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Als der Schriftsteller und Anwalt Albert Drach (1902?1995) im Jahr 1988 mit dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet wurde, war die Überraschung auch in den gewöhnlich gut informierten Kreisen der literarischen Szene groß. Albert Drach, wer war das? Ein Mann, der in den sechziger und siebziger Jahren mit Romanen wie Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum oder Untersuchung an Mädeln Furore gemacht hatte, mißverständlicherweise als neuer Herzmanovsky-Orlando gefeiert und schließlich wieder vergessen worden war. Doch nun brachte die infolge des…mehr

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Produktbeschreibung
Als der Schriftsteller und Anwalt Albert Drach (1902?1995) im Jahr 1988 mit dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet wurde, war die Überraschung auch in den gewöhnlich gut informierten Kreisen der literarischen Szene groß. Albert Drach, wer war das? Ein Mann, der in den sechziger und siebziger Jahren mit Romanen wie Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum oder Untersuchung an Mädeln Furore gemacht hatte, mißverständlicherweise als neuer Herzmanovsky-Orlando gefeiert und schließlich wieder vergessen worden war. Doch nun brachte die infolge des Büchnerpreises einsetzende Drach-Renaissance die entscheidende Wende.
Eine neue Generation von Lesern und Kritikern entdeckte in dem mittlerweile 86jährigen, den das »Times Literary Supplement« bereits 1968 in einem Atemzug mit Elias Canetti zu den »bedeutendsten Avantgardisten deutscher Zunge« gezählt hatte, einen der originellsten und radikalsten Schriftsteller nach 1945.
1988 nimmt Eva Schobel ihre kontinuierlichen Gespräche mit dem Autor auf und trifft auf einen nach wie vor wütenden, aber auch weisen Mann, der das Österreich der Zweiten Republik, die Gegenwarts- literatur, aber auch sein eigenes Leben und Schaffen mit provokanter Schärfe beurteilt.
Autorenporträt
Eva Schobel ist freie Literaturwissenschaftlerin und Journalistin, u. a. für "Die Presse", "SDZ" und den ORF. Regelmäßige Interviews mit Albert Drach, Aufarbeitung des Nachlasses im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek und Mitherausgeberin der neuen Drach-Werkausgabe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2002

Regennaß und ohne Geld
Eine Biographie und eine Werkausgabe erinnern an Albert Drach

Ehrfurcht und Verehrung sind keine guten Voraussetzungen für historische Betrachtung. Allzu leicht kann die Begeisterung den Blick verstellen. Der Biograph, hat Erich Kästner einmal erklärt, sollte sich hüten, gar zu intim mit der Figur seiner Darstellung zu werden; und lieben, sagte der Aufklärer, "lieben" sollte er sie "schon gar nicht". Sonst nämlich kann er mit dem Abstand leicht auch den Überblick verlieren, bis sein Werk am Ende ein Buch wird, wie es Eva Schobel jetzt über Albert Drach vorgelegt hat. Auf 500 Seiten erfährt der Leser dort vor allem, wie der Schriftsteller selbst über sein Leben dachte, was er der Biographin 150 Stunden lang ins Mikrophon sprach. Und leicht kann man sich nach der Lektüre vorstellen, wie spannend das gewesen sein mag, wie gern sich die Biographin von einem Autor faszinieren ließ, von dem sie sagt, daß er die Zuneigung immer aufs neue bestätigt haben wollte.

Was man sich dagegen weniger gut vorstellen kann, ist das Leben des österreichischen Schriftstellers Albert Drach. Eher indiskret als erhellend wirkt seine mitfühlende Darstellung bisweilen, so wenn die Autorin etwa die Flucht des Juden ins Exil nachzuempfinden versucht. "Ohne Zweifel", schreibt sie im Vollbesitz ihrer Deutungshoheit, "sieht er in dem erzwungenen Ortswechsel auch eine Befreiung . . . Die Aussicht, nun endlich, wenn auch unter Umständen, deren Traurigkeit er vorläufig nicht realisieren will, von mütterlicher Obhut befreit leben, lieben und vor allem schreiben zu können, erscheint ihm durchaus attraktiv."

So eindeutig derartiges Fabulieren literarische Bedeutung erstrebt, zu einer Figur biographischen Erzählens will der Held in dieser Beschreibung nicht reifen, auch wenn es gelegentlich heißt, daß er "von den Damen . . . noch fleischlich wahrgenommen" wurde, bevor er dann "seinem im Alter gutmütig gewordenen Vater nachzugeraten" schien. Aus der Nähe, die sie allenthalben sucht, kann die Autorin ihre Figur nur mehr berührt erfassen, nicht losgelöst von den eigenen Gefühlen, nicht im ganzen und fast nie im Großraum der Geschichte. Immer wieder versinkt sie statt dessen in den Details, in den Geschichten eines Erzählers, gegen dessen Charme man sich stärker hätte wappnen müssen, als es die Biographin konnte oder wollte.

Denn bei allem Respekt, den der Historiker seinem Gegenstand unter Umständen schulden darf, die kritische Distanz bleibt allemal unabdingbar. Wer die Figur als solche fassen will, braucht noch eine andere als deren eigene Perspektive. Ohne Zweifel und ohne Mißtrauen bisweilen ist der Biograph so verloren wie jeder Erzähler. Allein mit "Sympathie" und "ironischer Distanz" kommt er über die heimliche Liebeserklärung nicht hinaus, bleibt er gefangen in der fremden Vorstellung, im Vorgegebenen, mit dem sich der Intellektuelle Albert Drach doch selbst nie abzufinden vermochte - nicht als Anwalt in Mödling bei Wien und nicht als Schriftsteller von Weltgeltung. "Ich habe", sagt er 1975 in einem der damals noch seltenen Interviews, "niemals mit bestehenden Verhältnissen paktiert, sondern mir ist immer daran gelegen, etwas anderes aus den Dingen zu machen, als mir geboten wurde." Immer aufs neue mußte sich Drach mit dem Zweifel zur Wehr setzen, gegen den Vater, gegen die Nazis und das Vergessen danach. Nie wollte er als Schriftsteller den Anwalt verleugnen. Nichts war ihm so suspekt wie das Festgefügte, diese Welt der Vorurteile, das Gegebene, in dem der einzelne schuldig wird durch die bloße Vermutung der anderen über sein Wesen.

Ein ganzes Buch, sein bedeutendstes vielleicht, hat er dem Thema gewidmet. Und es ist sicherlich der bemerkenswertere Beitrag zum heutigen hundertsten Geburtstag des Schriftstellers, daß der Zsolnay Verlag seine zehnbändige Werkausgabe eben jetzt, sieben Jahre nach Drachs Tod, mit diesem "Kriminalprotokoll", dem Roman "Untersuchung an Mädeln", begonnen hat. Es sei dies, hatte es in dem vermutlich vom Autor verfaßten Klappentext der Erstausgabe 1971 geheißen, die Geschichte von "zwei Mädchen" aus einfachen Verhältnissen. Beide "stehen regendurchnäßt ohne Geld auf der Landstraße und wollen per Anhalter die Rückkehr zum Wohnort der Verwaisten antreten. Der Autofahrer, der sie schließlich mitnimmt, veranlaßt zunächst die in derlei Dingen Erfahrenere zu entsprechender Gegenleistung, während die sexuell weniger Erfahrene dazu angeblich gezwungen wird. Als er wegen einer Panne den Wagenheber benutzen will, wird ihm dieser von der willig Gewesenen entwendet, und die angeblich Unwillige mißbraucht das Instrument zur Bearbeitung seines Schädels. Als die Mädchen . . . stellig gemacht werden, beginnt die Untersuchung an ihnen, wiewohl die Leiche des offenbar Getöteten nicht aufzufinden ist." Die Verdächtigen haben keine Chance. Mehr als der fehlende Schuldbeweis zählt die Annahme. Das Gericht verlangt seine Opfer; es entlarvt sich selbst durch die böse Unausweichlichkeit des nüchternen Protokollstils.

So beklemmend wie seinerzeit wirkt die Geschichte noch heute. Wer sie liest, hat keine Mühe, den Schriftsteller zu erkennen, das Profil eines zornigen Aufklärers, der lange vergessen war und nur kurz ins Rampenlicht rückte, als er 1988 den Georg-Büchner-Preis erhielt. Daß man von ihm nach wie vor zu wenig weiß, steht außer Frage. Gern erführen wir endlich mehr über das umgetriebene Leben dieser Jahrhundertfigur, Aufschlußreicheres vor allem als das, was Eva Schobel aus der Nähe zu sehen vermochte. Aber ursprünglich war ja, wie wir gleich im ersten Kapitel erfahren, auch nur ein "Artikel" geplant, ein "bescheidenes Vorhaben".

THOMAS RIETZSCHEL

Eva Schobel: "Albert Drach". Ein wütender Weiser. Residenz Verlag, Salzburg 2002. 559 S., zahlr. Abb., geb., 28,90 [Euro].

Albert Drach: "Untersuchung an Mädeln". Kriminalprotokoll. Werke in zehn Bänden, Bd. 1. Herausgegeben von Ingrid Cella. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2002. 446 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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SWR Bestenliste Platz 1 im Dezember 2002!

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eva Schobels Biografie des österreichischen Schriftstellers Albert Drach, die nun zu dessen 100. Geburtstag erschienen ist, hat Rezensent Thomas Rietzschel nicht wirklich überzeugt. Zu ehrfurchtsvoll, zu wenig kritische Distanz lautet der Hauptvorwurf. Auf 500 Seiten erfahre man vor allem, wie der Schriftsteller selbst über sein Leben dachte, hält Rietzschel fest. Was man sich dagegen weniger gut vorstellen könne, moniert Rietzschel, sei das Leben des österreichischen Schriftstellers Albert Drach. "Eher indiskret als erhellend" findet der Rezensent etwa, wenn die Biografin die Flucht des Juden Drach ins Exil nachzuempfinden sucht. Aufgrund ihrer Nähe zu Drach gelingt es Schobel zum Bedauern des Rezensenten nicht, Drach "losgelöst von den eigenen Gefühlen, nicht im ganzen und fast nie im Großraum der Geschichte" zu erfassen. Stattdessen versinke sie immer wieder in den Details, in den Geschichten eines Erzählers, "gegen dessen Charme man sich stärker hätte wappnen müssen, als es die Biografin konnte oder wollte".

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