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In welchem Beatles-Song blubbert John Lennon in einem vollen Eimer Wasser und wo tropft Pudding aus dem Auge eines toten Hundes? Das "Song-Lexikon", das der Liedautor und Plattenproduzent Ian MacDonald geschrieben hat, bleibt keine Antworten schuldig. Zu jedem der 241 Lieder der vier Beatles aus Liverpool hat er recherchiert und kann so kompetente Auskunft geben über die Entstehungszeit, die oft chaotische Produktionsphase und über die technischen Bedingungen im Studio. Was das Buch darüber hinaus als Zeitdokument interessant macht, sind die immer wieder eingestreuten Hinweise auf die…mehr

Produktbeschreibung
In welchem Beatles-Song blubbert John Lennon in einem vollen Eimer Wasser und wo tropft Pudding aus dem Auge eines toten Hundes? Das "Song-Lexikon", das der Liedautor und Plattenproduzent Ian MacDonald geschrieben hat, bleibt keine Antworten schuldig. Zu jedem der 241 Lieder der vier Beatles aus Liverpool hat er recherchiert und kann so kompetente Auskunft geben über die Entstehungszeit, die oft chaotische Produktionsphase und über die technischen Bedingungen im Studio. Was das Buch darüber hinaus als Zeitdokument interessant macht, sind die immer wieder eingestreuten Hinweise auf die zeitgeschichtlichen Umstände. Am Schluss werden alle Daten der Beatles und ihrer Zeit in einer fast 100-seitigen Chonologie der sechziger Jahre zusammengefasst.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Manfred Papst bespricht drei Bücher über die Beatles, deren Nutzen er unterschiedlich einschätzt.
1.) Ian MacDonald: "

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2000

Pilzkopfgeburten
Die Deuter sind einfach nicht totzukriegen / Von Hartmut Hänsel

Die achtundsechziger Generation besteht nicht nur aus durchtrainierten Marathon-Ministern und fallschirmspringenden Achtzehn-Prozent-Männern. Viele Menschen, die das Glück hatten, während der Beatles-Ära vierzehn bis dreißig Jahre alt zu sein, leiden heute unter typischen Altersbeschwerden. Wer die "Beatles-Anthology" liest, kann dank des hohen Gewichts und des ausladenden Formates dieses Werkes am eigenen Leibe erfahren, was wohl mit "Boy - you're gonna carry that weight" gemeint war. Oft strapaziert kleingedruckter Text auf Bildhintergrund die "kaleidoscope eyes" eines Mittfünfzigers. Zum Glück für den weniger gestählten Zeitgenossen der Fab Four gibt es leicht handhabbare Lektüre über seine Lieblingskapelle der einsamen Herzen. Ian MacDonald brachte schon vor Jahren sein "Handbuch zum Nachschlagen, Stöbern und Schmökern" heraus, das jetzt in handlichem Format auch in deutscher Sprache vorliegt.

MacDonald stellt jeden der 241 Songs vor. Er erläutert biographische und gesellschaftliche Hintergründe, aber auch die sich entwickelnde Aufnahmetechnik im Studio. So erfährt man beispielsweise, daß der Buddy-Holly-Song "Words of Love" sich dadurch auszeichnet, "daß hier zum ersten Mal in der Geschichte des Pop eine Songstimme gedoppelt wird". Während Holly also mit sich selbst sang, sangen bei den Live-Auftritten der Beatles Lennon und Harrison. Die Beschriftung des Aufnahmebandes zeige, daß Harrison bei der Plattenaufnahme durch McCartney ersetzt wurde. Der tatsächliche Klang lasse aber vermuten, daß doch ersterer gesungen habe. Vom Cover der LP "Beatles for Sale" wußten wir bereits, daß Ringo Starr bei dieser Aufnahme auf einem Schrankkoffer spielte. MacDonald weiß mehr: Das Schloß des Koffers war locker und erzeugte ein "Geräusch, das wirkt, als würde jemand nicht im Takt klatschen". Das ist fein beobachtet und vermittelt dem Leser möglicherweise Fakten, die ihn schon immer interessierten.

Noch mehr Fakten liefert MacDonald über "Ticket to Ride". Der Titel sei aus einem Wortspiel mit Ryde, einem Fährhafen auf der Isle of Wight, entstanden. Lennon und McCartney seien mit einer Tagesausflugfähre von Portsmouth nach Ryde gefahren, um dort Freunde zu besuchen, vermutlich am 8. April 1963. John Lennon habe bei der Aufnahme im Studio seine E-Gitarre mit einer Energie gespielt, "die er offenbar aus dem Abenteuergeist zog, der damals in Großbritannien weit verbreitet war". Vielleicht lag es aber auch einfach an seiner ersten Erfahrung mit LSD. MacDonald weiß nicht, ob der Song von LSD inspiriert ist, aber er konfrontiert uns mit möglichen Daten über Lennons ersten Konsum dieser Droge. Er vermutet dieses Ereignis im Januar oder Februar 1965, jedenfalls vor dem Aufnahmetermin am 15. Februar, zieht aber auch Peter Brown heran, der behauptete, es war nach Ende März 1965, und Albert Goldman, der die Begebenheit "irgendwann 1964" ansiedelt. Ob nun "Ticket to Ride" Lennons "erste kreative Antwort auf LSD ist, läßt sich bei dem, was an Indizien vorliegt, nicht sagen". MacDonald spekuliert nunmehr, daß Lennons "schwerer Rhythmus und sein Eintauchen in den elektrischen Sound" auch ein Nebenprodukt von Hasch-Inspiration sein könnten. Damit erschöpft sich jedoch seine Fähigkeit, Mücken auf Elefantenbeine zu stellen, noch lange nicht. Ihm fällt auch auf, daß das Wort "sad", das in einem halben Dutzend Songs vorkommt, hier ein Gewicht hat, "das in der bedrückenden Pedalton-Tonalität und den absichtlich schwerfälligen Drums plastisch erfahrbar wird". Wo hat er bloß die geschwollenen Redensarten her?

Die Beziehung Paul McCartneys zu Jane Asher zieht sich wie ein roter Faden durch Lieder wie "Another Girl", "We Can Work It Out", "I'm Looking Through You" und "For No One". Wir erfahren in einer Fußnote, daß McCartney damals noch "ein unverbesserlicher Macho aus dem Norden" war. "Sie dagegen, ein gebildetes Mädchen aus dem Süden, wollte ihre Schauspielkarriere weiterverfolgen und sich nicht davon abbringen lassen, mit dem Old Vic auf Tournee zu gehen. Hauptsächlicher Streitpunkt war außerdem Ashers Bedürfnis nach Privatsphäre, wogegen McCartney die öffentliche Anerkennung (vor allem durch das weibliche Publikum) sehr genoß." Bisweilen drangen begeisterte junge Damen sogar durch Toilettenfenster in seine Wohnung ein ("She Came in Through the Bathroom Window").

Auch wenn John Lennon später froh war, von LSD losgekommen zu sein, hatten seine psychedelischen Erfahrungen einige seiner phantasievollsten Songs geprägt: "Tomorrow Never Knows", "Strawberry Fields Forever", "A Day in the Life" und "I Am the Walrus". Das hat man schon an anderer Stelle gelesen, doch MacDonald versetzt seine Kommentare zu den Musikstücken mit so schönen Formulierungen wie "Starrs Drums, die auf dumpf gestimmten Tom-Toms zu einem idiosynkratischen Dialog mit Lennon einsetzen" ("A Day in the Life") oder mit "einer zwanghaften musikalischen Struktur, die um ein unaufhörlich ansteigendes/absteigendes Treppenhaus aus allen natürlichen Dur-Akkorden im M.-C.-Escher-Stil gebaut ist" ("I Am the Walrus").

Für die ganz akribischen Leser benennt MacDonald Zeitpunkte, zu denen Ungewöhnliches auf den Aufnahmen passiert. So kann man mit Hilfe der Zeitanzeige des CD-Spielers bei der Spielzeit von 3:46 Minuten in George Harrisons "Within You - Without You" darauf lauschen, wie der Beatle dem Tabla-Spieler den Rhythmus vorzählt.

Zu manchen Liedern kann MacDonald Hintergründe kolportieren. So berichtet er über die Heldin des Liedes "Dear Prudence", Mia Farrows Schwester Prudence, die durch zuviel Meditieren in Rishikesh hypersensibel geworden war, ihre Unterkunft nicht mehr verlassen konnte und von Lennon und Harrison herauskomplimentiert werden mußte. Tara Browne, ein junger Millionärsfreund der Beatles, fuhr am 18. Dezember 1966 in seinem hellblauen Lotus Elan mit hoher Geschwindigkeit bei Rot über eine Kreuzung in South Kensington und prallte auf einen geparkten Kleinbus, nachzulesen in der Daily Mail vom 17. Januar 1967. In derselben Ausgabe findet sich noch eine Meldung über viertausend Löcher in der Straße zu Blackburn, Lancashire, "das sind nach einer Schätzung des Stadtrates ein Loch auf 26 Personen". Jetzt weiß man, wie viele Löcher es braucht, um die Royal Albert Hall zu füllen.

Das Song-Lexikon ist ein Versuch, den sechziger Jahren im Bewußtsein des Lesers größeren Raum zu verschaffen, denn die sechziger Jahre sind durch die Lieder der Beatles geradezu definiert. Wer etwas anderes glaubt, braucht sich dieses Buch nicht zu kaufen. Nur die Songtexte selbst fehlen, für die muß man immer noch auf das Songbook von Alan Aldridge zurückgreifen.

Ian MacDonald: "The Beatles". Das Song-Lexikon. Aus dem Englischen von Corinna Steinbach. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2000. 529 S., Abb., geb., 44,- DM.

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