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Eine Gesamtdarstellung des Musiktheaters Leonard Bernsteins, die neue Hör- und Denkanstöße bietet.Andreas Jaensch legt mit diesem Buch erstmals eine umfassende Darstellung aller Musiktheaterwerke Leonard Bernsteins (1918-1990) vor. Neben den beliebten Musicals "West Side Story" und "Candide" werden hier die frühen Musical Comedies "On the Town" und "Wonderful Town", die eigentümliche "Mass", "1600 Pennsylvania Avenue" sowie die beiden Opern "Trouble in Tahiti" und "A Quiet Place" eingehend dargestellt und dem Bernstein-Freund näher gebracht. Außerdem bietet Jaensch einen anschaulichen…mehr

Produktbeschreibung
Eine Gesamtdarstellung des Musiktheaters Leonard Bernsteins, die neue Hör- und Denkanstöße bietet.Andreas Jaensch legt mit diesem Buch erstmals eine umfassende Darstellung aller Musiktheaterwerke Leonard Bernsteins (1918-1990) vor. Neben den beliebten Musicals "West Side Story" und "Candide" werden hier die frühen Musical Comedies "On the Town" und "Wonderful Town", die eigentümliche "Mass", "1600 Pennsylvania Avenue" sowie die beiden Opern "Trouble in Tahiti" und "A Quiet Place" eingehend dargestellt und dem Bernstein-Freund näher gebracht. Außerdem bietet Jaensch einen anschaulichen Überblick über das amerikanische Musiktheater des 20. Jahrhunderts und den hierfür maßgeblichen "Popular Song". Im Zentrum des Buches steht die Frage nach der Entwicklung einer amerikanischen Oper aus dem Geist des Musicals in Leonard Bernsteins Musiktheaterwerk. Jaensch bleibt hierbei nicht bei reinen Werkbetrachtungen stehen, sondern bezieht die Rezeption der Werke, Gespräche mit engen Vertrauten Bernsteins sowie bisher unveröffentlichte Manuskripte des Komponisten mit ein. So entsteht ein umfassendes Bild eines Musiktheaterwerks, das den Komponisten als einen der herausragenden Protagonisten der American Musical Comedy wie der amerikanischen Oper gleichermaßen zeigt.Andreas Jaenschist Musikwissenschaftler und freier Mitarbeiter des Südwestrundfunks.
Autorenporträt
Andreas Jaensch ist Musikwissenschaftler und freier Mitarbeiter des Südwestrundfunks.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003

Amerikanische Opern kann jeder verstehen
Andreas Jaensch beschreibt den Weg vom "Popular Song" zu Leonard Bernsteins Musiktheater / Von Wolfgang Sandner

Was ist amerikanische Musik? Virgil Thomson, amerikanischer Komponist und bissiger Selbstkritiker weiß es: "Amerikanische Musik zu schreiben ist sehr einfach. Alles, was man tun muß, ist, Amerikaner sein und die Musik, die man sich vorstellt, aufschreiben." Das heißt, eine Frage ernst nehmen und sie zugleich ad absurdum führen. Das "typisch Amerikanische" ist offenbar nur dann kein Hirngespinst, wenn man es nahezu tautologisch definiert und - wie Thomson - Charakteristika so allgemein formuliert, daß sie keine mehr sind. Wem Thomsons hintergründige Vereinfachung nicht genügt, der kann auch einen anderen Anwalt alles Amerikanischen in der Musik zum Zeugen aufrufen: Leonard Bernstein. In seinem überaus anregenden Buch "Freude an der Musik" hat der nimmermüde Dirigent und expressive Komponist, unorthodoxe Pädagoge und weitschweifige Animateur, vielseitige Pianist und radikale Moralist seine Ansicht zur Musik Amerikas mit der sokratischen Methode des fiktiven Dialogs erläutert.

Ein Broadway-Produzent legt da Leonard Bernstein nahe, für ihn eine Musical-Show zu komponieren, weil dies die "wahre amerikanische Kunst" sei. All das, was jeden Tag in den Konzerthäusern Amerikas aufgeführt werde, sei im Grunde europäisch und nur durch ein paar Cowboy-Melodien, Blues-Harmonien und Jazz-Rhythmen amerikanisch angestrichen worden. Lennie solle sich da von niemandem etwas vormachen lassen. Alle russischen Symphonien seien in Wirklichkeit deutsche, "nur daß Bier durch Wodka ersetzt wurde". Auch César Francks Symphonien seien deutsch, nur ein paar Hörner machten den Unterschied; dasselbe gelte für die Symphonien Liszts, Elgars, Griegs und Dvoráks, die sich durch nichts voneinander unterscheiden würden. Was immer an nationalem Kolorit hinzugefügt worden sei, könne das Deutsche darunter nicht verleugnen, denn die eigentliche Entwicklung der Symphonie verlaufe in einer geraden Linie von Mozart bis Mahler.

Und dann beginnt Bernsteins Gesprächspartner, der naturgemäß nur Bernsteins Alter ego sein kann, mit großer Suada von "unserer ureigensten Volksmusik", dem naiven, geistreichen und aufregenden Jazz zu monologisieren, der am Beginn der musikalischen Komödie amerikanischer Provenienz stehe, des Musicals nämlich. Man sei jetzt an jenem Punkt angelangt wie zweihundert Jahre zuvor schon die Musik in Europa, als aus dem Singspiel eine wirkliche, das heißt durchkomponierte Oper entstanden sei. Mit anderen Worten: Es müsse ein amerikanischer Mozart kommen, der Machwerke wie "Pal Joey" in wahrhafte Kunst verwandle. Am Ende des Dialogs wird schließlich ein Telegramm zitiert, das Bernstein seinem Gesprächspartner in ein New Yorker Hotel schicken läßt: "Pläne geändert stop bin entschlossen Show anzunehmen stop übereinstimme zwar keineswegs mit Ihrer Theorie stop nächste Woche zurück stop beste Grüße L.B."

Kein Zweifel, Leonard Bernstein hat sich da selbstironisch und dennoch auch mit einem unüberhörbar stolzen Unterton als jener amerikanische Mozart stilisiert, der das Musical aus dem Geist des Jazz in musiktheatralische Kunst verwandeln sollte. Wer will, kann das wortreiche Geplauder freilich auch als raffinierte Überkompensation eines Künstlers sehen, der zeitlebens darunter litt oder doch wenigstens damit zu kämpfen hatte, nicht als Komponist sogenannter ernster Musik jene uneingeschränkte Reputation erlangt zu haben, die ihm als omnipräsentem Medienstar und extrovertiertem Dirigenten stets bereitwillig zugestanden wurde.

Hier nun setzt Andreas Jaensch mit seiner verdienstvollen, endlich einmal die musikalische Faktur und nicht lediglich die schillernde Persönlichkeit ins Fadenkreuz seines Interesses nehmende Untersuchung zu Leonard Bernsteins Musiktheater gleich mit einem ganzen Katalog schwerwiegender Fragen ein: Läßt sich mit der Gattungsbezeichnung Musical das gesamte theatralische Schaffen Bernsteins charakterisieren? Trifft der pejorativ besetzte Begriff Eklektizismus den Kern seines Personalstils? Gibt es eine eigenständige "amerikanische Oper" des zwanzigsten Jahrhunderts? In welchem Kontext steht dazu Bernsteins Werk, und welchen Platz nimmt es in der Musikgeschichte ein? Ist die "West Side Story" das einzige repräsentative Musiktheaterwerk Bernsteins, wie es die Rezeptionsgeschichte dieses Opus summum nahelegt, oder müsse man doch den übrigen Stücken Bernsteins, seien es nun die frühen unterhaltenden Musicals oder die späteren ambitionierteren Kompositionen wie "Trouble in Tahiti" oder "A Quiet Place" , mehr Bedeutung zugestehen als durch die Repertoirepolitik amerikanischer, aber auch europäischer Opernhäuser gespiegelt wird?

Jaenschs detaillierte musikalische Untersuchungen von harmonischen Fortschreitungen, melodischen Motiven und ihren Varianten, akribischen Takt-für-Takt-Analysen bis hin zur Entdeckung größerer Strukturbildungen, seine präzisen Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte der Werke, ihrer Funktionen wie ihres gesellschaftlichen Kontextes sind deshalb von großem Wert, weil gewissermaßen musikalisch bewiesen wird, was als Urteil über den Komponisten Bernstein und die ästhetische Einschätzung seines OEuvres lange schon festzustehen schien. Erst mit solchen Anmerkungen aber, wie sie Andreas Jaensch etwa bei der Analyse des Songs "Big Stuff" aus "On the Town", der ersten Broadway-Show Bernsteins, trifft, daß nämlich die herkömmliche achttaktige Periode verlassen wird, zwölftönige Motive auftauchen, ohne die Sperrigkeit der dodekaphonen Methode zu zeigen, chromatische Gänge den melodischen Fluß bereichern, erhält das Schlagwort vom Stilpluralismus Sinn, verliert das Verdikt Strawinskys, dem Bernsteins Werke stets wie ein "department store of music" erschienen waren, seinen bösen Beigeschmack.

Dem Autor gelingt es stets, aus dem musikalischen Detail auf historische Zusammenhänge zu schließen, wenn er etwa das Neuartige und damit den Kunstwerkcharakter der "West Side Story" nicht nur, aber auch aus der Leitmotivtechnik erklärt oder den Willen zur Überschreitung der Musical-Sphäre in "Trouble in Tahiti" aus dem Fehlen populärer Songs und der durchkomponierten Struktur des Werkes. Jaensch begeht auch nicht den Fehler, eine bestehende Lehrmeinung am einzelnen Werk verifizieren zu wollen und die Inkompatibilität von Theorie und Praxis dann möglicherweise dem Künstler anzulasten. Sein induktives Verfahren läßt das einzelne Werk und seine Faktur plausibel erscheinen und die Stellung im Komplex amerikanischer Musik evident werden. Daß Bernstein nicht nur ein virtuoser Grenzgänger zwischen "leichtem" und "anspruchsvollem" Musiktheater gewesen ist, sondern auch ein Grenzüberschreiter und damit Erneuerer der amerikanischen Musik, läßt sich eigentlich erst nach Lektüre dieser umfassenden Darstellung feststellen. Kein geringes Lob für eine als Buch erschienene Dissertation.

Andreas Jaensch: "Leonard Bernsteins Musiktheater". Auf dem Weg zu einer amerikanischen Oper. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2003. 411 S., geb., 34,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Sander weiß von Andreas Jaensch "verdienstvoller" Untersuchung ausschließlich positives zu berichten. Endlich einmal nehme jemand das musikalische Werk Bernsteins und nicht nur dessen "schillernde Persönlichkeit" ins Visier nimmt, freut sich Sander. So frage Jaensch etwa, ob sich mit dem Gattungsbegriff Musical das gesamte theatralische Schaffen angemessen charakterisieren lasse oder ob der Begriff des Eklektizismus wirklich Bernsteins Personalstil treffe. Seine "detaillierten musikalischen Untersuchungen" beispielsweise von harmonischen Fortschreibungen, melodischen Motiven und ihren Varianten, hält Sander für außerordentlich wertvoll, beweisen sie doch, was über den Komponisten Bernstein schon lange festzustehen schien. Überhaupt lasse sich erst nach der Lektüre von Jaenschs Arbeit feststellen, schließt der Rezensent, "dass Bernstein nicht nur ein virtuoser Grenzgänger zwischen 'leichtem' und 'anspruchsvollem' Musiktheater war, sondern auch ein Grenzüberschreiter und damit Erneuerer der amerikanischen Musik."

© Perlentaucher Medien GmbH