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Wang Shu war der erste Botschafter, der China in der Bundesrepublik Deutschland vertrat. Sein Bericht über die schwierigen Anfänge der deutsch-chinesischen Beziehungen ist ein Stück Zeitgeschichte und erlaubt zugleich einen authentischen Blick in das Denken chinesischer Außenpolitiker.

Produktbeschreibung
Wang Shu war der erste Botschafter, der China in der Bundesrepublik Deutschland vertrat. Sein Bericht über die schwierigen Anfänge der deutsch-chinesischen Beziehungen ist ein Stück Zeitgeschichte und erlaubt zugleich einen authentischen Blick in das Denken chinesischer Außenpolitiker.
Autorenporträt
Wang Shu, geboren 1924, lebte von 1969 bis 1977 in Deutschland, zunächst als Journalist der staatlichen Nachrichtenagentur Neues China, danach als Botschafter Chinas. 1980 wurde er chinesischer Botschafter in Österreich und bei den Vereinten Nationen in Wien, 1986 Leiter des Instituts für internationale Fragen des chinesischen Außenministeriums. Gegenwärtig ist er Präsident der Chinesisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft, Mitglied der Siebten Nationalen Konsultationskonferenz und Abgeordneter des Achten Nationalen Volkskongresses.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2003

Zigarillo zur Beruhigung
Als Journalist und erster Botschafter Pekings in Bonn

Wang Shu: Maos Mann in Bonn. Vom Journalisten zum Botschafter. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2002. 206 Seiten, 19,90 [Euro].

Der Journalist Wang Shu war Mitte der sechziger Jahre als "Drei-Anti-Element" denunziert worden und mußte zwei Jahre in einer Arbeitsbrigade körperliche Arbeit leisten. Dann warf man ihm zusätzlich vor, Verräter, Agent und Mitglied einer Geheimgesellschaft gewesen zu sein. Trotzdem wurde er in dem Chaos widersprechender Tendenzen der Kulturrevolution Ende 1969 als Korrespondent der Xinhua Nachrichtenagentur nach Bonn versetzt, obwohl er kein Wort Deutsch konnte und von Deutschland keine Ahnung hatte, weder von der Geographie noch von der politischen Lage und Verfassung. Er und ein Dolmetscher, der zwar zwei Jahre Deutsch studiert hatte, dann aber zur Landarbeit verurteilt worden war und in der Zeit sein Deutsch vergessen hatte, waren das chinesische Nachrichtenbüro in Bonn. Dritter Mann war ein Koch, der nur Chinesisch sprach und zum Einkaufen den Dolmetscher mitnehmen mußte.

Wang Shu lernte Deutsch, aber nur verstohlen. Denn wer nach "Fachwissen" strebte, machte sich verdächtig. Wichtiger war, "rot" zu sein und revolutionäres Bewußtsein zu beweisen, zum Beispiel durch Denunziationen. Als Vorbilder galten Männer, die jahrzehntelang im Ausland gewesen waren, ohne eine fremde Sprache zu lernen. In seinem Buch zeichnet Wang Shu die Entwicklung des deutsch-chinesischen Verhältnisses im Wesentlichen so nach, wie wir sie auch sehen. Überraschungen enthält es nicht. Lesenswert aber und mit journalistischer Feder geschrieben, ist das, was chinesischen Augen an Besonderem in Deutschland auffiel: beim Oktoberfest in München oder auf einer Bootsfahrt auf dem Rhein oder bei Besuchen im Privathaus von Franz Josef Strauß.

In seinem Urteil über die deutschen Politiker, mit denen er zu tun hatte, ist er zurückhaltend und diskret. Den chinesischen Premier Tschou En-lai dagegen verehrte er fast wie einen Heiligen, und als er gar zu einer Besprechung bei Mao Tsetung gerufen worden war und der Große Vorsitzende ihm die Hand reichte, flossen ihm vor Bewegung Tränen über die Wangen, so daß Mao ihm, um ihn zu beruhigen, erst einmal einen Zigarillo gab, den Wang Shu in seiner Gegenwart aber nicht zu rauchen wagte.

Er fand sich in der politischen Landschaft Bonns bald zurecht. Doch es fiel ihm nicht leicht, sich aus chinesischen Denkschablonen zu befreien. Er schildert seine Konsternation, als er bei einem Besuch des Bundestags sah, wie die Abgeordneten "mit großer Wut aufeinander losgingen" und wie der Präsident sie ununterbrochen zur Ruhe auffordern mußte. Unmöglich im Nationalen Volkskongreß in Peking! Wang Shu nahm ferner nie eine Einladung der Frankfurter Börse an, denn dort wurde ja Kapitalismus in Reinkultur betrieben. Heute findet er das lächerlich. Verständlich, denn Börsengeschehen kann er heute ebensogut in Schanghai sehen.

Mit Sorge erkannte er, daß die politischen Thesen Pekings mit der Wirklichkeit oft nicht übereinstimmten, zum Beispiel darin, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Staat des Militarismus und Revanchismus sei. "Ohne dieses Problem zu lösen, war an eine Aufnahme von Beziehungen mit Westdeutschland nicht zu denken", schreibt Wang Shu. Er war ferner "erschrocken", als er sah, daß alle Gesprächspartner in Bonn der Ansicht waren, die sowjetische Strategie richte sich gegen den Westen, nicht aber gegen China, wie man in Peking glaubte. Er schildert nun, mit welcher Vorsicht er diese Argumente als Meinungen westlicher Experten nach Peking berichtete, ohne sie selbst zu übernehmen. Er mußte ja den Verdacht vermeiden, er selbst hege auch solche politisch unkorrekten Gedanken. Ein falscher Ton konnte schlimme Folgen für den Korrespondenten haben.

Sowohl Mao Tse-tung wie Premierminister Tsou En-lai lasen seine Artikel, aus denen hervorging, daß eine Annäherung an die Bundesrepublik Deutschland für die Volksrepublik China von Vorteil sein würde. Das lag ja auch ganz auf der Linie ihrer neuen Politik gegenüber Washington. Sie zitierten ihn gelegentlich zur Berichterstattung nach Peking und griffen seinen Vorschlag auf, prominente deutsche Politiker - zum Beispiel den ehemaligen Bundesaußenminister Gerhard Schröder - einzuladen, der dann in Peking die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anregte und vorbereitete. Zum Lohn für seine beachtlichen Verdienste in dieser Entwicklung wurde Wang Shu zum Botschafter in Bonn ernannt.

Neu in seinem Buch ist, was er über das Leben der chinesischen Diplomaten, ihre Arbeitsbedingungen, die ständige Sorge vor Denunziationen und ihre Angst, politisch anzuecken, schreibt. Sie galten zu Hause als Vertreter der Bourgeoisie, wurden immer wieder wegen ihrer hohen Auslandsgehälter angegriffen, die schließlich auf Weisung Maos gänzlich abgeschafft und durch Direktversorgung mit Lebensmitteln ersetzt wurden. Alles, was darüber hinausging - Waschpulver, Toilettenpapier, Friseur - mußte abgerechnet werden. Wang Shus Monatsgehalt betrug umgerechnet einhundert Deutsche Mark. Essen in Restaurants war für die Diplomaten zu teuer; sie nahmen auf Ausflügen Trockenverpflegung mit, die sie im Auto aßen. Eine Reise nach Hamburg konnten sie sich nur leisten, weil sie dort auf einem chinesischen Schiff gratis übernachten konnten. Ehefrauen und Kinder mußten in China bleiben, Briefe an sie wurden vom Parteisekretär gelesen und geprüft.

Wang Shu versagt es sich nicht, auch Mißverständnisse und Pannen zu erwähnen, zum Beispiel, daß die deutsche Delegation zu ihrem Festbankett nach der Aufnahme der Beziehungen den Premierminister Tschou En-lai nicht eingeladen hatte, obwohl er zu verstehen gegeben hatte, er würde gerne kommen. Oder daß der Koch, als er sich - in China unüblich - den Gästen präsentierte, Verlegenheit bei den chinesischen Gästen hervorrief, weil seine hohe Kochmütze wie der Schandhut aussah, den die Roten Garden ihren Opfern aufsetzten, die sie als "Kapitalistenknechte" durch die Straßen trieben.

Oder daß deutsche Unternehmen einer chinesischen Bergbaudelegation arglos Aluminiumstäbe als Andenken geschenkt hatten, wie man sie früher zur Prüfung von Stollendecken verwandt hatte, daß aber später ein Denunziant in Peking behauptete, mit solchen Stäben hätten die Kapitalisten früher die Arbeiter verprügelt. Mit der Annahme der Geschenke hätten die Delegierten also ihren Klassenstandpunkt aufgegeben. Sie alle mußten daher Selbstkritiken verfassen, sie wiederholt in Massenversammlungen vortragen und sich von der Menge beschimpfen lassen.

Ernsten Kummer bereitete Wang Shu ein Wort des Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Er schreibt: "Mao fragte den Bundeskanzler: ,Wie arbeitet unser Botschafter da bei Ihnen?' Im Unterschied zu anderen Leuten seiner Position, die bei solchen Gelegenheiten ein paar gute Worte für einen Botschafter übrig haben, sagte Schmidt jedoch: ,Wir wollen mal abwarten, wie er sich in Zukunft macht.'" Der Bundeskanzler hatte nicht geahnt, daß in der Pekinger Atmosphäre von Denunziationen, Verurteilungen und Angst dieses distanzierte Urteil fatale Folgen für Wang Shu hätte haben können. Doch der hatte Glück und kam noch einmal davon.

ERWIN WICKERT

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erwin Wickert äußert sich wohlwollend über das Buch von Wang Shu. Der chinesische Diplomat, der von 1969 bis 1977 in Deutschland lebte, beschreibe gut lesbar die "deutsch-chinesischen Verhältnisse im Wesentlichen" so, wie sie auch von deutscher Seite eingeschätzt würden. Für Wickert bietet das Buch daher nichts Überraschendes, doch findet er es allemal "lesenwert". Wang Shu habe beschrieben, was seinen "chinesischen Augen" an deutschen Besonderheiten auffiel: Oktoberfest in München, eine Bootsfahrt auf dem Rhein, ein Besuch im Privathaus Franz Josef Strauß'. Bei der Bewertung deutscher Politiker sei Wang shu allerdings "zurückhaltend und diskret". Vor allem in seiner Beschreibung der "Arbeitsbedingungen" der "chinesischen Diplomaten" lobt Wickert, bietet das Buch neue Einblicke. Waren sie doch auch im Ausland nicht sicher vor "Denunziationen" und ständig besorgt "politisch" nicht "anzuecken". So kostete eine kühle Bemerkung, die Helmut Schmid gegenüber Mao äußerte, ihn fast den Kopf.

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