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Die Ehelosigkeit aus religiösen Motiven kommt in allen Religionen vor und ist auch in den christlichen Konfessionen hochgeehrt. Aber nur in der römisch-katholischen Kirche des lateinisch-sprechenden Westens ist der Pflichtzölibat allen Priestern als Disziplin-Regel auferlegt, und bei den Gläubigen genießt er vielfach sogar den Rang eines Dogmas. »Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen« ist biblisch begründet. Die Texte der Evangelien und des Paulus werden in diesem Buch vom langjährigen Lehrbeauftragten für Neues Testament an der Universität Koblenz vorgelegt und kommentiert. Zweifellos…mehr

Produktbeschreibung
Die Ehelosigkeit aus religiösen Motiven kommt in allen Religionen vor und ist auch in den christlichen Konfessionen hochgeehrt. Aber nur in der römisch-katholischen Kirche des lateinisch-sprechenden Westens ist der Pflichtzölibat allen Priestern als Disziplin-Regel auferlegt, und bei den Gläubigen genießt er vielfach sogar den Rang eines Dogmas. »Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen« ist biblisch begründet. Die Texte der Evangelien und des Paulus werden in diesem Buch vom langjährigen Lehrbeauftragten für Neues Testament an der Universität Koblenz vorgelegt und kommentiert. Zweifellos belegen sie für einen begrenzten Kreis von Personen, das sind Mönche und Nonnen, nicht nur Priester, die Möglichkeit eines ,charismatischen', von der Gnade getragenen Zölibats. Was allerdings in der Zeit der Kirchenväter und der Synoden des ersten Jahrtausends in der Gesetzgebung der lateinischen Kirche aus diesem Ansatz wurde, ist nicht frei von Ideologie und Ehefeindlichkeit. Die Texte dieser Synoden hat der Autor ebenfalls zusammengestellt und kritisch gewürdigt. Sie können das bis heute bestehende Zölibatsgesetz nicht hinreichend begründen, ebenso wenig wie das II. Laterankonzil von 1139, das Trienter Konzil von 1546-63 und das II. Vatikanische Konzil von 1962-65. Die Ostkirche hingegen, sowohl die katholische wie die orthodoxe, die nie ein Zölibatsgesetz für die Kleriker kannte und nur die Bischöfe aus den Reihen der Mönche wählte, deutet den Weg aus dem heute immer brisanter werdenden Dilemma, in welches der Pflichtzölibat in der römisch- katholischen Kirche führt: Priestermangel und mannigfache Übertretungen des Gesetzes zum Schaden der Christenheit. Die biblischen Ursprünge und die Tradition des Ostens sind dagegen ein Zeichen dafür, wie Zölibat und Priesterehe friedlich zum Segen der Kirche und der Menschen nebeneinander existieren können. Dr. Heinz-Jürgen Vogels leistet mit seinem neuen Buch einen wertvollen Beitrag zur aktuellen Diskussion, weil er die Fragestellung von den einschlägigen Bibel- und späteren kirchlichen Texten her angeht und auf diese Weise die Quellen wieder in den Blickpunkt rückt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2013

Eine Gottesgabe soll man nicht in eine Amtsregel zwängen

Ein Papst ohne Pomp, die Priester frei von der Pflicht der Ehelosigkeit: Heinz-Jürgen Vogels erinnert an eine katholische Utopie und ihre aktuelle Dringlichkeit.

Im Jahr weltweiten jugendlichen Aufstands gegen obsolete Tradition und für Freiheit in Staat, Gesellschaft und Universität kam es 1968 auch in der katholischen Kirche zu Protesten. Wortmeldungen waren regelmäßig von Zukunftsvisionen begleitet. Zu Beginn des dritten Jahrtausends, meinte damals Fritz Leist, werde die Kirche völlig anders aussehen als in der Gegenwart. Der Bischof von Rom werde "nicht mehr im triumphierenden Zeremoniell erscheinen". "Die Insignien des Priesterfürsten" werde er abgelegt haben, um den Petrusdienst den biblischen Vorgaben entsprechend - nämlich charismatisch - zu verwalten. In dieser Zukunft würden auch die Kämpfe um die Ehelosigkeit der Priester verstummt sein, "weil die Kirche aus einer wahrhaften Umkehr heraus gelernt hat, dass Ehe wie Ehelosigkeit ein Weg sein können". Deshalb habe sie den Zölibat freigestellt, so dass viele Priester die Möglichkeit ergriffen, "die eheliche Partnerschaft" zu wagen. So Fritz Leist, Guardini-Schüler und Professor für Religionsphilosophie in München, in seinem Buch "Zölibat - Gesetz oder Freiheit" (1968).

Während Papst Paul VI. in einer Enzyklika "Sacerdotalis caelibatus" 1967 die priesterliche Ehelosigkeit verteidigte und festzuschreiben suchte, formierte sich in mehreren Ländern eine antizölibatäre Opposition. Neben Fritz Leist bastelten viele an der Utopie eines neuen Kirchen- und Priesterbildes - Hans Küng, Edward Schillebeeckx, Richard Egenter, Stephan Pfürtner, Eugen Drewermann, nach langem Zögern auch der Jesuit Karl Rahner. Den Theologen gesellten sich junge Priester zu, die ihren Unmut in Schriften äußerten, die sie - aus Furcht vor Diskriminierung - zum Teil unter einem Pseudonym veröffentlichten. Doch wer als aus dem Amt entlassener Priester den Weg der Ehe einmal beschritten hatte, mochte sich auch namentlich melden.

Einer von ihnen war Heinz-Jürgen Vogels. Sein Buch "Pflichtzölibat" (1978) argumentierte historisch und biblisch. Muss die Kirche einer Rechtstradition folgen, die sich erst im zwölften Jahrhundert wirklich etablieren konnte? Während des ersten Jahrtausends ihrer Existenz kam die Kirche ohne ein Zölibatsgesetz aus; sie verlangte von den Priestern nicht Ehelosigkeit, sondern Enthaltsamkeit in der Ehe. Priester sollten keine Kinder haben. Lässt schon die Geschichte des Zölibats diese Einrichtung als problematisch erscheinen, so erst recht die genaue Analyse ihrer biblischen Begründung. Diese erwies sich nach der Darstellung von Vogels als äußerst brüchig. Gewiss: Jesus spricht von Ehelosen "um des Himmelreiches willen"; doch indem er mit diesem Wort seine eigene Lebensweise charakterisiert, fordert er diese keineswegs von seinen Anhängern. Nicht alle können ehelos leben. Jesus rechnet zweifellos mit nur wenigen, die es ihm nachtun. Seine unmittelbaren Schüler - vorab Petrus - gehören nicht dazu. So ist es nur konsequent, dass sich das Neue Testament den Gemeindeältesten - den Presbyter - als verheirateten Mann vorstellt (1. Timotheusbrief).

Für Jesus selbst und seine frühen Anhänger gilt Ehelosigkeit als eine persönliche Gabe, mit der Gott nur wenige Menschen ausstattet. Ein Charisma, eine Gottesgabe, lässt sich nach Vogels nicht ohne Sinnentleerung in eine Amtsregel zwängen.

Vogels wünschte sich - wie Fritz Leist - die Aufhebung des Pflichtzölibats. Das Ergebnis wäre ein doppelgestaltiges katholisches Priestertum: Verheiratete Priester würden neben unverheirateten ihren Dienst tun. Eine solche Regelung besteht immer schon in den Ostkirchen, auch in jenen Ostkirchen, die den Vorrang des römischen Bischofs anerkennen und zur katholischen Kirche gehören. Es gibt also verheiratete katholische Priester; sie machen sogar etwa zwanzig Prozent aller Priester aus. Bereits das Zweite Vatikanische Konzil hat dem verheirateten Klerus Respekt gezollt. Der Zölibat, heißt es im "Dekret über Dienst und Leben der Priester" (1965), sei "nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche und die Tradition der Ostkirchen zeigen, wo es neben solchen, die aus gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose Leben erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt".

In seiner Studie aus dem Jahr 1978 war Vogels unschlüssig, wann und wie den Priestern der lateinischen Kirche die Möglichkeit eröffnet werden soll, eine Ehe einzugehen. Ein allzu rasches Handeln von Papst und Bischöfen, meinte er, könnte Unruhe erzeugen, müssten doch viele der älteren, einsam lebenden Geistlichen ihre jüngeren, verheirateten Kollegen beneiden. In der 2013 erschienenen Neuausgabe seiner Zölibatsschrift hat Vogels keine solchen Bedenken mehr. Der Priestermangel, unter dem die Kirche nicht nur in Deutschland leidet, erfordert rasches und entschlossenes Handeln. Auch ist in den letzten Jahren der zölibatäre Klerus durch allerlei Skandale in Verruf geraten.

Nicht nur einfache Priester, auch Bischöfe haben sich gegen priesterliche Keuschheitsregeln vergangen. Die Rede ist von Pädophilie, homosexueller Partnerschaft und eheähnlichen Verhältnissen. Vogels zitiert eine soziologische Studie, der zufolge nur etwa zehn Prozent der Priester tatsächlich dem zölibatären Gesetz entsprechend leben. Nach einer anderen Studie geben 43,1 Prozent der befragten Priester an, sich "gelegentlich" nicht an ihr Keuschheitsgelübde zu halten. Solche Zahlen zeigen die Unhaltbarkeit des Pflichtzölibats.

Kommen wir auf die Utopie von Fritz Leist zurück. Papst Franziskus dürfte der 1968 ausgesprochenen Utopie eines Petrusamtes entsprechen, das auf Triumphalismus und pontifikalen Pomp verzichtet. Die Utopie vom gemischten, teils ehelosen, teils verheirateten Klerus aber ist bis heute nicht verwirklicht. Hans-Jürgen Vogels erinnert an die Kirchenutopie der sechziger und siebziger Jahre. Mit vielen überzeugenden Argumenten trägt er sie wieder vor. Nur zum Schaden von Priestern und Gläubigen werden sich Papst und Bischöfe dem Anliegen verschließen, zu dessen Sprecher sich Vogels macht.

BERNHARD LANG

Heinz-Jürgen Vogels: "Zölibat als Gnade und als Gesetz".

Anton Hiersemann Verlag, Stuttgart 2013. XI, 139 S., br., 39,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Argumente gegen das Pflichtzölibat, die der ehemalige Priester Heinz-Jürgen Vogels in der Neuausgabe seiner erstmals 1978 erschienenen Studie vorträgt, scheinen Bernhard Lang zumeist überzeugend. Der Priestermangel fordert rasches Handeln, wie Lang zu bedenken gibt. Die noch 1978 beim Autor nachzulesende Unschlüssigkeit in Sachen Priesterehe ist laut Rezensent in diesem Band nunmehr nicht mehr zu finden.

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