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Wie haben unsere Vorfahren geträumt, vor der Erfindung von Fernsehen, Kino und Internet? Was bedeutet es, wenn Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart zu einer Zeit werden? Welche verschiedenen Typen von Träumen gibt es? Die Arbeit des Schriftstellers vergleicht Luigi Malerba mit der Erfahrungswelt des Träumers. Erinnerungen, Versatzstücke aus der Wirklichkeit, Symbole, Doppeldeutiges und Rätselhaftes sind das Material, aus dem Träume und Geschichten entstehen. Der Traum ist der Ort, an dem seltsame Dinge geschehen, wo die Logik, die Schwerkraft, die Kontrolle des Bewusstseins aussetzen und der…mehr

Produktbeschreibung
Wie haben unsere Vorfahren geträumt, vor der Erfindung von Fernsehen, Kino und Internet? Was bedeutet es, wenn Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart zu einer Zeit werden? Welche verschiedenen Typen von Träumen gibt es?
Die Arbeit des Schriftstellers vergleicht Luigi Malerba mit der Erfahrungswelt des Träumers. Erinnerungen, Versatzstücke aus der Wirklichkeit, Symbole, Doppeldeutiges und Rätselhaftes sind das Material, aus dem Träume und Geschichten entstehen. Der Traum ist der Ort, an dem seltsame Dinge geschehen, wo die Logik, die Schwerkraft, die Kontrolle des Bewusstseins aussetzen und der Verführung, dem Risiko die Türen offenstehen.
Ein kleines Traumlexikon der ganz besonderen Art, eine in einem sehr persönlichen Stil geschriebene Annäherung an den Stoff, aus dem die Träume sind.
Autorenporträt
Luigi Malerba (eigentlich Luigi Bonardi) wurde am 11. November 1927 in Berceto bei Parma geboren. Er gehörte zu den Gründern der Gruppe 63, schrieb Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und Romane. Der phantasievolle Geschichtenerzähler, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens zählt, lebte in Rom und Orvieto. 2008 verstarb Luigi Malerba.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kreuz und quer bewegt sich der Schriftsteller Luigi Malerba durch das weite Feld der Geschichte des Traums. Von der Apokalypse des Johannes bis Nietzsche, von den Surrealisten bis George Steiner kommt bei weitem, so die Rezensentin Barbara Castoir, nicht alles vor, wie könnte es, aber viel und vieles. Malerba hat als Drehbuchautor angefangen, also überrascht es nicht, dass ihn die Beziehung des Traums zum Film besonders interessiert, aber die Antike mit ihren Traumweissagungen hat ebenso ihren Platz wie grundsätzliche Fragen nach der Struktur, nach einer "Sprache" des Traums. Zwar, meint Castoir, ist das Material in diesem Band etwas "wild ausgestreut", aber gerade in der "Subjektivität" des ganzen liege auch ein Reiz. Die Rezensentin jedenfalls hat das Buch "mit Gewinn" gelesen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2003

Mit Pantoffeln schlafen Füße besser
Die schönste Erfindung: Luigi Malerbas Traumdeutungen

Ist der Traum ein Kunstwerk? Die Frage konnte sich erst der moderne Mensch stellen, der, aufgeklärt, bereit war, sich den dunklen Seiten seines Unbewußten zuzuwenden. Im zwanzigsten Jahrhundert waren es die Surrealisten, die dem Traum diesen Rang mit allem Nachdruck beimaßen. Das Erste Surrealistische Manifest ist ein Plädoyer für den Traum als Kunstwerk, die surrealistische Kreativität in Dichtung, Malerei, Skulptur, Film die Freisetzung und Sichtbarmachung dieses Phänomens. André Breton äußerte sein Erstaunen über die "Tatsache", daß der gewöhnliche Beobachter den Ereignissen des Wachseins und denen des Schlafs so äußerst unterschiedliche Wichtigkeit und Bedeutung beimißt, wo doch die Summe der Traum-Momente, selbst wenn man nur den reinen Traum, den des Schlafs, betrachte, zeitlich gesehen nicht geringer als die Summe der Momente des Wachseins sei. Träumen kam für ihn dichterischer Arbeit gleich! Als Beweis führte er folgendes on dit an: Der symbolistische Dichter Saint-Pol-Roux ließ angeblich jeden Tag, bevor er sich schlafen legte, an die Tür seines Hauses ein Schild hängen, auf dem zu lesen war: Der Dichter arbeitet.

Dieser Anekdote und vielen anderen Zitaten über den Traum begegnen wir in Luigi Malerbas Buch "Der Traum als Kunstwerk" wieder. Im Ansatz seiner Überlegungen nimmt Malerba Breton zum Ahnherrn. Wie das Thema, das es behandelt, ist sein Buch labyrinthisch und kapriziös. Malerba bezeichnet den Traum als "Ort", "an dem das Tragische, das Groteske, das Absurde beisammenleben". Aber gilt das nicht auch für Momente des Wachzustands?

Was den Wachzustand unter anderem auszeichnet, ist die Überprüfbarkeit des Geschehens. Die Bilder aus tiefer Nacht hingegen bleiben vor den Augen anderer geheim, selbst wenn das Gedächtnis imstande ist, sich ihrer in Teilen präzise zu erinnern und sie für andere zu protokollieren. Dieses nächtliche Kopftheater hat nur einen Zuschauer, und dieser beobachtet mit geschlossenen Augen ein Geschehen, in dem er sich selbst begegnet. In seiner realistischen Darstellungsweise, seinen konstruierten Inhalten, Bildsequenzen und Montagen findet der Traum im Film sein Pendant als Wachtraum. Nur er kann Vergleichbares erzeugen: ein nach dem Prinzip der Collage aufgebautes Werk, das aus verschiedensten Bildreservoiren schöpft, denen der verschütteten Erinnerung und der Gegenwart mit ihren realen und virtuellen Bildern.

Dort setzt Luigi Malerba ein. Er war Drehbuchautor, bevor er sich der freien Schriftstellerei widmete. Seine Fragen resultieren entscheidend aus dem Bereich des Films und der Arbeit des Schriftstellers: Ihn interessieren Kompositionsweisen, das Verarbeiten verschiedenster Versatzstücke, ihre Verrätselungen im Verweben von Wirklichkeit und Phantasie.

Dem Leser präsentiert sich das als lose Sammlung von Traumbeispielen, von der Antike bis heute, aus Literatur und Kunst, sowie wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Traum aus der Neurologie und der Psychiatrie. An all das knüpft der Autor Fragen und Überlegungen - eine Ernte aus bunten Lesefrüchten mit vielen Zitatstellen, die leider in ihrer Kenntlichmachung häufig ungenau bleiben.

Wie der Traum kennt dieses Buch kein Genre. Es fällt zwischen alle Sparten. Dennoch liest man es mit Gewinn. Das hier ausgebreitete Material ist vielfältig, spannend, häufig auch witzig. Wir erfahren nicht nur etwas über den Stoff der Träume und seine verschiedenen Webarten, sondern auch, wie die Zauberkraft der nächtlichen Bilder zuweilen das Verhalten der Menschen ins Irrwitzige verrückt. Hebel hat in seiner Geschichte des vorsichtigen Träumers eine solche Begebenheit kolportiert. Der zu Bett Gehende bindet sich die Pantoffel an die Füße, um diese vor dem bösen Traum vor einer Verletzung zu schützen, an deren Schmerz er sich noch traumatisch erinnert.

Der etwas wild ausgestreute Stoff ruft viele Assoziationen hervor. Die Beispiele aus Literatur, Kunst, Philosophie, Ethnologie, die unerwähnt bleiben, sind Legion. Nun war es wohl kaum Malerbas Absicht, eine Traumanthologie vorzulegen. Der Text beweist vielmehr einen hohen Grad an Subjektivität, Faszination und Neugier. Die Beschäftigung gilt der Frage nach den Strukturen des Traums, seinen möglichen Gesetzen, seinen Bildsequenzen, seiner "Sprache", schließlich seiner "historischen Entwicklung", bedingt durch die Abhängigkeit der "onirischen" Bilder. Sie haben zur Außenwelt hin weit geöffnete Fenster. Kein Traumbild ohne das Bildreservoir der Wirklichkeit, ohne Beziehung zum Zeitgeschehen, zum Ort, zur Kultur, kurz all dem, was den Geist prägt. Dazu äußerte sich auch George Steiner in seinem Essay "Die Historizität der Träume", auf den sich Malerba bezieht. Der Mensch von heute träumt in anderen Bildern und mit anderen Inhalten als etwa der Mensch des Mittelalters.

Nietzsche bezeichnet den Traum als den Ursprung aller Metaphysik: "In den Epochen uranfänglicher Zivilisation glaubte der Mensch im Traum eine zweite reale Welt zu erkennen." Dieser Begegnung versuchte der Mensch eine Bedeutung zuzusprechen. Er fragte nach ihrer Herkunft, denn er las sie als Botschaft. Er vernahm die Worte als überirdische Stimme, als Warnung oder Verheißung und Verkündigung. Diese Botschaft mußte wie das Orakel ein Hinweis der Götter sein, im Monotheismus schließlich des Göttlichen, den seine Exegeten literarisch und bildlich umsetzten. Als Protokoll eines göttlichen Traums galt die Apokalypse des Johannes, für Malerba der Traum schlechthin. Denn sie habe die Bildkomposition eines Traums, und diese Bilder verwiesen unablässig auf eine Vielzahl von Bedeutungen, was sie als einen unermeßlichen Schatz an Gestalten ausweist. Sie sei auch der Versuch, dem Traum seine ihm eigene Struktur zu geben, eine erzählerische Form mit symbolischem Kanon.

Die vielen aus der Antike überlieferten Träume hingegen hält er in dem "historischen Gewand", in dem sie uns überliefert wurden, für wenig zuverlässig. Den größten Teil verweist Malerba in den Bereich der Legende, der seherischen Praxis, der Weissagung und der Literatur, vom Alten Testament bis Hesiod, von Homer bis Aischylos, Sophokles oder Vergil.

Der letzte Auftritt in dieser Traumphalanx gehört dem als zynisch Respektlosen bezeichneten Römer Petronius Arbiter, der den Träumen bereits den Platz zuwies, den sie erst viel später durch die Erkenntnisse der Wissenschaft erhielten. "Fliehende Schatten. Nicht die Heiligtümer der Götter, auch nicht sie selber, die Götter, senden vom Himmel sie, vielmehr erfindet sie jeder für sich."

BARBARA CATOIR

Luigi Malerba: "Der Traum als Kunstwerk". Aus dem Italienischen übersetzt von Moshe Kahn. Wagenbach Verlag, Berlin 2002. 112 S., geb., 12,90 [Euro].

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