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Die Entwicklung der Rationalität ist eine Erfolgsgeschichte. Denn die Rationalität war und ist der Motor der abendländischen Kultur und der Grund dafür, dass sie in der Neuzeit allen anderen Weltkulturen machtpolitisch überlegen ist.Zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. formierte sich das logische Denken gleich auf mehreren Feldern: Durch die Erfindung der philosophischen Wissenschaft, die Geometrisierung des Raumes und der Schlachtordnung, die Berechnung der Zeit, durch die Geldwirtschaft und die neuen Organisationsformen des Politischen wurde Rationalität zum Synonym für Fortschritt.…mehr

Produktbeschreibung
Die Entwicklung der Rationalität ist eine Erfolgsgeschichte. Denn die Rationalität war und ist der Motor der abendländischen Kultur und der Grund dafür, dass sie in der Neuzeit allen anderen Weltkulturen machtpolitisch überlegen ist.Zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. formierte sich das logische Denken gleich auf mehreren Feldern: Durch die Erfindung der philosophischen Wissenschaft, die Geometrisierung des Raumes und der Schlachtordnung, die Berechnung der Zeit, durch die Geldwirtschaft und die neuen Organisationsformen des Politischen wurde Rationalität zum Synonym für Fortschritt. Auch die Begriffe Freiheit und Demokratie gehören in diesen Zusammenhang.Silvio Vietta zeichnet diese Erfolgsgeschichte nach, beschreibt aber auch ihre Gefahren und Kurzschlüsse. In der Konsequenz entwickelt er eine 'andere', aisthetisch rückgebundene und reflexive Rationalität, die uns aus den gegenwärtigen Krisen herausführen könnte.
Autorenporträt
Silvio Vietta ist emeritierter Professor für Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Hildesheim.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mehr als ein Lesebuch zum Thema ist nicht herausgekommen bei den Bemühungen des Kulturwissenschaftlers Silvio Vetta. So lautet das Urteil unseres Rezensenten, der dem Autor allerdings durchaus dankbar ist, dass er sich der Geschichte der Rationalität überhaupt angenommen hat. Das Thema ist heiß, da hat Ralf Konersmann keinen Zweifel. Nur scheint ihm die Kulturwissenschaft nicht geeignet, Entstehung und Entwicklung der Rationalität nachzuzeichnen und eine Kritik zu formulieren. Was Konersmann liest, klingt moralisierend, nicht sachlich. Und ein handfestes Konzept sucht er vergebens. Überraschungen und Interessantes aber genügen dem Rezensenten nicht. Auf eine Arbeit zum Thema, die Aktualisierungen nicht scheut und auch begrifflich stichfest ist, muss er wohl noch warten.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2012

Höchste Zeit, mal wieder Max Weber zu lesen
Vom Abendland zur Globalisierung: Silvio Vietta wagt eine Weltgeschichte der Rationalität
Zahl, Geld, Zeit, Raum – es scheint, als würden die tragenden Säulen der westlichen Kultur auf einem einzigen gemeinsamen Prinzip aufruhen: dem Prinzip der Rationalität. Die Rationalität unterwirft alle Lebensbereiche ein und derselben Ordnung, macht die Welt beobachtbar, messbar, berechenbar, verfügbar. Was wir derzeit in der Wirtschaft, in den Medien, in den Systemen der Bildung, der Gesundheit oder der Verwaltung erleben, hat seine Voraussetzung in diesem Prinzip. Wer über Globalisierung spricht, darf von der Rationalität nicht schweigen.
Die Frage drängt sich auf, wie dieser Siegeszug möglich war. Was ist die Rationalität und woher ist sie gekommen? Auf welchen Wegen, mit welchen Mitteln setzte sie sich durch? Was sind ihre Kennzeichen, ihre Spielräume, und vor allem: Was sind ihre Verheißungen? Was ist, während sie sich durchsetzte, unterwegs auf der Strecke geblieben? Was haben wir gewonnen, was verloren?
Was für Fragen, was für ein Thema! Der in Hildesheim lehrende Kulturwissenschaftler Silvio Vietta hat sich jetzt mutig an eine ganze Weltgeschichte der Rationalität herangewagt. Sein Buch will die Umstände der Entstehung verdeutlichen und ebenso die Hauptlinien der Entwicklung. Vietta spricht von einem „Imperium der Rationalität“, das allerdings im Augenblick seines globalen Triumphes über sein Ziel hinausgeschossen sei. So verwandelt sich die „Geschichte“ in eine „Kritik“ der Rationalität, die mit Reformvorschlägen schließt. Die Rationalität soll reflexiv werden, soll ihre Grenzen bedenken und endlich die alte, mit Beginn der westlichen Zivilisationsentwicklung eingetretene „Abspaltung“ von den Ausdruckswelten der Sinnlichkeit überwinden. Vietta fordert eine Läuterung der Rationalität im Namen der Aisthesis.
So weit, so gut. Die hehren Absichten sind unverkennbar, und wer würde nicht zustimmen, wenn Vietta die lange Reihe der Ausschließungen beklagt, die ein „schmalbrüstiger“, ohne Augenmaß agierender Rationalismus leichtfertig in Kauf genommen habe? Dennoch – man wird nicht recht froh mit diesem Buch. Es moralisiert, wo es zur Sache sprechen sollte, und konzeptionell ist es, um das Mindeste zu sagen, unterbestimmt.
Im Grunde hängen beide Mängel zusammen. Sie treten schon in der methodologischen Grundthese zutage, wonach nicht die Menschen die Geschichte machen, sondern die Rationalität. Vietta geht damit hinter Marx und Feuerbach zurück, um folgerichtig bei Hegel zu landen. Seine „Rationalität“ ist die Wiedergängerin von Hegels „Geist“. Wo aber Hegel sein geschichtsphilosophisches Tableau entrollte, um die zielstrebige Dynamik des sich entfaltenden Geistes in all seinen Gestalten und Bezügen aufzuzeigen, da springt bei Vietta die „Kulturgeschichte“ ein – eine Darstellungsform, deren methodologische Defizite sich einmal mehr bestätigen. Kulturgeschichten sind Wundertüten, in denen sich allerlei Interessantes, zuweilen sogar Überraschendes findet, die aber als reine Zurschaustellungen niemals auf den Punkt kommen. Nicht trotz, sondern wegen ihres Hangs zur Opulenz hat Friedrich Schlegel die Gattung einst „dürftig“ genannt, und die vorliegende Kulturgeschichte ist kein Anlass, an der Gültigkeit dieses Urteils zu zweifeln.
Ähnlich steht es um den Titelbegriff selbst, um die Rationalität. Der Autor versucht sich gleich anfangs an einer Definition, die ihm unter der Hand zu einem Abstract des ganzen Buches heranwächst. Entsprechend fahrig ist dann der weitere Begriffsgebrauch. Mal ist Rationalität logisch, mal analytisch; oder sie ist Metaphysik, aber auch Technik; oder sie ist Verstand und gleichzeitig Vernunft. Das begriffliche Passepartout bietet Möglichkeiten in Fülle, aber kaum jemals belastbare Aussagen. In der Regel gipfelt es in einem schalen Einerseits-Andererseits: Einerseits droht Rationalität in Irrationalität umzuschlagen, andererseits darf sie nicht aufgegeben werden. Einerseits operiert sie ohne Rücksicht auf Freiheit und Demokratie, andererseits hängt sie irgendwie mit ihnen zusammen . . . Um auf derart unsicherem Gelände nicht die Orientierung zu verlieren, hält Vietta ständig Rücksprache mit der tagesaktuellen Leitwissenschaft. Das hört sich dann so an: „Funktionen des linken Partiallappens und des Frontallappens des menschlichen Gehirns dominieren die anderen Gehirnfunktionen und damit eine ganze Kultur und drücken ihr ihren Stempel auf.“
Silvio Vietta hat eine Art Lesebuch geschrieben, das einige wichtige Aspekte des Themas benennt und zusammenträgt. Eine zeitgemäße, die Mühen der Aktualisierung auf sich nehmende Geschichte der Rationalität verlangt jedoch nach feinerem Besteck. Höchste Zeit, wieder einmal Max Weber zu lesen.
RALF KONERSMANN
SILVIO VIETTA: Rationalität. Eine Weltgeschichte. Europäische Kulturgeschichte und Globalisierung. Wilhelm Fink Verlag, München 2012. 412 S., 39,90 Euro.
Forscher haben herausgefunden:
Die westliche Rationalität ist
einerseits gut, andererseits schlecht
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