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Als Maria zwölf Jahre alt wird, bekommt sie weiße Handschühchen und Lackschuhe mit Absätzen. Es ist ein wunderbares Geburtstagsfest, die Sklaven bringen Champagner, das erste Mal bekommt auch Maria ein Glas. Die größte Überraschung aber wird in einer silbernen Terrine auf den Tisch getragen und Marias Papa hebt selbst den Deckel herunter: Es ist ein Menschlein. Ein kleiner schwarzer Junge, Marias erster eigener Sklave! Dolf Verroen erzählt aus der Perspektive eines Mädchens vom Alltag auf einer Teeplantage. Ihren kindlich-naiven Gedanken folgend, die in schlichten kurzen Sätzen formuliert…mehr

Produktbeschreibung
Als Maria zwölf Jahre alt wird, bekommt sie weiße Handschühchen und Lackschuhe mit Absätzen. Es ist ein wunderbares Geburtstagsfest, die Sklaven bringen Champagner, das erste Mal bekommt auch Maria ein Glas. Die größte Überraschung aber wird in einer silbernen Terrine auf den Tisch getragen und Marias Papa hebt selbst den Deckel herunter: Es ist ein Menschlein. Ein kleiner schwarzer Junge, Marias erster eigener Sklave! Dolf Verroen erzählt aus der Perspektive eines Mädchens vom Alltag auf einer Teeplantage. Ihren kindlich-naiven Gedanken folgend, die in schlichten kurzen Sätzen formuliert sind, hören wir von Marias Jungmädchen-Träumen. Mit großer Selbstverständlichkeit findet sie sich in die Rolle der rechtmäßigen Besitzerin eines Sklaven, den sie behandelt wie man Sklaven behandelt, den sie verachtet, schlägt, beschimpft, verkauft. Konsequent bleibt Dolf Verroen beim gewählten Blickwinkel, kommentiert nicht, bewertet nicht, erfindet keine positive Gegenfiguren. Dabei schafft er einen Text von großer Eindringlichkeit, beklemmend und provozierend
Autorenporträt
Dolf Verroen, geb. 1928 in Delft in den Niederlanden, ist Autor, Kritiker, Übersetzer und Essayist. Sein erstes Kinderbuch "Het boek von Jan-Kees" erschien 1958. Inzwischen hat er rund sechzig Kinderbücher veröffentlicht, für die er vielfach ausgezeichnet wurde, u.a. dreimal mit dem Silbernen Griffel, der höchsten Auszeichnung für Kinderbücher in den Niederlanden. Zuletzt erschien in Deutschland "Der Bär auf dem Spielplatz"(2002, Beltz & Gelberg) und "Ein Himmel für den kleinen Bären" (2003, Carl Hanser Verlag), beide mit Illustrationen von Wolf Erlbruch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Ein Stein im Wasser
Schwarz-weiß: Dolf Verroen erzählt von Sklaven und Mädchen

Wer Nachworte gewöhnlich überblättert, weil sich ein literarisches Werk selbst zu erklären habe, muß hier umdenken. Dolf Verroens Nachwort ist mit seinem Prosagedicht in vierzig Versen wie mit unsichtbaren Ketten verbunden. Beide Texte erschließen sich vollends erst im Rückspiegel des jeweils anderen. Es schadet nichts, mit dem Nachwort zu beginnen. Dolf Verroen erzählt darin, wie er zum ersten Mal nach Suriname kam, ins ehemalige Niederländisch-Guyana an der südamerikanischen Nordküste. Dort wurde die Sklaverei erst im Jahre 1863 abgeschafft, im selben Jahr wie in den Vereinigten Staaten, die um diese Frage einen blutigen Bürgerkrieg geführt hatten - doch spät im Vergleich zu anderen Weltregionen.

Verroen kam 1976 nach Suriname, ein Jahr nachdem das Land unabhängig geworden war. Dort, so schreibt er, wurde ihm zum ersten Mal bewußt, wie es ist, den Unterschied zwischen schwarzer und weißer Hautfarbe mit allen Sinnen zu spüren. Darüber und über eine Plantage, auf der seinerzeit Hunderte von Sklaven schufteten, wollte er schreiben, es wurde nichts daraus. Er reiste wieder nach Suriname und machte dort eine weitere Schlüsselerfahrung. Gerade, als er mit dem Gedanken spielte, gar nicht mehr nach Hause zurückzukehren, belehrte ihn ein Einheimischer, daß es nie echte Freundschaft geben könne zwischen einem Menschen aus Suriname und einem Niederländer. Denn die einen stammten von Sklaven ab, die anderen seien Nachfahren von Sklavenhändlern.

Hat man, wie es üblich ist, das Nachwort nach der eigentlichen Erzählung gelesen, lohnt es sich, das Buch neuerlich zur Hand zu nehmen. In der vermeintlich so leichthändig hingeworfenen Episodensammlung um ein Mädchen, das zum Geburtstag einen Sklaven geschenkt bekommt, den sie bald gegen eine Sklavin eintauscht, wird man unversehens Tiefen erkennen, die vorher nicht da schienen. Und man wird die Ungeheuerlichkeit wahrnehmen, mit der hier ein literarisches Ich - die zwölfjährige Marie - schildert, wie das Leben ist, wenn man sich anderen Menschen überlegen weiß, weil man die richtige Hautfarbe hat: "Wie schön weiß ich bin." Doch Maries Blick trübt sich im Laufe der Szenenfolge, die über den Zeitraum einiger Wochen führt. Was wie ein Märchen beginnt, wird zur ersten Enttäuschung ihres Lebens: Ihre Sklavin hat ein Kind von jenem Lukas, dem sich Marie versprochen glaubt. Doch nur zwei Kapitel und damit zwei Gedanken weiter ist Marie neuerlich mit sich und der Welt im reinen: Sie wird in die Schweiz reisen, um dort ein vornehmes Internat zu besuchen: "Wunderbar!"

Es ist das letzte Wort der Erzählung, und zu bezweifeln ist, ob Marie im Laufe ihres behüteten Lebens als Tochter eines Teeplantagenbesitzers in Suriname erkennen wird, daß ihre Existenz auf Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Zynismus beruht. Verroen enthält sich jeder Bewertung und vermeidet damit den Hautgout des Gutgemeinten. Er beschreibt, was Marie erlebt und was sie für mitteilenswert hält. Seine Erzählung ist wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wurde. Der Aufprall erzeugt konzentrische Kreise, die vom eigentlichen Gegenstand wegführen. Der Raum hinter dieser Erzählung ist tief.

ANDREAS OBST

Dolf Verroen: "Wie schön weiß ich bin". Aus dem Niederländischen übersetzt von Rolf Erdorf. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2005. 70 S., geb., 12,- [Euro]. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2005

Koko zum Geburtstag
Über den Umgang mit Sklaven in Surinam im 19. Jahrhundert
Der zwölfte Geburtstag. Maria ist stolz auf ihre Geschenke, die Halskette von Mama, die Bibel von Großmama und Großpapa, die Handtasche von Tante Erda, „eine Fast-Schon-Große-Dame-Handtasche”. Aber das Beste kommt von Papa: „Vier Sklaven trugen eine Terrine mit Deckel auf. Papa ist stark. Er hob selbst den Deckel herunter. Ich sah ein Menschlein. Das ist Koko, sagte Papa. Ein kleiner Sklave für unsere Maria. Von Tante Elisabeth bekam ich eine kleine Peitsche. Sie war leider etwas zu groß für die Handtasche. Schade.”
Dem Leser stockt der Atem, mit welcher Selbstverständlichkeit ein zwölfjähriges Kind im 19. Jahrhundert über den Umgang mit Sklaven berichtet. Wie sie, die Tochter eines Plantagenbesitzers in Surinam den kleinen Jungen als ihren Besitz betrachtet, als ein Ding ohne menschliche Rechte. Es besteht auch kein Zweifel in der damaligen Gesellschaft darüber, dass sie richtig handelt. Ihre Vorbilder sind ihre Eltern und Verwandten, niederländische Kolonialherren in Surinam, und sie alle fühlen sich allein durch ihre weiße Hautfarbe dazu privilegiert, die Schwarzen als Sklaven zu halten.
Frühreif und grausam
In 40 kurzen Episoden lässt der niederländische Autor Dolf Verroen in seinem Buch „Wie schön weiß ich bin” dieses frühreife Kind seine Beobachtungen aufschreiben, nüchtern und altklug. Er zeigt, wie das inhumane Denken der Kolonialherren in Brutalität umschlägt, zum Beispiel als Maria beobachtet, wie der Vater eine neue schöne Sklavin ins Haus nimmt und die Mutter seine Abwesenheit benutzt, um sich an dieser furchtbar zu rächen. Oder wie ihr kleiner Sklave bei einer Kaffeegesellschaft die Torte auflecken muss, die eine unachtsame Sklavin fallen ließ. Das Mädchen sieht alles und schreibt es auf, ohne zu begreifen, wie grausam ihr Verhalten und das der Weißen ist.
Vieles, von dem, was wir hier erfahren, ist nicht neu und findet sich auch in anderen Zeitzeugnissen, aber der literarische Stil der Verknappung und unsentimentalen Beobachtung schafft eine Intensität und Atemlosigkeit, die dem Geschehen eine besondere Dramatik gibt. Anders als in vielen Kinder- und Jugendbüchern taucht kein Sympathieträger in der Handlung auf. Es fehlt eine humane Figur, die die Wut und Empörung stellvertretend für den Leser verkörpert, denn es war für den Autor nach seinen Erfahrungen in Surinam nicht möglich, diese Brücke zu bauen.
Im Nachwort erzählt er von seinen Besuchen dort: „Ich fühlte mich dermaßen gut aufgehoben und zu Hause, dass ich am liebsten gleich dageblieben wäre. Bis einer von ihnen mir sagte: „Nein, Dolf, ein richtiger Freund wirst du für uns nie werden. Wir stammen von Sklaven ab, und du bist ein Nachfahre der Sklavenhändler.” Zuerst rechtfertigte er sich, dass keiner aus seiner Familie je Sklaven verkauft hat und dann begreift er: „Ich lebe in einem Land, das seinen bis heute gewahrten Wohlstand zu großen Teilen dem Sklavenhandel verdankt.”
So endet sein Buch damit, dass der kleine Sklave verkauft wird, Maria eine Gouvernante bekommt und sich auf die Aussicht freut, in ein paar Jahren ein Schweizer Internat besuchen zu dürfen. Erst 1863 wird die Sklaverei in Surinam abgeschafft.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
DOLF VERROEN: Wie schön weiß ich bin. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2005. 68 Seiten, 12 Euro. (Ab 12)
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Angelika Ohland ist außerordentlich angetan von diesem jugendliteraturpreisgekrönten Jugendroman über eine zwölfjährige Amerikanerin im 19. Jahrhundert, die zum Geburtstag einen Sklaven geschenkt bekommt. Bei aller Härte und Wahrhaftigkeit besticht sie das Buch immer wieder auch durch Poesie. Besonders beeindruckt Ohland der minimalistische Erzählton, mit dem der niederländische Autor seine Sklavengeschichte erzählt, die Konsequenz, mit der er sie aus der gnadenlosen Perspektive des Mädchens Maria erzählt, die das neue Spielzeug wieder abstößt und durch ein neues ersetzt, als es ihr nicht mehr gefällt.

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