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"Der westlichen Öffentlichkeit wird hartnäckig eingeredet, China sei ein unverbesserlicher Schurkenstaat; die westliche Wirtschaft aber ist begeistert von den Verheißungen chinesischer Märkte. Welches Vorurteil über den Kurs Chinas kommt der aktuellen Wahrheit näher? Dieses Buch liefert Einsichten, die erklären, aufgrund welcher, im Westen weitgehend ignorierter Refomschübe China in großer Geschwindigkeit und mit ebenso großem Selbstbewußtsein zur möglicherweise bedeutendsten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Großmacht dieses Jahrhunderts heranwächst." (aus dem Vorwort)

Produktbeschreibung
"Der westlichen Öffentlichkeit wird hartnäckig eingeredet, China sei ein unverbesserlicher Schurkenstaat; die westliche Wirtschaft aber ist begeistert von den Verheißungen chinesischer Märkte. Welches Vorurteil über den Kurs Chinas kommt der aktuellen Wahrheit näher? Dieses Buch liefert Einsichten, die erklären, aufgrund welcher, im Westen weitgehend ignorierter Refomschübe China in großer Geschwindigkeit und mit ebenso großem Selbstbewußtsein zur möglicherweise bedeutendsten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Großmacht dieses Jahrhunderts heranwächst." (aus dem Vorwort)
Autorenporträt
Georg Blume ist seit 1992 Auslandskorrespondent der ZEIT. Er arbeitete zunächst in Tokio, dann in Peking, 2009 zog er nach Delhi. Seit 2013 berichtet Blume aus Paris. Für seine Arbeit in Indien wurde er 2012 mit dem Medienethik-Award META ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2002

In Bewegung
Wie China seinen eigenen Weg
in der Moderne findet
In den 80er Jahren erfand Deng Xiaoping das schöne Wort von der „sozialistischen Marktwirtschaft” und wies seinem Land damit den Weg aus der Sackgasse der kommunistisch gelenkten Planwirtschaft. Seither haben sich die Chinesen mit Siebenmeilenstiefeln auf den Weg der Modernisierung und China zur dynamischsten Nationalökonomie der Welt gemacht. Der Weg ist lang und steinig, aber er wird mit Verve beschritten. Mit Chinas Aufnahme in die Welthandelsorganisation im vorigen Jahr ist eins der von Deng Xiaoping anvisierten Ziele erreicht. Die Auswirkungen dieser Entscheidung werden enorm sein, für China und die Welt.
In den letzten beiden Jahrzehnten ist in China mehr in Bewegung geraten, als man sich in den saturierten Ländern des Westens vorstellen kann, wo man hauptsächlich mit den Aufräumarbeiten der Modernisierung beschäftigt ist. „Modell China” vermittelt davon einen lebhaften Eindruck. Den Titel dieses kenntnisreichen, vorurteilslosen und gut geschriebenen Büchleins haben die Autoren, die seit 1997 für „Die Zeit” aus Beijing berichten, mit Bedacht gewählt. Er soll weniger bedeuten, dass China ein Vorbild ist, als dass das Riesenland sein eigenes Modell der Modernisierung entwickelt, notgedrungen. Sein Bevölkerungsreichtum und seine spezifische Geschichte erlauben es nicht, dabei nur ausgetretenen Pfaden zu folgen. Das demographische, kulturelle und politische Gewicht, das China in die internationale Waagschale zu werfen hat, ist freilich so groß, dass es, vergleichbar den USA, unweigerlich auch für andere zum Modell wird. „Was die Volksrepublik jedoch von den USA unterscheidet, ist der unideologische Charakter ihrer Vorbildrolle.”
Die Probleme, mit denen China konfrontiert ist, sind gewaltig, aber die Energien, die das Volk gegenwärtig für ihre Bewältigung freisetzt auch. Das Buch handelt vom heutigen Stand der Reformen in China, Reformen auf fast allen Gebieten, angefangen von der Wirtschaftsordnung über die staatlichen Institutionen, die Sozial- und Familienpolitik, Rentensystem, Energieversorgung, Landflucht, Arbeitslosigkeit, Verelendung, bis zum Ausbau des Bildungssystems und der nicht mehr zu ignorierenden Zerstörung der Natur. Mit den Reformen wird in China vielfach Neuland betreten, wobei man sehr pragmatisch vorgeht und nach machbaren Lösungen sucht.
Elende Chancen
Blumes und Yamamotos Analysen sind nüchtern und treffsicher. Der Bildungsboom verbunden mit den niedrigen Löhnen und der Anspruchslosigkeit der Chinesen verschafft China, wie sie zeigen, heute enorme Chancen und Standortvorteile beim Aufbruch in die Wissensgesellschaft. Die große Frage ist, ob die politische Führung des Landes flexibel und mutig genug sein wird, den Initiativen, die überall sichtbar sind, die nötigen Freiräume zur Entfaltung zu schaffen oder sie zumindest gewähren zu lassen.
Einerseits nutzt China die Vorteile, die sich dadurch bieten, technologische Entwicklungsstufen überspringen zu können. Der Mobilfunk erlaubt es heute Millionen von Chinesen zu telefonieren, die niemals an ein Festnetz angeschlossen waren. Glasfaserkabel werden verlegt, wo nie Kupferdrähte lagen. Andererseits können die Regierung und die Kommunistische Partei ihrer Furcht vor den neuen Technologien nicht Herr werden. Die staatlichen Sicherheitsdienste legen immer wieder unverdächtige Internetseiten lahm, nicht solche von Pornohändlern und Drogenschiebern, sondern von BBC und amnesty international.
Der Umgang mit der Freiheit will geübt werden, von Regierenden und Regierten. Moralverlust, Zerrüttung des sozialen Zusammenhalts, Jugendkriminalität, Drogen; sind das unvermeidbare Folgen größerer Zugeständnisse an die Freiheitsbedürfnisse der jungen Generation? Muss China auf dem Weg in die Moderne doch die gleichen Stationen aufsuchen, die im Westen so sattsam bekannt sind? Oder kann das „Modell China” hier Alternativen bieten, womöglich durch Rückgriff auf verschüttet geglaubte Traditionen? Das ist eine der Fragen, die viele Chinesen beschäftigt. Blume und Yamamoto sprechen mit ihnen und machen ihren Lesern begreiflich, dass der öffentliche Diskurs darüber schon ein gewaltiger Fortschritt ist, auch wenn Antworten bisher ausstehen.
Jürgen Habermas, den die Autoren mit einigen chinesischen Intellektuellen zu einem Gespräch zusammenbrachten, das sie in dem Buch aufgezeichnet haben, spricht von der Dialektik der Modernisierung. Sie bringt nicht nur Vorteile, aber, so bemerkt er mit einem überraschend melancholischen Unterton, es gibt keine Alternative. Von dem Elan, mit dem die Chinesen heute die Herausforderungen der Zukunftsgestaltung annehmen, lässt aber auch er sich faszinieren, und er beneidet die chinesischen Intellektuellen, die diesen Prozess, wie er sagt, nur produktiv begleiten können. Denn „bei uns im Westen werden Intellektuelle viel weniger gebraucht.”
Dieses Gespräch mit dem Philosophen wie auch ein weiteres mit Helmut Schmidt, einem der wenigen deutschen Politiker, die China und anderen asiatischen Ländern seit Jahrzehnten die Aufmerksamkeit schenkt, die ihnen gebührt, sind eine wertvolle Ergänzung dieses anregenden Buchs.
FLORIAN
COULMAS
HANS-GEORG BLUME, CHIKAKO YAMAMOTO: Modell China. Im Reich der Reformen. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 200. 141 Seiten, 9,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Florian Coulmas würdigt die Anstrengungen und die Zielstrebigkeit mit der China die Umgestaltung von Wirtschaft und die Modernisierung des Landes angeht. Mit Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WHO) wird die internationale Bedeutung des Landes, auch als Vorbild für die spezifische politische Umsetzung eines starken Reformwillens, steigen, meint Coulmas mit den Autoren. Die legen ein "gut geschriebenes Buch" vor und, so lobt der Rezensent weiter, erläutern sensibel und informativ die Reformen Chinas in wirklich allen Bereichen der Gesellschaft. Nach Coulmas analysieren die erfahrenen Autoren die gegenwärtige Lage Chinas treffend, wo sie die Zukunftschancen in einer Wissensgesellschaft bewerten: Der historisch bedingte wirtschaftliche Standortvorteil durch die billige Ressource "Mensch" kann nur zum Tragen kommen, wenn die kommunistische Regierung den Mut findet, die notwendigen Freiräume zuzulassen. "Wertvoll" findet der Rezensent den Beitrag der Autoren zum notwendigen öffentlichen Diskurs über diese und andere Fragen, schließen sie doch gleich Gesprächsaufzeichnungen chinesischer Intellektueller mit Jürgen Habermas oder Helmut Schmidt ein.

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