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Geld, Besitz, Tausch- und Gaben-Ökonomien sind insistente Motive gerade auch in modernistischen Romanen. Dies wird in der detaillierten Diskursanalyse zu fünf Klassikern der Moderne gezeigt. Erstmals unternommen wurde eine umfangreiche Inventur vorliegender Untersuchungen aus dem Forschungsfeld literarischer Ökonomie. Literatursoziologische Arbeiten und strukturalistische Studien der 70er Jahre, die versuchten, Strukturhomologien von Sprache und Ökonomie aufzuzeigen, werden dabei kritisch diskutiert und zugunsten neuer Leitbegriffe verabschiedet. Die Romaninterpretationen gehen in 3 Schritten…mehr

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Produktbeschreibung
Geld, Besitz, Tausch- und Gaben-Ökonomien sind insistente Motive gerade auch in modernistischen Romanen. Dies wird in der detaillierten Diskursanalyse zu fünf Klassikern der Moderne gezeigt. Erstmals unternommen wurde eine umfangreiche Inventur vorliegender Untersuchungen aus dem Forschungsfeld literarischer Ökonomie. Literatursoziologische Arbeiten und strukturalistische Studien der 70er Jahre, die versuchten, Strukturhomologien von Sprache und Ökonomie aufzuzeigen, werden dabei kritisch diskutiert und zugunsten neuer Leitbegriffe verabschiedet. Die Romaninterpretationen gehen in 3 Schritten vor: von den erzählten ökonomischen Akten von Kaufen und Verkaufen, von Arbeiten und Begehren geht es zu den Liebesbeziehungen, die in ökonomistischen Semantiken vorgeführt werden, um bei den literaturtheoretisch interessantesten Fragen der Kreditprobleme und der Zeichendeckung zu enden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2004

Reise ans Ende der Kreditlinie
Grenznützlich: Bernd Blaschke sucht die Ökonomie der Literatur

David Hansemann, preußischer Finanzminister in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, hat den Satz geprägt: "Bei Geld hört der Spaß auf." Er war ein homo oeconomicus, wie ihn die Geschichtsbücher nur je gekannt haben. Bei Bernd Blaschke aber fängt der Spaß bei Geld erst richtig an. Der Berliner Literaturwissenschaftler hat sich fünf Romane vorgenommen, um an ihnen "ökonomistische" Prägungen nachzuweisen. Darunter versteht Blaschke "ein Bewußtsein oder einen Diskurs, die durch starke Fixierungen auf Figuren des Ökonomischen so exzessiv (also unökonomisch), so zentral und total um die Ökonomie kreisen, daß die Ökonomie zum ,Ismus' gesteigert wird". Man merkt, hier arbeitet einer fleißig am Begriff, ohne noch richtig deutlich zu werden. Doch wir sind ja auch erst in der Einleitung einer an der FU Berlin entstandenen Dissertation, und da kann der deutschen akademischen Tradition zufolge meist nicht erwartet werden, daß ein Autor bereits deutlich wird.

Also wenden wir uns den fünf ausgewählten Romanen zu, die Blaschke allesamt dem Modernismus zuordnet. Analysiert werden "Niebla" von Miguel de Unamuno (als "Nebel" ins Deutsche übersetzt, aber zur Zeit vergriffen), "Ulysses" von James Joyce, "Zenos Gewissen" (oder in älterer deutscher Übersetzung "Zeno Cosini") von Italo Svevo, Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" und Célines "Reise ans Ende der Nacht". Fünf verschiedene Autoren aus fünf Sprachen also, und allen ist laut Blaschke gemein, daß das "tausch- und (eigen-)nutzenorientierte Wirtschaftsdenken in den Figuren-Bewußtseinen und Figuren-Reden" verkörpert ist. Deshalb trägt sein Buch den homo oeconomicus bereits im Titel, und Blaschke stellt überdies fest: "Statt Kritik an den Zwängen und Ermöglichungsbedingungen der herrschenden Wirtschaftsverhältnisse fand ich bei den genauen Lektüren eine Inszenierung ihrer Paradoxien im Gestus einverstandener Komik." Man merkt, da hat einer ein gegen die gängige Erwartung gerichtetes Ergebnis formuliert, ohne dabei richtig originell zu wirken. Aber wir sind ja auch schon im Schlußteil der Dissertation, und da kann der deutschen akademischen Tradition zufolge meist nicht erwartet werden, daß ein Autor noch originell sein will.

Also schnell zurück, aber vorher doch noch dies zu Blaschkes Fazit: Komik ist in der Literaturwissenschaft eine denkbar kleine Münze, denn welchem Buch ist in den letzten Jahren nicht nachgesagt worden, daß es eigentlich urkomisch sei? Diese Behauptung kann somit nicht überraschen. Interessant ist dagegen der Verweis auf fehlende Ökonomiekritik (oder Ökonomismuskritik, wie es in Blaschkes Terminologie wohl heißen müßte). Hier hat der Autor wirklich seinen Punkt - und seinen Spaß: Die Zahl der Seitenhiebe in den Fußnoten auf Interpreten, die Literatur allein unter dogmatisch-materialistischen Gesichtspunkten analysiert haben, ist Legion, und Blaschke tut gut daran, statt des billig-populären Widerständigen auch einmal das Wirtschaftsaffirmative großer Schriftsteller in den Fokus zu nehmen. Allerdings ist die von ihm behauptete Apologie des Ökonomisch-Neoklassischen heikel, denn eines darf denn noch nicht ganz aus dem Blick geraten: Als modernistische Romane verfaßt wurden, also zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg, war der Marxismus auf der Höhe seines intellektuellen Einflusses, während die Neoklassik noch nicht einmal konzipiert war. Blaschke liest seine fünf Gewährsmänner aus der Perspektive von heute, was, komparatistisch betrachtet, allemal zulässig ist, aber immer dann fragwürdig wird, wenn dann doch biographische Elemente Eingang in die Argumentation finden.

Das ist vor allem bei Musil der Fall. Ist es ohnehin schon zweifelhaft, ob "Der Mann ohne Eigenschaften" in der von Adolf Frisé edierten Form als geschlossenes Werk gelten darf, so konzentriert sich Blaschke zudem in seiner Ökonomismus-Suche überwiegend auf die von Frisé ergänzten Nachlaßfragmente und -entwürfe. Sie entspringen Musils eigenen Ansichten zur Ökonomie, aber niemand weiß, ob sie jemals in das Buch Aufnahme gefunden hätten, wenn Musil eine längere Lebensspanne beschieden gewesen wäre. So hat man gerade in diesem zentralen Kapitel, das wie der Nukleus von Blaschkes Überlegungen daherkommt, den Eindruck, daß hier im Kontext der Dissertation komparatistisch falschgespielt wird.

Daß Blaschke nicht weiß, woher Musil seine Formulierung "Wissen Sie, das Geld hat seine eigene Vernunft, damit läßt sich nicht spaßen!" hat (eben von Hansemann), ist schade, denn hier winkt ihm historisch-ökonomischer Beistand. Das Musil-Zitat nämlich stammt auch aus einem Nachlaßentwurf und ist Bankdirektor Helmut Fischel in den Mund gelegt, den Blaschke zur wahrhaft positiven Figur im "Mann ohne Eigenschaften" uminterpretiert. Fischel aber kann - vor allem in seinem Ehrgeiz, aber bis in biographische Parallelen - als Wiedergänger Hansemanns gelesen werden. Wer weiß, fragt Blaschke, was aus dieser Figur noch geworden wäre? Und er deutet die Möglichkeit an, daß Fischels Börsenerfolg auch in der Katastrophe hätte enden können. Damit wäre seine Deutung des Musil-Komplexes hinfällig. Die Hansemann-Parallele aber würde diese Gefahr hinfällig machen.

Und man gönnt diesem Buch, daß es recht hat, denn es ist zum Großteil so lebendig und so meinungsfreudig geschrieben, daß es überhaupt nicht der deutschen akademischen Tradition entspricht. Hier wird kein Wissenschaftsjargon gepflegt, der die Lektüre inkommensurabel machte, die Thesen werden aus den Quellen belegt und nicht aus der Sekundärliteratur, und selbst die intensive Derrida-Rezeption Blaschkes hat nur dort Spuren hinterlassen, wo plötzlich reichlich unmotiviert vom "Falschgeld" die Rede ist. Daß dann im Schlußteil plötzlich in Anspruch genommen wird, daß die "zeichentheoretisch interessanten Figurationen des Geldes" erläutert worden seien, muß man wohl wissenschaftlichem Übereifer nachsehen: Zu Schecks oder Wechseln, die explizit zu diesen Geldformen gezählt werden, finden sich auf den vierhundert Seiten jeweils nur zwei oder drei Sätze.

Wichtig ist Blaschke vielmehr der Begriff des Kredits. Dabei, aber auch nur hier, trägt ihn seine wortgewaltige Disziplin mit sich fort, und er wählt den Begriff der "Akkreditierung" als zentrale Kategorie seiner Interpretation. Der aber erweist sich als nichts anderes als ein Synonym für Anerkennung, und die etymologische Verwandtschaft zum Kredit hilft nicht darüber hinweg, daß "Akkreditierung" ein in der Wirtschaftstheorie wie -praxis vollkommen ungebräuchlicher Begriff ist.

Dieser Mißgriff zeigt das Manko von Blaschkes Studie, auch wenn er es nicht wahrhaben will: Mit theoretischer Ökonomie hat er sich nicht ausreichend befaßt. Ob da in seinem Buch die Behauptung steht, die Grenznutzenlehre sei 1871 entwickelt worden (was den Stand der Forschung der sechziger Jahre wiedergibt, als man Hermann Heinrich Gossen, der diesen Gedanken schon Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entwickelte, gründlich vergessen hatte), oder ob bei Ausführungen zu "bio-ökonomistischen Phantasien" die Physiokraten einfach unterschlagen werden - hier fehlt es am Grundlegenden. Aber Blaschke hat ja auch nicht den Anspruch, die Ökonomie zu bereichern, sondern die Literaturwissenschaft.

Das mag das falsche Ziel sein, wenn man derart auf Originalität bedacht ist. Blaschke gelingt es jedoch, seine These vom lustigen Ökonomismus durch die eigene Darstellungsform zu illustrieren. Kaum noch übersehbar sind die Verweise auf eigene Zukunftsprojekte, die sich aus dem Kontext der Dissertation ergeben sollen und für deren zukünftige Publikation der Autor hier schon kräftig trommelt. Und bewundernswert ehrlich ist die private Kalkulation des akademischen Grenznutzens seiner Arbeit: "Es gibt im großen Angebot an Studien zum modernistischen Roman noch keine solche Untersuchung, sie scheint mir den vielen vorliegenden soziologistischen, psychologistischen oder gattungs- und formal-ästhetischen Studien hinreichend unähnlich, um eine Marktnische zu besetzen." Das ist fürs erste fulminant gelungen. Mögen andere Bernd Blaschke dabei rasch folgen, denn noch muß der Grenznutzen nicht zwangsläufig abnehmen.

ANDREAS PLATTHAUS

Bernd Blaschke: "Der homo oeconomicus und sein Kredit bei Musil, Joyce, Svevo, Unamuno und Céline". Wilhelm Fink Verlag, München 2004. 412 S., br., 52,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Laut Eigenwerbung sei es Bernd Blaschke mit seinem Buch "Der homo oeconomicus und sein Kredit bei Musil, Joyce, Svevo, Unamuno und Celine" gut ökonomistisch darum gegangen, "eine Marktnische zu besetzen". Und das sei "fürs erste fulminant gelungen", befindet Andreas Platthaus. Das Gelingen sei der Dissertation zu gönnen, denn sie sei "zum Großteil so lebendig und so meinungsfreudig geschrieben, dass es überhaupt nicht der deutschen akademischen Tradition entspricht". Blaschke will an fünf Romanen der Moderne (Musils "Mann ohne Eigenschaften", Joyces "Ulysses", Celines "Reise ans Ende der Nacht", Italo Svevos "Zeno Cosini" und Miguel de Unamunos "Nebel") "ökonomistische Prägungen" nachweisen. "Tausch- und (eigen-)nutzenorientiertes Wirtschaftsdenken" sei in diesen Werken in zentralen "Figuren-Bewusstseinen und Figuren-Reden" verkörpert. "Interessant" findet der Rezensent diesen "Verweis auf fehlende Ökonomiekritik (oder Ökonomismuskritik, wie es in Blaschkes Terminologie wohl heißen müsste)". Als großes Manko der Arbeit nennt er, dass der Berliner Literaturwissenschaftler sich mit theoretischer Ökonomie "nicht ausreichend befasst" habe. Hier fehle es "am Grundlegenden". Trotzdem bleibe unbestreitbar das Verdienst, "statt des billig-populären Widerständigen auch einmal das Wirtschaftsaffirmative großer Schriftsteller in den Fokus zu nehmen". Auch wenn es "heikel" sei, dass der Autor "seine fünf Gewährsmänner" aus der heutigen Perspektive betrachte, dann aber "doch biografische Elemente" ins Spiel bringe.

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