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Machtloser Spielball zwischen Parlament, Regierung und Parteien? Auf breiter empirischer Basis untersucht Julia Hefty die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs und ihre Entwicklung von ihrer Einführung in der Großen Koalition 1967 bis in die Gegenwart
Die Einführung der Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs blieb die einzige wesentliche strukturelle Änderung am parlamentarischen Regierungssystem seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Als vorweggenommenes Teilstück einer umfassenden Reform der Regierungsorganisation - deren Rest nie folgte - wurde die Schaffung…mehr

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Produktbeschreibung
Machtloser Spielball zwischen Parlament, Regierung und Parteien? Auf breiter empirischer Basis untersucht Julia Hefty die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs und ihre Entwicklung von ihrer Einführung in der Großen Koalition 1967 bis in die Gegenwart
Die Einführung der Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs blieb die einzige wesentliche strukturelle Änderung am parlamentarischen Regierungssystem seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Als vorweggenommenes Teilstück einer umfassenden Reform der Regierungsorganisation - deren Rest nie folgte - wurde die Schaffung des Amtes im Jahre 1967 mit klaren Zielen verknüpft: der Entlastung der Minister, der Erprobung von Ministernachwuchs, der Entpolitisierung der beamteten Staatssekretäre und der Verbesserung der Verbindung von Regierung und Parlament. Die Institution nahm aber ihre eigene, allein von der politischen Praxis bestimmte Entwicklung. Nicht umsonst ist dieses Amt wohl dasjenige in der Bundesrepublik, das unter ständigem Rechtfertigungsdruck steht und von verschiedenen Seiten immer wieder für überflüssig erklärt wird. Dennoch war es in seiner Existenz niemals wirklich gefährdet. Weil die gesetzlichen Vorgaben für die Auswahl der Amtsinhaber ebenso wie die Amtsinhalte minimal blieben, entstanden maximale Freiräume für die Ausgestaltung dieses Amts. An der Schnittstelle zwischen Parlament, Regierung und Parteien ist das Amt - bisweilen Endstufe auf der Karriereleiter bundespolitischer Elite - zu einem Spielball der Ämterpatronage geworden. Auf breiter empirischer Basis untersucht Julia Hefty die Institution und ihre Entwicklung von ihrer Einführung in der Großen Koalition 1967 bis in die Gegenwart.
Autorenporträt
Julia Hefty, geb. 1974 in München, Dr. phil, Studium der Politikwissenschaften, der Mittleren und Neueren Geschichte und des Öffentlichen Rechts an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2005

Vage Aufgaben, große Zukunft
Parlamentarische Staatssekretäre und ihr Selbstverständnis

Julia Hefty: Die Parlamentarischen Staatssekretäre im Bund. Eine Entwicklungsgeschichte seit 1967. Droste Verlag, Düsseldorf 2005. 320 Seiten, 49,80 [Euro].

Regieren ist im Zeitverlauf immer komplexer und zeitaufwendiger geworden. Die Regierungspraxis reagierte darauf mit der Schaffung neuer Institutionen. Das Regieren mit außerparlamentarischen Kommissionen ist nur eine Antwort auf den Versuch, neuartige Problemstrukturen mit traditionellen Entscheidungsstrukturen in Übereinstimmung zu bringen. Personalisierte Strategien steckten hingegen in der Etablierung von sogenannten Parlamentarischen Staatssekretären, die seit 1967 von jeder Bundesregierung mit wachsender Beliebtheit genutzt wurden.

Nach britischem Vorbild sollte der Parlamentarische Staatssekretär im rechtlichen Sinne nicht Mitglied der Regierung sein, allerdings im politischen Sinne. Als Vertreter und Gehilfe eines Bundesministers oder des Bundeskanzlers sollte er agieren. Welche Aufgaben er konkret erhält, kann der jeweilige Bundesminister selbst festlegen. Er vertritt in der Regel den jeweilig zugeordneten Minister im Plenum des Bundestages und in den Ausschüssen. In der Hierarchie eines Ministeriums ist er unmittelbar nach dem Minister angesiedelt, was aber nichts über den machtpolitischen Einfluß aussagt. In der Gründungsphase gehörte es zum Selbstverständnis, daß hierdurch auch der Ministernachwuchs getestet werden konnte.

Julia Hefty hat eine erste umfassende Bestandsaufnahme dieser Institution vorgelegt. Detailliert kann sich der Leser mit der Entwicklungsgeschichte des Amtes vertraut machen. Wer die rechtlichen Grundlagen, die politische Praxis oder die zeitgeschichtliche Resonanz erkunden möchte, findet reichhaltiges Anschauungsmaterial. Der besondere Gewinn liegt jedoch im empirischen Gehalt. Von den Parlamentarischen Staatssekretären haben immerhin über fünfzig Prozent auf den Fragebogen der Autorin geantwortet. So können präzise die Karriereverläufe untersucht und dokumentiert werden. Ergänzende Interviews verdichteten die Analyse, so daß am Ende ein farbiges Porträt der Amtsinhaber im Hinblick auf das eigene politische Selbstverständnis herauskommt.

Die Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs folgt überhaupt keinem festgelegten Aufgabenprofil. Als vorweggenommenes Teilstück einer umfassenden Reform der Regierungsorganisation - deren Rest nie folgte - wurde die Einführung zwar mit klaren Zielen verbunden, nicht jedoch mit einer inhaltlichen Beschreibung. Kein Amt wurde so häufig von der jeweiligen Opposition als völlig überflüssig gegeißelt, und es war dennoch seit seiner Existenz nie wirklich gefährdet. Auch die Regierung Schröder sprach sich noch im Sommer 1998 dafür aus, weniger Parlamentarische Staatssekretäre zu beschäftigen. Es kam nach dem Regierungswechsel ganz anders. Im Koalitionsvertrag von 1998 wurde festgehalten, daß die Regierungsmitglieder sich ihre Parlamentarischen Staatssekretäre aussuchen durften. Das hing sowohl mit den existenten Spannungslinien zwischen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zusammen als auch mit dem Neustart von zwei Parteien, die sich auf Bundesebene noch nicht vertrauensvoll als Koalitionspartner schätzten.

Hat sich die einzige wesentliche strukturelle Änderung des parlamentarischen Systems bewährt? Ist ein effizienteres Regieren durch die Parlamentarischen Staatssekretäre möglich? Die Befragung durch Julia Hefty ergab ein kritisches Bild. Keines der vier Ziele des Amtes kann übereinstimmend als erreicht eingestuft werden: die Entlastung der Minister, die Erprobung von Ministernachwuchs, die Entpolitisierung der beamteten Staatssekretäre oder die Verbesserung der Verbindung zwischen Regierung und Parlament. Nur 12,7 Prozent der Auskunftgebenden betrachten sich in erster Linie als Parlamentarier, weitere 30 Prozent zu gleichen Teilen als Mitglied der Regierung und als Parlamentarier. Der Rest gab an, sich vor allem als Mitglied der Regierung zu fühlen.

Das inoffizielle fünfte politische Ziel, nämlich die Vergrößerung des Patronagepotentials bei der Regierungsbildung, ist das einzige, das über die Jahrzehnte hinweg von allen Befragten als positiv eingeschätzt wird. Mit Sicherheit konnte auch der Politisierung der beamteten Staatssekretäre nicht mit dieser Institution entgegengewirkt werden. Erneut zeigt sich, wie langlebig Institutionen sind. Vage beschrieben, funktional offen angelegt, dem Zugriffsrecht des Kanzlers und der Bundesminister zugeordnet, war dieser Einrichtung von Parlamentarischen Staatssekretären von Beginn an eine große Zukunft sicher. Denn Regierungsbildungen sind Gesamtkunstwerke, die machtpolitisch austariert sind. Sie spiegeln die Machtprofile zum Start einer Regierung anschaulich wider. Parlamentarische Staatssekretäre sind zum Ausbalancieren der Macht unverzichtbar.

KARL-RUDOLF KORTE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aufschlussreich findet Karl-Rudolf Korte dieses Buch über Parlamentarische Staatssekretäre im Bund, das er als "erste umfassende Bestandsaufnahme dieser Institution" würdigt. Julia Hefty schildere detailliert die Entwicklungsgeschichte des 1967 geschaffenen Amtes. Korte lobt das "reichhaltige Anschauungsmaterial" über rechtliche Grundlagen, die politische Praxis und die zeitgeschichtliche Resonanz, das die Autorin ausbreitet. Den "besonderen Gewinn" des Bandes sieht er in dessen empirischen Gehalt. Wie er berichtet, haben über fünfzig Prozent von den Parlamentarischen Staatssekretären auf den Fragebogen der Autorin geantwortet, wodurch eine präzise Untersuchung und Dokumentation der Karriereverläufe ermöglicht wurde. Die Analyse werde durch ergänzende Interviews verdichtet, hebt der Rezensent hervor, so dass am Ende ein "farbiges Porträt der Amtsinhaber im Hinblick auf das eigene politische Selbstverständnis" herauskomme.

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