen. Das muss für ein Urteil noch nicht maßgebend sein.

Da ist zum Beispiel eine Frau namens Mary Cleary, von Beruf offenbar wissenschaftlich-technische Naturschützerin, die ihre Tage in Labors zwischen Untersuchungsinstrumenten und Computern verbringt. Davon freilich erfahren wir nicht viel, denn die eigentliche Mary, jene, um die die Erzählung sich rankt, lebt zum einen in Träumen von der Jungfrau Maria und deren möglichen Eingriffen in das Leben der Moderne. Zum anderen verzehrt sie sich in endlosen Debatten mit ihrem Pfarrer, dem es ähnlich geht wie dem Leser: Er versteht Mary nicht.

Mit dem Verständnis hapert es auch in den anderen Geschichten, zum Beispiel bei Robert und Karl, der eine Ire, der andere Deutscher, beide durch homosexuelle Spiele verbunden, nicht durch Liebe. Seite für Seite zanken sie miteinander; warum, das bleibt offen. Robert mag den Klang der deutschen Sprache nicht, was natürlich nur eine Hilfsformel ist für etwas, das er nicht begreift, nicht ausdrücken kann. Beziehungen zwischen Männern spielen im Buch auch sonst eine große Rolle. So etwa in der Begegnung zweier alter Herren, von denen einer behauptet, sich vergangener Lustbeziehungen zu erinnern, während der andere diese wider besseres Wissen leugnet. Oder sind die im Leugner aufkeimenden Vergangenheitsbilder nur Wunschträume eines Greises, der wenigstens in der Phantasie ein Vorleben voller Begehren gehabt haben möchte? Schließlich die Liebesgeschichte mit Angelo, erzählt von dessen einstigem Partner, der nicht weiß, wer und was dieser Typ eigentlich war. Wir erfahren nur von den Verstrickungen zweier erhitzter Schwuler und davon, dass Angelo irgendwann verschwand, keine Ahnung, wohin.

Was sonst noch? Ein Vater berichtet, wie er seinen Sohn fast ertrinken ließ. Ein Mann, den keiner kennt noch je kennen wird, flößt den Kids von Dublin rätselhafte Ängste ein. Eine Frau muss operiert werden, die Diagnose - ein Knoten im Gewebe - lässt den Ehemann schwanken zwischen teilnehmender Angst und Wunsch, sich zu verstecken.

Immer geht es um das Gebrodel im Inneren der Menschen und erst dann, wenn überhaupt, um deren Lebenshintergrund, der sie doch wohl beeinflussen, ihre Wesensart und ihre Reaktionen zumindest mitprägen müsste. Ohne Zweifel ist Keith Ridgway ein Meister darin, menschliche Seelen zu entblößen und in ihren jeweiligen Besonderheiten durchschaubar zu machen. Wenn uns seine Figuren dennoch vorwiegend fremd bleiben, so liegt es daran, dass wir zu wenig von ihrem Ambiente erfahren, von der Welt, in der sie zu Hause sein müssten. Sie sind eigentlich nirgends zu Hause als in dem Buch, das vor uns liegt.

SABINE BRANDT

Keith Ridgway: "Normalzeit". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Schneider. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007. 240 Seiten, geb., 19,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nichts als Pappkameraden sieht Sabine Brandt in den Figuren des Erzählbandes von Keith Ridgway. Dass der Autor Ire ist, macht Brand zunächst neugierig auf die erzählten Lebenswelten, schnell muss sie jedoch einsehen, dass es so etwas in diesem Buch gar nicht gibt. Wie Allerweltsfiguren erscheinen ihr die auftretenden Charaktere, die in den Geschichten vor allem mit dem Verständnis untereinander und ihrer selbst zu kämpfen haben. Wo aber der Lebenshintergrund so stark wie hier in den Hintergrund rückt, findet Brandt, kann Handeln nicht mehr verstanden werden. Die dem Autor zugestandene Meisterschaft, "menschliche Seelen zu entblößen", tritt für die Rezensentin vor diesem Makel zurück.

© Perlentaucher Medien GmbH