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Produktdetails
  • Verlag: DuMont Kalenderverlag
  • Neuaufl.
  • Seitenzahl: 360
  • Abmessung: 335mm
  • Gewicht: 2190g
  • ISBN-13: 9783770153282
  • ISBN-10: 3770153286
  • Artikelnr.: 08623194
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2000

Das Geheimnis meiner Kreationen
Die Seiten in Dieter Müllers Buch sind sowenig leer wie seine Teller

Bücher mit Rezepturen der besten Köche der Welt sind erstaunlich selten, trotz bisweilen strammer Verkaufszahlen (Robuchon, Loiseau, Ducasse, Roellinger) und ungeachtet der Tatsache, daß sich die ephemere Kochkunst nur so - wenn auch bedingt - der Nachwelt überliefern läßt. Die Rede ist natürlich von repräsentativen Rezepten, nicht von den oft schwächlichen Versuchen, als populärer Koch dem Volk das Convenience-Food wegzukochen, es ein Malen nach Zahlen zu lehren. Wirklich auffällig war in jüngster Zeit nur ein Buch von Jacques und Laurent Pourcel ("Cuisine en Duo", Hachette). Nun legt Drei-Sterne-Koch Dieter Müller nach 1988 ("Das Dieter Müller Kochbuch", Heyne) und 1990 ("Dieter Müller's Neue Küche", Edition Gaggenau) ein neues Werk vor, mit vollem Recht seine Entwicklung im Schloßhotel Lerbach seit 1992 dokumentierend. Es ist ein gewichtiges Buch in Inhalt und Umfang. Man wird an Steinbergs New-York-Poster (New York und der Rest der Welt) erinnert: Es wäre möglich, nur dieses eine Kochbuch zu besitzen, weiter würde man nicht mehr kommen wollen.

Nun wird aber die Veröffentlichung von Rezepturen der großen Köche von jeher begleitet von der - sehr laienhaften - Mutmaßung, ob es sich denn wirklich um die Rezepturen zu dem handelt, was man auch im Restaurant bekommt. Die eklatante Differenz zwischen häuslichem oder normalgastronomischem Kochen und dem meisterlichen Teller unterstellt Unterschlagung von geheimnisvollen Zutaten und Techniken, die - dem einfachen Volk vorenthalten - dem Berufsstand das Überleben sichern. Dem ist nicht so. Wie in vielen Dingen ist die Erklärung einfach, die Sache dadurch aber nicht leichter.

Müller kann seine "Geheimnisse" unbesorgt preisgeben: In der Regel wären viele willige Adepten schon mit der Produktbeschaffung überfordert. Diese dann noch punktgenau (an vielen Stellen der Rezepte eine Zeitfrage) einzusetzen wird auch den talentierten Hobbykoch überfordern. Es bleibt der - allerdings zahlenmäßig stets größer werdende - Kreis der semiprofessionell arbeitenden Privatköche, die sich ebenso rigoros wie Spitzenrestaurants das Material von mittlerweile über ganz Deutschland verteilten Distributeuren ins Haus liefern lassen. Aber Sinn eines solchen Buches ist nicht die exakte Reproduktion, Sinn ist das Studium der Kochtechnik eines großen Meisters der Zunft.

Wenn beim Erarbeiten von Elementen oder auch eines ganzen Rezeptes ein schöner Teller entsteht, und das geht dank der klaren Struktur in Aufbau und Erklärung gut, mag man froh sein. Dieter Müller hat man damit nicht nachgekocht. Der Grund ist ein "Lesefehler", wie es die empirischen Sozialwissenschaften nennen würden. Der erste Teil der nicht zu behebenden Unschärfe ist die Geschmacksvorstellung des Meisters, die Entscheidung, wann und wie etwas in seinem Sinne ist. Der zweite ist die Zutatenfrage. Butter einrühren: welche? Der Unterschied zwischen ehemals tiefgekühlter "deutscher Markenbutter" und ungesalzener Rohmilchbutter aus der Normandie ist fundamental.

In den Zutatenlisten finden sich oft etliche solcher kritikablen Punkte, sie können sich in der Summe zu einem völlig anderen geschmacklichen Bild verdichten. Theoretisch ließe sich diese Unschärfe von Müller beheben, es wäre aber auch mit einer exakten Produktliste nicht alles erklärt (wenn auch manches) und die Reproduktion dann wohl vollends unmöglich. Man muß also ein solches Buch zu nehmen wissen.

Was dann entsteht, ist neben der umfangreichen Dokumentation von Müllers Kochkunst vor allem eine grandiose Kochschule, die sich dankenswerterweise, von einigen kindlichen Elementen in den Produktbeschreibungen abgesehen, nicht als solche gebärdet. Müller entblättert den ganzen Kanon von Haut-Cuisine-Kochtechniken, präzise und knapp erklärt, man merkt seine Erfahrung als Leiter von Kochkursen. Geboten werden Hunderte von Einzelzubereitungen in etwa neunzig kompletten Gerichten inklusive meist doppelseitiger Fotos (darunter ein Beispiel für sein famoses Amuse-bouche-Menü in neunzehn Zubereitungen) plus neunzehn Petit Fours und fünfzig bis siebzig (je nach Zählweise) Grundzubereitungen wie Fonds, Pürees oder Saucen, dazu Produkthinweise und Kochtips.

Es wird deutlich, welch großer Aufwand und welche Maîtrise hinter Müllers Komposition steckten. Er ist nicht ein Freund der minimalistischen Geste oder des prätentiösen Gehabes, er ist ein Freund der Fülle, dies aber in aller Feinheit und Welten von manch jovial-lauten Schlemmern entfernt. Er muß den Grad von Fanatismus haben, der einst auch den aktiven Witzigmann auszeichnete und den wir - soll es auch nur annähernd zu den möglichen Entwicklungen der Hochküche kommen - dringend dem Nachwuchs wünschen.

Im Detail erfreut man sich zunächst an der Nachanalyse schon gegessener Gerichte und wundert sich nicht mehr über den kaum zu analysierenden Geschmack seiner Curry-Zitronengras-Creme (enthält diverse Früchte) und seine schaumigen Sahnesaucen (etwa geschlagene Sahne im letzten Moment). Es wird viel verpackt und zu Terrinen verarbeitet, jedes Element einer meist beträchtlichen gesonderten Behandlung unterzogen und zu staunenswert komplexen Gebilden zusammengefaßt. Man merkt, daß die zu Beginn kurz dargestellten Crostinis nicht seine Sache sind, Müllers Herz gehört der großen Oper, groß, rund und harmonisch. Er bleibt dabei klar auf der Linie der klassischen französischen Küche (und speziell mit enormen Kompositionen auch der französischen Patisserie), benutzt fast alle möglichen Aromen, meidet aber auffällig "Novelties", wie man in Giftshops englischer Seebäder die neuesten Nippes nennt. So spielt dann auch weder die Mittelmeerküche noch die fern- oder nahöstliche, noch die Fusion-Küche eine besondere Rolle. Müller hat seinen Stil, was dazu paßt, darf eine Rolle spielen.

Ein adäquates, in gastronomischen Themen routinierteres Lektorat hätte den Wissensfundus des Meisters bei Produktinformationen und Kochtips sicherlich noch stärker bemüht. Auch technisch sollte man sich in den Leser etwas besser hineindenken. Daß man ihn mit "zirka 2 Minuten" - Bratzeit für eine Foie-gras-Scheibe - ohne weitere Erläuterung allein lassen kann, darf bezweifelt werden. Auch ein paar Ofengarzeiten beziehungsweise Temperaturen fehlen, und der zeitliche Ablauf der Herstellung hätte sich besser strukturieren lassen.

Zwei Dinge stören in diesem Buch, beide sind vermutlich Dieter Müller nicht anzulasten. Zuerst die grafische Gestaltung. Sie ist von der Art, die andere Designer gut finden, die das Publikum aber ratlos macht. Zum anderen - man gestatte den assoziativen doppelten Rittberger - die Umkehrung von Erasmus' "Stultitiae laus" in "Die Torheit des Lobes". Auf Umschlag, Klappentext und im stramm dimensionierten Vorwort wird so umfangreich und final gelobt, daß man zur Verstimmung neigt. Dabei ist es ganz einfach: Dieter Müller hat das beste Kochbuch in Deutschland seit Jahren vorgelegt, und auch international steht er mit dieser Leistung im Kreis der Großen.

JÜRGEN DOLLASE

Dieter Müller: "Geheimnisse aus meiner Drei-Sterne-Küche". Zusammengestellt von Thomas Ruhl. DuMont-Verlag, Köln 2000. 360 S., Abb., geb., 98,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Das beste Kochbuch in Deutschland seit Jahren", schwärmt Jürgen Dollase, der den Band auch international in die erste Reihe stellt. Müller scheue sich nicht, einige seiner Geheimnisse preiszugeben. Dass aber dennoch nicht jeder Laie auch gleich so gut kochen kann wie Müller selbst, liegt nach Ansicht des Rezensenten vor allem an zwei Dingen: erstens verfüge nicht jeder Mensch über die gleiche "Geschmacksvorstellung" wie der Autor. Zum zweiten dürfte so mancher Leser an der Beschaffung der Produkte scheitern. Aber nach Ansicht des Rezensenten liegt der Sinn des Buchs auch nicht unbedingt in der exakten Nachahmung der Rezepte, sondern vielmehr im "Studium der Kochtechnik". Die Erklärungen findet Dollase kurz und verständlich, er lobt die große Zahl der Rezepte und weist darauf hin, dass es sich bei Müller weder um einen Minimalisten noch um einen "jovial-lauten Schlemmer" handelt. Kritik äußert der Rezensent über bisweilen fehlende Garzeiten und Temperaturen, über die Aufmachung des Bandes, die seiner Meinung nach eher Designer anspricht als die kochwillige Leserschaft und auch das stetige Müller-Lob in Vorwort, Umschlag und Klappentext erscheint dem Rezensenten etwas penetrant.

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