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Immer wieder verwertete Thomas Mann Fotografien als Anregung für seine Beschreibungskunst. Eva-Monika Turck macht erstmals die ganze Tragweite dieses Themas für das Mannsche Gesamtwerk deutlich und enthüllt sämtliche von Thomas Mann benutzten Fotovorlagen. Von den berühmten Fotosequenzen Muybridges in 'Tonio Kröger' über die Röntgenfotografie im 'Zauberberg' bis zur Echnaton-Beschreibung in 'Joseph und seine Brüder' offenbart sich, wie der Schriftsteller die Fotografie als Motiv und Metapher einsetzt. Darüber hinaus wird ein Bogen zu den zahlreichen Porträts von Thomas Mann geschlagen - er…mehr

Produktbeschreibung
Immer wieder verwertete Thomas Mann Fotografien als Anregung für seine Beschreibungskunst. Eva-Monika Turck macht erstmals die ganze Tragweite dieses Themas für das Mannsche Gesamtwerk deutlich und enthüllt sämtliche von Thomas Mann benutzten Fotovorlagen. Von den berühmten Fotosequenzen Muybridges in 'Tonio Kröger' über die Röntgenfotografie im 'Zauberberg' bis zur Echnaton-Beschreibung in 'Joseph und seine Brüder' offenbart sich, wie der Schriftsteller die Fotografie als Motiv und Metapher einsetzt. Darüber hinaus wird ein Bogen zu den zahlreichen Porträts von Thomas Mann geschlagen - er selbst gehört zu den meistfotografierten Autoren des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2004

Bitte recht unfreundlich
Eva-Monika Turcks Studie über Thomas Mann und die Fotografie

Die Mediziner halten ihn für einen an Medizin, die Psychologen für einen an Psychologie, die Archäologen für einen an Archäologie, die Lübecker für einen an Lübeck interessierten oder zumindest dort aufgewachsenen Autor: jede spezielle Befassung mit Thomas Mann - und nicht nur mit diesem - richtet sich ihren Gegenstand auf ihre Profession hin so zu, daß es paßt, und übersieht dabei eine ganze Menge, hat gewissermaßen blinde Flecken und tote Winkel. Man kann damit leben, anders geht es gar nicht.

Wer aus einer zutreffenden Einzelbeobachtung seine Schlüsse fürs Werk, fürs poetische Verfahren überhaupt zieht, sagen wir: Wer eine Stelle bei Freud oder C.G. Jung nutzbar macht fürs Verständnis einer Stelle bei Thomas Mann oder gar eines ganzen Werkes, der lasse sich nicht irremachen von dem Geschrei derer, die alles besser wissen: Und was ist mit Schopenhauer, Wagner, Nietzsche?!

Heute kommt man nur noch mit Spezialaspekten weiter. Deshalb soll man sich die neben der gebundenen Ausgabe nun auch als Fischer-Taschenbuch (zum Preis von 19,90 Euro) aufgelegte Studie von Eva-Monika Turck "Thomas Mann - Fotografie wird Literatur" unvoreingenommen ansehen, immer ruhig Blut, auch wenn der Untertitel an Grundsätzlichkeit und damit an Gewagtheit nichts zu wünschen übrigläßt.

"Thomas Manns Beschreibungskunst verdankt der Fotografie immer wieder entscheidende Anregungen. Eva-Maria Turck belegt erstmals die ganze Tragweite dieses Themas für das Mannsche Gesamtwerk und ermittelt sämtliche vom Autor benutzten fotografischen Vorlagen." Es wäre unfair, wollte man das Buch an diesem vom Verlag mutig mitgeteilten Anspruch messen. Solche Latten haben schon ganz andere gerissen.

"Thomas Mann", schreibt Turck, "hat sein Schreibzeug wohl selten eingetauscht gegen den Fotoapparat." Wohl wahr, sonst hätte er ja gleich Fotograf werden können. Daß er einen Beruf wählte, in dem er mehr erreichte, als er mit einem Kodak-Apparat je hätte leisten können, soll niemanden davon abhalten, einmal genauer hinzusehen, was er aus den vielen Bildvorlagen, die er nutzte, jeweils gemacht hat. Eva-Monika Turck hat dazu eine Menge zu sagen, und ihre Einzelbeobachtungen sind durchweg überzeugend, zum Teil verblüffend. Vor allem die fotografischen Quellen zum "Tod in Venedig" sprudeln bei ihr nur so: Jünglingsbilder von Fred Holland Day und Wilhelm von Gloeden, dazu antike Büsten ermöglichten dem Homoerotiker die Tuchfühlung zum Sujet, die dieser in der Wirklichkeit mied. Ergänzungen, Korrekturen zum bisher Bekannten in den einschlägigen Sünden- und Erotikpassagen aus "Gladius Dei" oder dem "Joseph"-Roman, dazu aus dem "Zauberberg" und "Doktor Faustus" werden ohne Besserwisserei angebracht. Plausibel ist auch die Analyse der Bilder des Eadweard Muybridge, die es Hans Hansen erlauben, so genau über Pferde zu sprechen.

Aber hier, bei den Pferden, fängt es auch an, heikel zu werden. Daß man "Literatur und Fotografie im Wettstreit" sieht, mag für Studien dieser Art angehen oder, als Interpretationsvoraussetzung, sogar zwingend sein - man muß sein Metier schon starkreden; mit Konjunktiven, die sich auch bei Eva-Monika Turck finden, ist es allein nicht getan. Doch mit ihrer netten, an Nietzsche angelehnten These von der "Geburt der Sprache aus dem Bild des Lichts" geht sie zu weit. Der Eitle ließ sich durchaus auch selber ablichten oder -bilden: "War von meiner Büste, die ich so lange nicht gesehen, doch sehr ergriffen. Sie ist wahrlich getroffen, und eine Menge Leiden liegt in dem Gesicht, das so außer mir zu sehen mich erschüttert", schreibt er unter dem 4. November 1918 ins Tagebuch. Die Interpretin unterschätzt den narzißtischen Einschlag, während sie sich ausmalt, was im einzelnen dabei herauskam, wenn Thomas Mann sich Bilder ansah, auf denen andere zu sehen waren.

Es mag ja richtig sein, was Eva-Monika Turck schreibt: "Die Darstellung des Unfaßlichen einer verschwundenen Präsenz, das Verweisen auf diesen Transfer ist im Medium der Fotografie angelegt." Aber ist ein Lichtbild wirklich "Ursprung für den Schreibimpuls"? Tommie gar als best boy, immer den Knipser in der Hand, auf daß es blitze? Dem Schriftsteller ging es ums Beseelen dessen, was vorlag und worüber er technisch verfügte. Ein verhinderter Fotograf war Thomas Mann nicht, noch nicht einmal ein entschiedener Augenmensch. Ihm ging es wie Leverkühn, der im Grunde auch "nichts sehen" wollte. Bitte lächeln - damit brauchte ihm keiner zu kommen. Er war doch froh, wenn er das Licht ausmachen konnte.

EDO REENTS

Eva-Monika Turck: "Thomas Mann". Fotografie wird Literatur. Mit einem Vorwort von Wolfgang Kemp. Prestel Verlag, München 2004. 112 S., 68 Abb., geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Als "Ikonologen-Sirene" firmiert Eva-Maria Turck in der Rezension von Ingo Flothen, doch hinter der saloppen Formulierung versteckt sich durchaus ein Kompliment für die Akribie, ja auch Pedanterie der Autorin, die wie bei einem Puzzle Bildbausteine sucht, vergleicht, zuordnet, nach Vorlagen fahndet und dabei ebenso wissenschaftlich vorgehen wie sich von ihrer Intuition leiten lassen muss. Thomas Mann war fasziniert von der Fotografie, erklärt Flothen, und diese Faszination war Ausgangspunkt für Turcks Buch, das der Rolle der Fotografie als Inspirationsquelle und Schreibimpuls für Manns Texte und Charaktere nachspürt. Mehr noch, behauptet Flothen: Mann habe sich selbst fotografischer Techniken wie Perspektivenwechsel, Überblendungen, serieller Reproduktionen und fotografischer Metaphern bedient. Das eigentlich Spannende dieses wunderschön gestalteten Buches, betont Flothen, stelle aber das Eintauchen in Manns Bilderwerkstatt dar. Dabei sei die Zuordnung der Vorlagen zu Figuren und Charakteren aus Manns Romanen und Erzählungen keineswegs einfach, erläutert der Rezensent fasziniert, oft hätte es mehrere Vorlagen gegeben. Um so mehr erstaunt ihn, dass Turck einige bereits bekannte Details durch die Lappen gegangen sind. In jedem Fall stünde diese Untersuchung Brassais Proust-Essay in nichts nach, legt der Rezensent zum Schluss noch mal ordentlich Lob nach.

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