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Wer waren Hitlers "Söldner für den Anschluss?" Die in Deutschland stationierte Österreichische Legion führte bisher in der zeitgeschichtlichen Forschung nur eine Schattenexistenz und war auch zahlenmäßig lediglich eine vage umrissene Größe. Die Österreichische Legion umfasste mehr als 15 000 Aktivisten der österreichischen SA. Sie alle flüchteten nach dem NSDAP-Verbot im Juni 1933 ins Deutsche Reich, eine nicht geringe Anzahl von "Legionären" hatte zuvor in Österreich durch die Beteiligung an Terroranschlägen blutige Spuren hinterlassen.Hans Schafraneks packende Studie zeichnet anhand…mehr

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Produktbeschreibung
Wer waren Hitlers "Söldner für den Anschluss?" Die in Deutschland stationierte Österreichische Legion führte bisher in der zeitgeschichtlichen Forschung nur eine Schattenexistenz und war auch zahlenmäßig lediglich eine vage umrissene Größe. Die Österreichische Legion umfasste mehr als 15 000 Aktivisten der österreichischen SA. Sie alle flüchteten nach dem NSDAP-Verbot im Juni 1933 ins Deutsche Reich, eine nicht geringe Anzahl von "Legionären" hatte zuvor in Österreich durch die Beteiligung an Terroranschlägen blutige Spuren hinterlassen.Hans Schafraneks packende Studie zeichnet anhand zahlreicher bisher unveröffentlichter Quellen ein facettenreiches Bild der Legion und ihrer Protagonisten. Durch die annähernd 150 Kurzbiografien zum Führungskorps der Legion ist das Buch zugleich ein wichtiges Nachschlagewerk zur Geschichte der österreichischen SA.
Autorenporträt
Hans Schafranek, geboren 1951 in Schärding (Oberösterreich). Promovierter Historiker, freier Mitarbeiter am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Autor bzw. Herausgeber zahlreicher Bücher zu den Themenschwerpunkten: vergleichende Diktaturforschung (Nationalsozialismus, Stalinismus), österreichische Zeitgeschichte bis 1945, Emigration in die UdSSR und Nachrichtendienste im Zweiten Weltkrieg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2011

Wartende Wirtshausschläger
Erschöpfend ausgeleuchtet: Österreichische SA-Legionäre vor dem "Anschluss"

Wenn abseits dickleibiger Gesamtdarstellungen oder prominenter Biographien heute Detailstudien zur Geschichte des Nationalsozialismus erscheinen, ertappt sich da nicht mancher Leser bei der erstaunten Frage, ob denn überhaupt noch etwas wirklich Neues zu erforschen sei? Warum also ein Buch über österreichische Nazis, über eine österreichische SA-Truppe? Die historische Forschung zur Geschichte der österreichischen Nationalsozialisten und Österreichs im Großdeutschen Reich hat einiges geleistet. Und doch wird die ebenso merkwürdige wie interessante Söldnertruppe, über die Hans Schafranek berichtet, hier erstmals dargestellt.

Als in Berlin die Regierung Hitler ihre Amtsgeschäfte aufnahm, wurde das in Wien mit Argwohn registriert, denn auch an der Donau waren die Nazis keine politische Randerscheinung mehr. Seit Beginn der dreißiger Jahre hatte die NSDAP ihre propagandistischen Anstrengungen in Österreich intensiviert. Im Januar 1933 zählte die Partei über 43 000 Mitglieder, bis zum Verbot im Juni 1933 stieg diese Zahl auf über 68 000. Die Gewalttätigkeit der paramilitärischen Verbände der Partei, SA und SS, waren politischer Alltag, Attentate und Sprengstoffanschläge inbegriffen. Hieran änderten auch die Bemühungen der Regierung Dollfuß wenig, den politischen Bewegungsspielraum der Nationalsozialisten einzugrenzen. Erst das Parteiverbot drängte die Nazi-Anhänger in die Illegalität und ihre Schlägertrupps in die Flucht: eine andere Form des "Heim ins Reich".

Die flüchtigen österreichischen SA-Männer sammelten sich in einem alten Barackenlager in Lechfeld. Sehr rasch wuchs die Zahl der hier Untergebrachten von 250 im Juli auf dreieinhalbtausend im August 1933. Schafranek zeigt ein Bild, auf dem 18 Männer im September 1933 als "Österreichische Legion" posieren. Dies war fortan die Selbstbezeichnung der Truppe, die auch die Presse benutzt. In die amtliche deutsche Korrespondenz fand dieser Terminus erst sehr viel später Eingang, nämlich nach dem so genannten "Anschluss" Österreichs.

Von Beginn an wurden die Legionäre bewaffnet und von bayerischer Polizei und Reichswehroffizieren militärisch ausgebildet. Gleichzeitig aber verbot Adolf Hitler der Führung der österreichischen SA-Leute um den Obergruppenführer Hermann Reschny alle auf einen Regierungswechsel in Wien zielende Aktivitäten. Überraschend versuchten die österreichischen SA- und SS-Verbände am 25. Juli 1934 dennoch einen Putsch, und Reschny befahl einigen Legionären den Grenzübertritt. Bekanntlich scheiterte der Umsturzversuch und diskreditierte Hitlers Außenpolitik schwer. Berlin ging jetzt auf Distanz zu den österreichischen Parteigenossen. Ihre Exilleitung in München wurde aufgelöst, die Legion musste ihre Waffen abgeben und wurde von der süddeutschen Grenze weit in den Norden Deutschlands verbracht, wo sie als "Hilfswerk Nordwest" die weiter wachsende Zahl von Flüchtlingen betreuen sollte.

Schafranek zählt am Ende fast 15 000 Legionäre an verschiedenen Standorten. Er weist zudem nach, dass die Umwandlung in ein bloßes Hilfswerk Fiktion blieb, wenn es nicht sogar absichtsvolle Tarnung war. Die vielen Österreicher, die ihre Gewaltbereitschaft ja bewiesen hatten, dienten nämlich der Reichsregierung durchaus als Drohung gegenüber dem kleinen Nachbarn. Die Legionäre schmuggelten Propagandamaterial und Waffen über die Grenze. Ausführlich werden Agitation, Anschläge und Attentate geschildert. Einigen Tätern widmet der Verfasser Detailstudien. Der genauere Blick auf diese Wirtshausschläger lässt den Leser streckenweise gruseln bei dem Gedanken an die ideologische Verführbarkeit jugendlicher Gewalttäter. Die österreichischen SA-Männer gingen fest davon aus, eines Tages in ihrem Heimatland als Teil einer militärischen Operation eingesetzt zu werden. Gerade dazu kam es aber nicht, als sich das Deutsche Reich Österreich als "Ostmark" einverleibte. Erst mit einem Monat Abstand durften Reschnys Männer "einmarschieren", anschließend wurde die "Österreichische Legion" endgültig aufgelöst.

Der Autor belässt es nicht bei der Ereignisschilderung. Ihn interessiert, wer diese Männer waren. Aus zahlreichen zeitgenössischen und Nachkriegslisten hat Schafranek eine Datenbank aufgebaut. Er kann daraus sehr präzise Informationen über die regionale Herkunft der Flüchtlinge sowie die Alters- und Sozialstruktur der Legion ableiten. In Relation zur jeweiligen Bevölkerungszahl kamen überdurchschnittlich viele Männer aus Salzburg, Kärnten und Tirol, wenige aus Niederösterreich, Wien und dem Burgenland. Einzelne Bezirke stechen besonders hervor. So flüchteten beispielsweise aus Wolfsberg in Kärnten nach dem Juliputsch elf Prozent der Männer zwischen 20 und 24 Jahren. In diesem Detail deutet sich schon ein weiterer Befund an: die Legion war eine junge Truppe. Über 42 Prozent gehörten allein den Jahrgängen 1910 bis 1914 an. Fast 70 Prozent traten der SA zwischen 1931 und 1933 bei. Während im Reich nur 30 Prozent der SA-Mitglieder auch Parteigenossen waren, fällt für die Legionäre eine starke Kongruenz der Mitgliedschaften auf: 80 Prozent waren sowohl in der SA als auch in der NSDAP. Es fanden nahezu ausschließlich Männer aus handwerklichen Berufen, vom Lehrling über den Gehilfen bis zum Meister, zur Legion; wenige Lehrer, kaum Akademiker; als Kuriosität überdurchschnittlich viele Chauffeure. Meist waren sie ledig, erstaunlich viele aber heirateten während der Jahre im Lager.

138 kurze Biographien des "Führungskorps" der Legion machen das Buch zu einem Nachschlagewerk für die Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. Dem Autor ist das Kunststück gelungen, einen Forschungsgegenstand nicht nur zu entdecken (erste Recherchen gehen schon auf das Jahr 1996 zurück), sondern ihn auch gleich von allen denkbaren Seiten erschöpfend auszuleuchten und lesbar darzustellen.

MARTIN KRÖGER

Hans Schafranek: Söldner für den Anschluss. Die Österreichische Legion 1933-1938. Czernin Verlag, Wien 2010. 496 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Kröger zeigt sich angenehm überrascht darüber, dass hier ein Autor nicht nur einen Forschungsgegenstand entdeckt, sondern ihn auch gleich von allen erdenklichen Seiten enzyklopädisch beleuchtet. Die österreichische SA-Truppe der Legionäre, für Kröger ein Kuriosum, ein monströses, stellt Hans Schafranek nicht nur als solche vor, ihre Entstehung und agitative Entwicklung. Der Autor, und das ist für Kröger ein wichtiger Faktor, vertieft sich ins Detail einzelner Biografien, erstellt Statistiken zu Alter, Beruf und Herkunft der Söldner und gibt dem Gruseln, das Kröger beim Lesen über die Verführbarkeit und Gewaltbereitschaft der jungen Männer erfasst, ein Gesicht.

© Perlentaucher Medien GmbH