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Wenn ein Autor aus seinen Büchern in Literaturhäusern, Buchhandlungen, Stadtbibliotheken liest, hat die Literatur ein Heimspiel. Im Publikum sitzen Kenner und Liebhaber. Anders in Schulen: Hier betritt der Vorleser ein unsicheres Terrain. Literatur in die Schule zu bringen heißt, ein Auswärtsspiel zu bestreiten. Mit Niederlagen ist zu rechnen. Aber gewonnene Auswärtsspiele zählen bekanntlich doppelt. Oder anders gesagt, an Schulen kann Literatur fürs Leben prägen. Burkhard Spinnen berichtet über seine Erfahrungen mit Lesungen in der Schule. In "Auswärtslesen" beschreibt er die Umstände seiner…mehr

Produktbeschreibung
Wenn ein Autor aus seinen Büchern in Literaturhäusern, Buchhandlungen, Stadtbibliotheken liest, hat die Literatur ein Heimspiel. Im Publikum sitzen Kenner und Liebhaber. Anders in Schulen: Hier betritt der Vorleser ein unsicheres Terrain. Literatur in die Schule zu bringen heißt, ein Auswärtsspiel zu bestreiten. Mit Niederlagen ist zu rechnen. Aber gewonnene Auswärtsspiele zählen bekanntlich doppelt. Oder anders gesagt, an Schulen kann Literatur fürs Leben prägen. Burkhard Spinnen berichtet über seine Erfahrungen mit Lesungen in der Schule. In "Auswärtslesen" beschreibt er die Umstände seiner Auftritte. Dabei nimmt er sie immer wieder die Zeit, darüber nachzudenken, welche Funktion die Literatur in der Schule haben sollte und welche sie heute hat. Abseits der Pisa-Studie ein pointiertes, eindringliches Buch über die Realität in der pädagogischen Provinz.
Autorenporträt
Burkhard Spinnen1956 in Mönchengladbach geboren. Er studierte Germanistik, Publizistik und Soziologie. Er war wissenschaftlicher Assistent am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und lebt seit 1996 als freier Autor in Münster. Zahlreiche Auszeichnungen. Zuletzt erschienen: "Mehrkampf" (2007), "Müller hoch Drei" (2009)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2011

Auswärtsspiele
Burkhard Spinnen über
Autorenlesungen in der Schule
Der  Schriftsteller in nervöser Erwartung vor der ersten Veranstaltung an einem Schulmorgen:  „Jede Schullesung ist eine neue Selbstbehauptung, manchmal sogar eine neue Selbsterfindung.“ Auch nach zehn Jahren Erfahrung wird ihn nie das Gefühl verlassen, im Schulbetrieb ein Fremder zu sein, dessen Lesung vergleichbar mit einem Auswärtsspiel im Fußball ist, weit entfernt von der heimischen Erwachsenen-Kulisse in Buchhandlungen oder Bibliotheken. Erwartet den Leser nun das Klagelied über die Schrecken mit undisziplinierten Schülern, desinteressierten Lehrern und den Mühlen der Schulbürokratie?
Nicht, wenn Burkhard Spinnen, der Libero der genauen Beobachtung und der treffsicheren Pointe, über einen Schultag im Leben eines Schriftstellers räsoniert. In seinem Essay „Auswärtslesen. Mit Literatur in die Schule“ verbindet er den Ablauf einer Schulveranstaltung, in dessen Schilderung er zehn Jahre Erfahrungen komprimiert, mit pädagogischen und philosophischen Überlegungen zur Bedeutung von Sprache und Literatur.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die acht kurzen Kapitel seine Abrechnung mit einem Schulsystem, dessen politisch-theoretische Konzepte auf einer „Generalisierung und Abstraktion der vielfältigen Realität der Schule basieren, sie erst nivellieren, anschließend normieren und so besser regieren zu können“.
Texträtsel und Lebensrätsel
Das besondere Opfer dieser Schulpolitik, die ihren Höhepunkt im Zentralabitur und den Veränderungen des Studiums durch die Bologna-Reform erfahren hat, ist in den Augen von Burkhard Spinnen der Deutsch- und Literaturunterricht. Seine Beispiele, wie durch den Versuch der Normierung des Unterrichts abfragbares Wissen künstlich erzeugt wird, machen deutlich, warum die Kreativität der Schüler erstickt und der Literaturunterricht so wenig Begeisterung auslöst. Die Schule „orientiert sich nicht an der Individualität von Lerninhalten“, sondern an der „Kompatibilität von Lernergebnissen“. Und damit verschwindet die fundamentale Aufgabe, die Literatur nicht nur im Unterricht, sondern im Leben erfüllen sollte: „das Rätsel des Textes als Rätsel der eigenen Existenz zu verstehen“.
Welche Erfahrungen macht nun Burkhard Spinnen mit seinen Lesungen? Stört und begrenzt der Autor nicht durch seinen Auftritt die Rezeption seines Textes? Welche Fähigkeiten sollte er haben, vielleicht Tricks benutzen, um vor einem durch die Unterhaltungsmedien geprägten Publikum bestehen zu können? Den Auftritt kann man planen und mit Erfahrung auch gut überstehen.
Doch der Glaube an die besondere Bedeutung des Autors als Vorleser ist das Geheimnis einer gelungenen Veranstaltung. Die Gewissheit, durch Vortragen und Laut-Lesen Sprechkultur und Lesekultur zu verbinden, „die Absichten zum Klingen zu bringen, aus denen der Text heraus einmal entstanden ist . . . Den Kindern Erfahrungen zu vermitteln, die sie wie einen Talisman, als eine Ahnung von Glück bei sich tragen“.
Burkhard Spinnen nennt seinen Essay selbstironisch im Untertitel „Eine Litanei“. Als Nachtgebet für die Kultur- und Bildungspolitiker könnte daraus ein Chor werden, in den viele einstimmen – auch aus Vergnügen an einem Text, der inspiriert als literarisches Fundstück.
ROSWITHA BUDEUS–BUDDE
BURKHARD SPINNEN: Auswärtslesen. Mit Literatur in die Schule. Eine Litanei.
Residenz Verlag, Salzburg 2010. 96 Seiten, 16,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Aus diesem einstimmigen Essay möge ein Chor werden, der Kultur- und Bildungspolitikern in den Ohren klingt, wünscht sich Roswitha Budeus-Budde. Was Burkhard Spinnen auf Lesetour durch die Schulen der Republik erlebt, beobachtet, räsoniert und gekonnt mit Pointen versieht, ist für die Rezensentin nicht weniger als eine lebendige pädagogische und philosophische Abhandlung zur Lage der Sprach- und Literaturvermittlung. Düster schaut's aus, findet der Autor, der abfragbares Wissen, Zentralabitur und normierten Unterricht seinem Verständnis von Literatur als die eigene Existenz spiegelndes Rätsel gegenüberstellt. Und wie sich so eine Schullesung ohne Eventzauberei meistern lässt, lernt die Rezensent nebenher auch.

© Perlentaucher Medien GmbH