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Spannend und atmosphärisch dicht erzählt er eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund revolutionärer Umbrüche. Als der wenig beliebte, doch außerordentlich vermögende Adam Zarnowski im Jahre 1905 stirbt, reisen Verwandte und Bekannte zu seinem Gutshof, um das Erbe anzutreten: Sein attraktiver Neffe Wladyslaw Krzycki, die wohlhabende Jungwitwe Zosia Otocka, deren feenhafte Schwester Marynia und eine geheimnisvolle Freundin aus England sind nur einige der illustren Gäste, die sich in der polnischen Ortschaft Jastrza?b einfinden. Noch während sich zwischen ihnen erste zarte Bande…mehr

Produktbeschreibung
Spannend und atmosphärisch dicht erzählt er eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund revolutionärer Umbrüche.
Als der wenig beliebte, doch außerordentlich vermögende Adam Zarnowski im Jahre 1905 stirbt, reisen Verwandte und Bekannte zu seinem Gutshof, um das Erbe anzutreten: Sein attraktiver Neffe Wladyslaw Krzycki, die wohlhabende Jungwitwe Zosia Otocka, deren feenhafte Schwester Marynia und eine geheimnisvolle Freundin aus England sind nur einige der illustren Gäste, die sich in der polnischen Ortschaft Jastrza?b einfinden. Noch während sich zwischen ihnen erste zarte Bande entspinnen, sorgt die Eröffnung des Testaments für eine Überraschung, bei manchem Bauern aus der Gegend auch für Enttäuschung. In die angespannte Stimmung mischen sich zunehmend gewaltsame Töne, als revolutionäre Unruhen von Rußland auf Polen übergreifen. Eine Katastrophe bahnt sich an.
Autorenporträt
Henryk Sienkiewicz (Ps. Litwos) wurde 1846 in Wola Okrzejska, Polen, geboren und starb 1916 in Vevey Schweiz. 1905 wurde er für "Quo vadis?" mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2006

Doktrinen sind Drogen
Polnische Schicksale: Ein Spätwerk von Henryk Sienkiewicz

Das Jahr 1905 wäre für die Polen ohnehin ein denkwürdiges Datum gewesen: Genau ein Jahrhundert und eine Dekade waren seit jenem fatalen Jahr 1795 vergangen, in dem ihr Vaterland zum dritten Mal unter die Nachbarmächte aufgeteilt und damit endgültig von der Landkarte Europas gelöscht wurde. Doch anstelle der Ermahnung zum stillen Gedenken erreichte sie bereits im Januar ein flammender Aufruf: "Genossen! Es ist ein großer Augenblick. In der Hauptstadt des Zaren begann die Revolution. Bei einem gemeinsamen Sturm wird der morsche Zarenthron nicht widerstehen können. Daher: Auf zum Werk! Auf zur revolutionären Tat!"

Dieser Appell des Warschauer Arbeitskomitees der Polnischen Sozialistischen Partei fand zwar große Resonanz, doch die Revolution wurde bekanntlich zerschlagen, und die Polen mußten weitere dreizehn Jahre warten, bis ihr Freiheitstraum Wirklichkeit wurde. Im Jahre 1905 konnten sie nur aus einem freudigen Ereignis Trost schöpfen: Henryk Sienkiewicz, der Autor des Welterfolgs "Quo vadis?", wurde als erster Pole mit dem Literaturnobelpreis bedacht.

Seine enorme Popularität verdankte er in erster Linie seinen historischen Romanen, vor allem seiner Trilogie über das 17. Jahrhundert, die drei erfolgreiche Feldzüge - gegen die ukrainischen Kosaken ("Mit Feuer und Schwert"), die Schweden ("Die Sintflut") und die Türken ("Herr Wolodyjowski") - zum Hintergrund hat. Im Stoff lag auch größtenteils das Geheimnis des Erfolgs: Die seit Jahrzehnten gedemütigten Polen brauchten nichts dringender, als daß man ihnen die ruhmreichen Kapitel ihrer Geschichte vor Augen führte.

Allerdings bestand sein OEuvre auch aus Werken, die ganz im Zeichen der Gegenwart standen. Dazu gehörte nicht zuletzt sein später Roman "Wirren" (1910), ein Liebesroman mit politischen Exkursen. Das Buch war eine Reaktion auf die Revolution von 1905 und wurde von allen politischen Lagern gleichermaßen mit hohen Erwartungen gelesen - zum einen, weil Sienkiewicz als eine der höchsten moralischen Autoritäten galt, und zum anderen, weil man sich davon eine Antwort auf die Frage versprach, welche Fraktion sich nun mit seinem Namen schmücken durfte. Bis dahin hatte er mit verschiedenen Parteien, insbesondere aber mit den extrem konservativen Nationaldemokraten, kokettiert.

Anfänglicher Handlungsort des Romans ist ein Landgut, auf dem anläßlich einer Testamentseröffnung mehrere Personen zusammentreffen: der Besitzer Wladyslaw Krzycki, die Jungwitwe Zofia Otocka und ihre musikbegabte Schwester Marynia sowie eine geheimnisvolle Engländerin namens Agnes Amney. Dies ist auch der Auftakt des romantischen Handlungsstrangs, in dessen Mittelpunkt Krzycki und Agnes stehen. Sie fühlen sich von Anfang an zueinander hingezogen, bald gestehen sie sich ihre gegenseitige Liebe. Doch kurz nachdem sie ihre Verlobung kundgetan haben, wird das Geheimnis der fließend Polnisch sprechenden Fremden gelüftet: Sie hat ihre Jugend in einem benachbarten Dorf verbracht und in dieser Zeit ein kurzes Liebesverhältnis mit Krzycki gehabt. Eine Schicksalsfügung hat sie später nach England geführt, wo sie zu Bildung und Vermögen gekommen ist. Obwohl Krzycki trotz der schockierenden Enthüllung die Verlobung aufrechterhalten will, wächst zwischen den Liebenden schnell eine Mauer aus Scham, Vorurteil und verletztem Stolz. Als sich die wahre Identität der "Engländerin" herumspricht, dauert es nicht mehr lange, bis die Verbindung gelöst wird, obwohl sie selbst das Land wieder verläßt.

Das einfache Volk, aus dem sie stammt, ist ein wichtiges Thema der Handlung. Zunächst sind es die Bauern der Gegend, deren Unzufriedenheit - laut besagtem Testament sollen sie nicht, wie erwartet, Geld und Land, sondern eine Landwirtschaftsschule erhalten - zunehmend in offene Rebellion übergeht. Als nach mehreren Sabotageakten und Anschlägen auch Krzycki Opfer eines Überfalls wird und die Gutshausbewohner schließlich nach Warschau flüchten, rückt die Arbeiterschaft in den Fokus. Tragischer Höhepunkt beider Handlungsstränge ist eine Straßenschlacht, bei der die sechzehnjährige Marynia ums Leben kommt.

Ansonsten fällt das Bild der Revolution eher blaß aus, denn Sienkiewicz setzt sich mit ihr vor allem in langen Diskursen auseinander. Dazu stellt er Krzycki einige Widersacher zur Seite, unter denen eine weltfremde Künstlernatur ebenso zu finden ist wie ein zynischer Bonvivant oder ein "kenntnisreicher Dilettant". Die Ereignisarmut der Handlung war übrigens auch ein Haupteinwand seiner Zeitgenossen, die auch sonst auf das Buch kühl bis ablehnend reagierten. Sie warfen Sienkiewicz Realitätsfremdheit vor und kritisierten, daß er keine eindeutige politische Stellung bezogen habe. Und in der Tat sprach er sich weder für die Revolution noch für die Zusammenarbeit mit dem zaristischen Rußland aus, dafür demonstrierte er um so deutlicher die Kluft zwischen den Interessen einer Gesellschaftsschicht und denen der ganzen Nation.

Seine antirevolutionäre Haltung hatte freilich tiefere Ursachen: Dem erklärten Befürworter der "organischen Aufbauarbeit", wie die Positivisten das Bemühen um eine harmonische Entwicklung der Gesellschaft nannten, war jede kurzfristig herbeigeführte Veränderung zuwider. "Doktrinen berauschen nicht schlechter als Alkohol", ließ er im Roman sein Alter ego verkünden, "folglich sind momentan alle betrunken." Außerdem war er der Ansicht, daß die Polen sich einen offenen Klassenkampf nicht leisten könnten, weil das Wiedererlangen der Unabhängigkeit höchste Priorität habe.

Die Erfüllung seines Traums erlebte er nicht mehr: Im Jahre 1916 starb er im Schweizer Exil. Und sein letzter großer Roman führte weiterhin ein Schattendasein. Auf die Erstausgabe von 1910 folgten bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lediglich zwei weitere, in den Zeiten der Volksrepublik erschien das Buch nur einmal (1951). Erst im Wendejahr 1990 brachte es ein Danziger Verlag neu heraus, doch auch diesmal mit geringem Erfolg. Offenbar hatten die Leser noch zu frisch die eigene Revolution vor Augen, um sich mit der ihrer Vorväter zu beschäftigen.

MARTA KIJOWSKA.

Henryk Sienkiewicz: "Wirren". Roman. Aus dem Polnischen übersetzt von Karin Wolff. Nachwort von Olga Tokarczuk. Manesse Verlag, Zürich 2005. 572 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2006

Die engen Augen des Pavians
Hellsichtig: Henryk Sienkiewicz’ Roman „Wirren” über die polnische Revolution 1905
Der durch seinen Roman „Die schöne Frau Seidenmann” unvergessliche Andrzej Szczypiorski hat die Literatur einmal als „Bundeslade” des polnischen Volkes bezeichnet. Zwischen 1795 und 1918 war das unter den drei Großmächten Russland, Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilte Polen eine entrechtete Nation ohne eigenen Staat. Souverän blieb neben der römisch-katholischen Religion allein die Literatur. Sein Überleben verdankte das Polentum der Fülle seiner Dichterpropheten, prototypisch an erster Stelle die Romantiker Adam Mickiewicz und Julius Slowacki. Was politisch nicht verwirklicht werden konnte, wurde in der Literatur ausbuchstabiert.
Mickiewicz, Slowacki, Wyspianski, Reymont, Polens Nationaldichter sind bei uns allenfalls dem Namen nach bekannt. Henryk Sienkiewicz schätzt man hingegen, nicht allein wegen seines 1895/96 erschienenen Weltbestsellers „Quo vadis?”, schon lange auch in Deutschland. In Polen gehören die von patriotischem Pathos erfüllten historischen Abenteuerromane wie etwa „Die Kreuzritter” bis heute zur Standardlektüre. 1905 erhielt Sienkiewicz als Anerkennung für sein bis dahin verfasstes Gesamtwerk den Nobelpreis. 1910 erschien sein Roman „Wirren”, der jetzt, knapp 100 Jahre später, in hervorragender Übersetzung auf Deutsch erschienen ist.
Der Hass auf die Satten
Verwunderlich ist diese Verspätung nicht. Mit dem einzigen in der zeitgenössischen Gegenwart, der Revolution von 1905/06, spielenden Roman stieß Sienkiewicz in Polen auf wenig Gegenliebe. Die Kritiker übergingen das Werk, den Lesern war die Handlung zu undramatisch. Von Schaffenskrise und Niedergang war die Rede. Es brauchte wohl ein Jahrhundert, um einzusehen, wie unbegründet diese Vorwürfe sind. „Wirren” ist ein politisches, streckenweise philosophisches Buch, vor allem aber ein höchst unterhaltsamer Gesellschaftsroman. Über Handlungsarmut kann man sich ebenso wenig beklagen wie über einen Mangel an dramatischen Wendungen, von Sienkiewicz’ feiner Ironie ganz abgesehen.
Vielleicht war diese von abgründigem Skeptizismus grundierte Ironie der Hauptgrund für die Ablehnung der Zeitgenossen. Bei den Sozialisten hatte der Roman, wiewohl sich sein Verfasser in Gestalt des kultivierten Melancholikers Gronski als patriotischer Befürworter der Unabhängigkeit Polens zu erkennen gab, für Empörung gesorgt. Allzu deutlich erteilt Sienkiewicz allen gewaltsamen Umsturzversuchen eine mal zynische, mal sarkastische, aber nie plumpe Abfuhr. Der (an Dostojewskis Raskolnikow erinnernde) Hauslehrer Laskowicz ist alles andere als das schmeichelhafte Porträt eines Revolutionärs. Mit seinem fanatischen „Hass auf die Satten” und „seinen eng stehenden Augen, wie ein Pavian” ist er aber mehr als die bösartige Karikatur eines Konservativen.
Sienkiewicz ist häufig auch reaktionärer Geisteshaltungen bezichtigt worden, die antirevolutionäre Einstellung seiner „Wirren” erweist sich im nachhinein jedoch als prophetisch. Seine Kritik am menschenverachtenden Nihilismus eines doktrinären Sozialismus nimmt hellseherisch den kommenden Weltbürgerkrieg wie die Geschichte Polens nach dem Zweiten Weltkrieg vorweg. „Ich will sagen, dass Euer sozialistischer Staat, wenn ihr ihn denn irgendwann einmal gründet, die menschliche Persönlichkeit den gesellschaftlichen Einrichtungen unterwerfen wird, den Menschen hineinpressen wird ins Räderwerk eines allgemeinen Mechanismus, mittels einer solchen Kontrolle und Unfreiheit, dass selbst der gegenwärtige preußische Staat im Vergleich dazu ein Heiligtum der Freiheit darstellt.” 1910 unverzeihlich, sind solche von Sienkiewicz’ literarischem Alter ego Gronski vorgetragenen Thesen heute geschichtlich beglaubigt. Leider versäumt es Olga Tokarczuk in ihrem Nachwort darauf hinzuweisen, auf welch beeindruckende Weise ihr berühmter Schriftstellerkollege die totalitäre Physiognomie des 20. Jahrhunderts bereits an dessen Beginn erkannt hat.
Lesenswert ist der Roman aber nicht allein wegen seines politischen Gebrauchswertes. Kunstwerke allein auf diesen Nutzen hin abzuklopfen, kommt zwar neuerdings wieder in Mode, bleibt aber dennoch ideologische Banausie. Sienkiewicz’ Realismus bezaubert, abgesehen von sprachlicher Eleganz, überraschenden Handlungsverläufen und gelungenen dramaturgischen Kunstkniffen durch die Vielfalt des eindrücklich plastischen Figurenpersonals. Feines psycho- logisches Gespür lässt jeden einzelnen Charakter scharf konturiert vor Augen treten.
Dass es dem Roman gelingt, die revolutionären Ereignisse der Jahre 1905/06 auf eine überschaubare Gruppe abzubilden, die ein Todesfall in einem ländlichen Herrenhaus zusammenführt, ist nicht nur handwerkliches Können. Sienkiewicz’ skurrile männliche Gestalten, zwischen Gentleman und Dandy oszillierende, ungemein heiratswillige Hagestolze, verraten den Kenner des englischen und französischen Gesellschaftsromans. Seine Gronskis, Dolhanskis und Swidwickis zeugen von einem ebenso humanen wie unbeugsamen Individualismus.
Apologet bestehender Verhältnisse ist der aus kleinadeligen Verhältnissen stammende Sienkiewicz gleichwohl nicht. Nationale Unabhängigkeit und sozialer Fortschritt gehören für ihn zusammen. Der Ästhetik des literarischen Fin-de-siècle entsprechend ist das eine wie das andere aber nicht ohne die mythischen Kräfte des Weiblichen zu haben. Wenn in diesem Roman irgendetwas bornierte Standesgrenzen und aristokratische Engstirnigkeit sprengt, dann keine soziale Revolution. Vielmehr ist es die alle Differenzen zu überwinden trachtende Liebe zwischen den Geschlechtern, unter der die gärenden Zeiten, in denen „Wirren” entstand, nicht zuletzt die Macht des Sexus verstanden.
Virtuos versieht Sienkiewicz die Sinneslust seiner Figuren mit einem Schuss Abgründigkeit, gibt er seinen Frauenfiguren Grazie. Die erotische Spannung des Romans animiert die Leselust, ist aber nicht ganz frei von trivialen Zügen. Alles bordet hier über vor Liebesglut, Liebesglück und Liebesleid, natürlich samt der dazu gehörigen Verwicklungen. Derart erregt ist die Atmosphäre, dass einer der Beteiligten zu Recht feststellt, „hier lieben sich alle - offen oder im Verborgenen”. Ob Zofe oder Herrin, begehrenswert ist jede, und der blendend aussehende, kraftstrotzende junge Gutsherr Wladislaw Krzycki ist in der Qual der Wahl, die er zu erleiden hat, zu beneiden.
Melancholie, Entsagung, Tod
Wie die sechzehnjährige Marynia die betörende Unschuld, so verkörpert die junge Witwe Otocka den Typus „rassige Schönheit”, bezwingend aber ist für den jungen Adligen allein die körperlich-seelische Vollkommenheit einer englischen Gouvernante. Deren Geheimnis zu lüften, ist Sinn und Zweck der gesamten Handlung. Wie alles endet, sei hier nur angedeutet: Die ständeübergreifende Entwirrung der erotisch-sozialen Wirren misslingt, Melancholie, Entsagung, Katastrophe und Tod obsiegen. Für den Klassenkompromiss auf heiliger polnischer Erde, den Sienkiewicz anvisiert, aber scheitern lässt, war 1910 die Zeit noch nicht reif. In Erinnerung bleiben von diesem schönen Buch die spätimpressionistischen Gemälden ähnelnden Szenen, in denen Sienkiewicz’ Frauenfiguren mit den Klängen, die sie ihren Instrumenten entlocken, eins werden. Angesichts solch einer Geburt der Nation aus dem Geist der Musik pfeift man im nachhinein noch lieber auf das Pathos des gewalttätigen Umsturzes. THOMAS MEDICUS
HENRYK SIENKIEWICZ: Wirren. Roman. Aus dem Polnischen von Karin Wolff. Nachwort von Olga Tokarczuk. Manesse Verlag, Zürich 2005. 566 Seiten. 22, 90 Euro.
Melancholie des polnischen Patriotismus: „Heiligabend in Sibirien” (1892) von Jacek Malczewski
Foto:
bridgemanart
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der polnische Nobelpreisträger von 1905 habe bessere Bücher geschrieben, stellt Rezensent Adam Olschewski fest, beispielsweise drei "dickbändige" Romane zum 17. Jahrhundert. Für diese fernen Zeiten wäre der Autor nämlich nicht in Verlegenheit geraten, seine politisch reaktionäre Weltanschauung als Zeitanalyse zu camouflieren. Der Roman "Wirren" dagegen spiele um das Jahr 1905, als von Russland beunruhigende revolutionäre Nachrichten in das besetzte Polen drangen. Zunächst schildere der Autor mit "handwerklich" großer Könnerschaft das Leben um einen adligen Gutsbesitzer, in dem man gerne über den Staat, Beethoven und die unzufriedenen Bauern plaudere, aber auch über die Liebe, die in Form eines englischen Fräuleins auftauche. Solcherart Wirren begründen den Titel des Romans, bis sich die Handlung nach Warschau verlagere, wo "das Proletariat auf die Straße strömt". Als Vertreter dieser Klasse lasse Sienkiewicz, so der Rezensent, den "physiognomisch abstoßenden Hauslehrer Laskowicz" auftreten. Solcherart kurzen Prozess mit jeder differenzierten Charakterdarstellung mache der Autor allerdings bei den meisten seiner Figuren, bedauert der Rezensent. Im Polen von heute sei Sienkiewicz ein "schichtenübergreifend populärer Autor", nur sein Roman "Wirren" sei eigentümlich vergessen.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr