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Zum 150. Todestag Chopins am 17.10. 1999 erscheint diese umfassende Biografie. Der Autor schildert Chopins Zeit in Polen, Berlin, Dresden und Wien, die ruhmreichen Jahre in Paris, den Aufenthalt mit George Sand auf Mallorca und die Zeit in London. Außerdem enthalten sind zahlreiche Briefe, Tagebucheintragungen und zeitgenössische Kritiken sowie ein komplettes Werkverzeichnis.

Produktbeschreibung
Zum 150. Todestag Chopins am 17.10. 1999 erscheint diese umfassende Biografie. Der Autor schildert Chopins Zeit in Polen, Berlin, Dresden und Wien, die ruhmreichen Jahre in Paris, den Aufenthalt mit George Sand auf Mallorca und die Zeit in London. Außerdem enthalten sind zahlreiche Briefe, Tagebucheintragungen und zeitgenössische Kritiken sowie ein komplettes Werkverzeichnis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Das Echo hat ausnahmsweise keinen Umweg gemacht
Was in Chopin nachklingt, glaubt jeder sofort zu verstehen: Biografen erklären ihn trotzdem / Von Ellen Kohlhaas

Die Blaue Blume wurzelt tief in uns. Sie klingt sogar - wie ein Nocturne, eine Polonaise, ein Prélude: Blütenstaub einer großen romantischen Idee. In der schrillen Außenwelt von heute flüchten Eskapisten immer zahlreicher in das Weltall im Inneren, von dem schon Novalis träumte. Die Außenwelt wird zur Schattenwelt. Ist Fryderyk Chopin, der sich im Pariser Exil Frédéric nannte, der nostalgisch-melancholische Anführer einer Esoterikerschar? Jedenfalls ist er beliebt, ja populär wie kaum ein anderer Komponist der Musikgeschichte. Sogar die Kaufhaus-Musikberieselung profitiert von ihm. Der polnische Pianist Krystian Zimerman, der mit Chopin umgeht wie mit einem Herzensfreund, nähert sich der eigenartigen Magie von dessen Nachleben pragmatisch. "Chopins Musik ist für alle Leute unmittelbar verständlich", stellt er fest, "die Menschen haben einen Draht zu dieser Musik, Chopin braucht keinerlei Umwege, er hat im Gegenteil irgendwie eine Abkürzung in die menschliche Seele gefunden, berührt dort auf direktestem Weg."

Doch ist diese Unmittelbarkeit nicht Schein? Was verbirgt sich in dem Irgendwie? Entblättert sich die Blaue Blume nicht, sobald wir sie anfassen, sie zu erklären trachten? Vielleicht füllt die Chopin-Literatur gerade deshalb ganze Bibliotheken, weil alle Erläuterungsversuche das Rätsel Chopin bestenfalls umkreisen. Schon sein Leben, Tag für Tag dokumentiert wie bei kaum einem anderen Musikschaffenden, ist ein eigenartiger Schlingerkurs zwischen übervölkertem Freundeskreis und Einsamkeit, zwischen Salon und Abgrund, zwischen Polen und Paris, zwischen der lebhaften Verbundenheit mit den polnischen politischen Wirren (und dem großen Emigrantenkreis in Paris) und dem eigengesetzlichen musikalischen Weltall.

Vielleicht gründlicher als je zuvor schreitet der polnische Musikwissenschaftler Tadeusz A. Zielinski, ausgewiesen auch mit Arbeiten über Prokofjew, Bartók, Szymanowski und überhaupt die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts, Chopins Lebensstationen ab - Schritt für Schritt, als sei er zeitgenössischer Begleiter seines Idols gewesen. Zielinski erzählt manchmal fast quälend detailreich: Ist es unbedingt immer entscheidend, zu wissen, mit wem wann wo warum Chopin Umgang hatte? Aber er breitet die Fülle eines Lebens farbig, lebendig, hintergründig aus, und man verzeiht deshalb dem Autor gerne, wenn er etwas längst Entdecktes gelegentlich als eigenes Fundstück ausgräbt.

Nicht recht einzusehen ist es dagegen, wie harsch er Robert Schumann gegenüber dem ebenfalls 1810 geborenen Chopin abwertet: Der Stil des Kollegen sei "weitaus einfacher, monolithischer und in engere Grenzen gefasst als der farbige und vielgestaltige Stil Chopins". Mehr noch: Schumann habe "keinerlei Interesse für die Errungenschaften moderner Klaviertechnik" besessen. Zielinskis Blick ist hier schlicht vom Vorurteil getrübt: Niemand darf avantgardistischer sein als sein Held. Wie unvereinbar und doch gleichwertig Chopin und Schumann im Grunde stilistisch wie in ihrer ästhetischen Entwicklung waren, hat Peter Rummenhöller im Chopin-Kapitel seines Bändchens "Der Dichter spricht" (1980) erhellt - mit Argumenten, die auch Schumanns Wandlung vom Chopin-Enthusiasten zum Kritiker einer für ihn nicht mehr nachvollziehbaren, grenzüberschreitenden Originalität erklären.

Aber selbst dieser Einwand kann das Vergnügen an Zielinskis anschaulichem, spannendem Chopin-Rapport nicht trüben. Das gesellschaftliche und zeitgeschichtliche Umfeld kommt in seinem Einfluss auf Chopin ausführlich ins Bild, ebenso der stufenreiche Wandel seines Kompositionsstils vom "Style brillant" der Warschauer und ersten Pariser Jahre bis zur verknappten, klanglich und harmonisch aber bis zum Äußersten verfeinerten späten Ausdrucksform. Diese oft innovativen Veränderungen werden vor allem in den Werkbeschreibungen nachvollzogen - geglückten Synthesen aus wissenschaftlichem Anspruch und Verständlichkeit, immer auch im Hinblick auf die Entwicklung der musikalischen Romantik in Chopins Umkreis. Mit der Hilfe des Werkverzeichnisses im Anhang kann dieser Teil als Buch im Buch aus dem Zusammenhang genommen werden - als hilfreicher Chopin-Konzertführer.

Der polnische Chopin-Experte Mieczyslaw Tomaszewski, Professor an der Akademie für Musik in Krakau, nimmt Chopin nicht an der Hand, plaudert nicht über Wesen und Interpretationsart eines Duzfreundes. Er nähert sich ihm vielmehr aus der Distanz des systematischen Musikwissenschaftlers, der die Chopin-Landschaft gewissenhaft kartografiert. Der Lebenslauf, von Zielinski so genüsslich ausgebreitet, schrumpft auf eine konzise Tabelle von Kerndaten, die man sich mit Zielinskis Erzählfiorituren nach Lust und Laune ausschmücken mag. Tomaszewski zielt nicht in die Breite, sondern bei Einzelaspekten in die Tiefe: Er fragt nach Komponenten, die Chopin beeinflusst haben, aber auch nach Anschauungen, von denen er sich absetzte, um seinen eigenen Weg zu finden. Schließlich versucht er Gründe für die unverminderte Faszination zu finden, die von Chopin ausgeht und ihren äußeren Ausdruck in über siebzig Gesamtausgaben, mehr als vierzig Chopin-Gesellschaften in aller Welt, unzähligen Konzerten und Einspielungen findet.

Chopins Nachleben ist ein relativ neuer Zweig der Musikforschung. Im Kapitel "Resonanz" widmet Tomaszewski sich den Arten des Nachklangs - als Zitat, Anspielung oder Klangatmosphäre in Werken von Liszt bis zur Gegenwart; in Bearbeitungen bis zum Jazz; in Interpretationsrichtungen, schließlich - allzu kursorisch - in wechselnden wissenschaftlichen Phasen und Schwerpunkten. Bedenkenswert der Ausblick: "Die bisher verwendeten Analyse- und Interpretationsmethoden reichen nicht mehr aus. Die auf technisch-formale und analytische Beschreibung reduzierte Methodik hat allzuoft das ,Wesen' Chopinscher Musik verfehlt . . ." Der Autor empfiehlt eine Ausweitung der Deutungsverfahren in kulturwissenschaftlicher Absicht.

Erstaunlich ist, auf wie viele weiße Flecken und blinde Stellen in der "Chopinistik" Tomaszewski, der als profundester Kenner gilt und sein Buch auch als Diskussionsfeld für die bisherige Chopin-Literatur nutzt, aufmerksam macht. Dies betrifft Chopins Verhältnis zum Maler-Freund Eugène Delacroix; seine Inspiration durch die Romantiker Schumann, Mendelssohn, Berlioz und Liszt, mit denen er in engem Kontakt stand; den Einfluss Mozarts und Beethovens; die spezielle Klavierkoloristik Chopins und den davon abhängigen Ausdrucksgehalt; den Einfluss des Pariser Kreises um Meyerbeer und Heine.

Tomaszewski liest aus den Zeugnissen Chopins und seiner Zeitgenossen - zuweilen spekulativ - viel mehr heraus als Zielinski. Chopins Nebentalente als geistreicher Briefschreiber, pointensicherer Imitator, Schauspieler und Karikaturist werden ausgewertet, die Zwiespältigkeiten seines Wesens - etwa im Widerspiel von Patriotismus und Universalität - ausgeleuchtet. Die Salons, in denen Chopin fast ausschließlich auftrat, erhalten einen doppelten Boden - als Ersatzheimat für den zart besaiteten, von Ängsten vor der Öffentlichkeit gepeinigten Künstler. Das prekäre Verhältnis zu Frauen - zumal die am Ende fatale neunjährige Liaison mit der Schriftstellerin George Sand - wird vorsichtig psychologisiert und so dem Hautgoût eines mondänen Lebenswandels enthoben, der doch nur Chopins Einsamkeit verschleierte.

Das Kategoriensystem, mit dem Tomaszewski das flüchtige, schillernde Wesen Chopins zu fassen versucht, ist zuweilen schmerzhaft strikt, ja gewaltsam. Da werden Erscheinungsformen wie in Scheidewasser gesondert, die eigentlich einander bedingen, ineinander fließen. Und Chopins Neuerungen in tonalitätsentgrenzender Harmonik, sein Ausdrucks-Wagemut, sein klangfarbliches und modulatorisches Oszillieren mit Auswirkungen bis zu Debussy, Skrjabin und Messiaen hätten ein eigenes Kapitel verdient gehabt. Tomaszewski mutet dem Leser zu, sich die Wesenszüge des Zukunftsmusikers Chopin aus dem ganzen Buch zusammenzusuchen, weil er sie - eben systematisch - in verschiedenen Schubladen verzettelt hat. Doch man darf dem Autor dankbar sein dafür, dass er Chopin mit gezielten Argumenten endgültig abrückt vom wehmütig-kränklichen Salongenie und Großmeister der kleinen Form, die bei ihm doch jedes Mal von neuem eine ganze Welt auf Tasten komprimierte. Das Eingeständnis, dass es nicht leicht sei, "die wichtigsten Eigenschaften der in ihrer Gestalt und in ihrem Ausdruck unwiederholbaren Werke Chopins . . . mit formalen Schemata zu fassen", ehrt den Autor zusätzlich.

Die Chopin-Forschung, erst in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts überlieferungskritisch in Gang gekommen, ist vor allem der Arbeit polnischer Wissenschaftler zu verdanken. Auf sie - zumal das schon 1993 auf Polnisch erschienene, fast tausendseitige biografische Monument von Zielinski - stützt sich der Journalist Johannes Jansen in seinem sprachgewandten Chopin-Porträt. Der Vorzug gegenüber Zielinski ist die Knappheit, ohne dass allzu Wesentliches ausgelassen wird. Aber die Ziele beider Autoren unterscheiden sich - dort die Überlieferung möglichst jeder Einzelheit, hier eine konzise Nacherzählung des Lebenslaufs, wie beim polnischen Kollegen im politischen und gesellschaftlichen Kontext. Dass Jansen Chefredakteur und Herausgeber einer Musikzeitschrift ist, merkt man dem magazinartigen, ansprechenden Layout mit passenden Illustrationen im Text an. Der Multimedia-Effekt wird verstärkt durch zusätzliche Informationen außerhalb des durchlaufenden Textes: Biografien wichtiger Persönlichkeiten aus Chopins Umkreis, Erläuterungen zu Chopins Klavieren und Werken, Konzertkritiken, Fachbegriffe, Zeitzeugenberichte. Diese nützlichen Extras, die die Anschaulichkeit des Bändchens erhöhen und ihm über Chopin hinaus Nachschlage-Qualität geben, sind farbig unterlegt - Chopins Briefe, zumindest auf den ersten fünfzig Seiten, im Blau der romantischen Blume.

Tadeusz A. Zielinski: "Chopin". Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Aus dem Polnischen von Martina Homma und Monika Brockmann, bearbeitet von Fabian Sulzer. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1999. 912 S., 32 Abb., 236 Notenbeispiele, geb., 78,- DM.

Mieczyslaw Tomaszewski: "Frédéric Chopin und seine Zeit". Aus dem Polnischen von Malgorzata Kozlowska und Antoni Buchner. Laaber-Verlag, Laaber 1999. 358 S., Abb., geb., 68,- DM.

Johannes Jansen: "Frédéric Chopin". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999. 156 S., zahlr. Abb., br., 14,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ellen Kohlhaas bespricht diese neue Biografie zusammen mit zwei weiteren Chopin-Biografien: "Frédéric Chopin und seine Zeit" von Mieczyslaw Tomaszewski und "Frédéric Chopin" von Johannes Jansen.
1) Tadeusz A. Zielinski: "Chopin" (Gustav Lübbe Verlag)
"Vielleicht gründlicher als je zuvor", so die Rezensentin, erzählt Tadeusz A. Zielinski das Leben des polnischen Nationalkomponisten. Manchmal ist es ihr fast zu viel, und sie fragt, ob wirklich jedes Detail aus Chopins Leben für den heutigen Leser von Bedeutung sei. Auch Zielinskis Polemiken gegen Robert Schumann und seinen Hang, nur seinen eigenen Helden gelten zu lassen, findet sie deplatziert. Aber insgesamt ist sie des Lobes voll über diese monumentale Biografie, die im polnischen Original 1993 erschien. Vor allem Chopins gesellschaftliches Umfeld, aber auch seine Entwicklung vom brillanten Stil der Anfangszeit zur "bis zum Äußersten verfeinerten späten Ausdrucksform" würden in zahlreichen Werkbeschreibungen wiedergegeben.
2) Mieczyslaw Tomaszewski: "Frédéric Chopin" (Laaber-Verlag)
Bei Tomaszewski beschreibt Kohlhaas vor allem den systematischen Ansatz - das Leben wird einfach in einer Chronologie abgehakt. Einiges Neue erfahre man über das Verhältnis Chopins zu Zeitgenossen, etwa dem Maler Eugène Delacroix. Was der Autor zu musikalischen Neuerungen Chopins und seinen Einfluss bis hin zu Skrjabin und Messiaen sagt, hätte Kohlhaas gern in einem eigenen Kapitel zusammengefasst gesehen - so müsse man es umständlich aus den einzelnen Abschnitten herauslesen. Dennoch findet Kohlhaas Tomaszewskis Forschungen zu Chopins musikalischem "Nachleben" besonders interessant.
3) Johannes Jansen: "Frédéric Chopin" (dtv)
Bei diesem Buch lobt Ellen Kohlhaas die populäre Machart, die Informiertheit des Autors und die Knappheit der Darstellung - Zielinskis große biografische Arbeit sei dabei eine der wichtigen Quellen für Jansen gewesen. Ansprechend sei das Layout des Buchs, das durch eingerückte Erläuterungen manche nützliche Zusatzinformationen gebe.

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