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In jedem Stein liegt eine eigene Geschichte
Manchmal ist das, was uns als Zufall erscheint, voller Zwangsläufigkeit. Im Rückblick betrachtet, zumindest. Oder auch umgekehrt kann das, was wir für Notwendigkeit halten, in Wahrheit nichts als Zufall sein. Enorm unterhaltsam und mit dem ihm eigenen Sinn für das, was sich unserem Alltag nicht fügen will, kreisen Franz Hohlers Erzählungen um das, womit niemand rechnet, das aber umso zielstrebiger geschieht.
Was hat einen jungen Mann während einer Demonstration dazu getrieben, einen unauffälligen Stein neben sich aufzuheben und ihn in die Menge
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Produktbeschreibung
In jedem Stein liegt eine eigene Geschichte

Manchmal ist das, was uns als Zufall erscheint, voller Zwangsläufigkeit. Im Rückblick betrachtet, zumindest. Oder auch umgekehrt kann das, was wir für Notwendigkeit halten, in Wahrheit nichts als Zufall sein. Enorm unterhaltsam und mit dem ihm eigenen Sinn für das, was sich unserem Alltag nicht fügen will, kreisen Franz Hohlers Erzählungen um das, womit niemand rechnet, das aber umso zielstrebiger geschieht.

Was hat einen jungen Mann während einer Demonstration dazu getrieben, einen unauffälligen Stein neben sich aufzuheben und ihn in die Menge zu schleudern? Warum begeistert sich der Präsident eines Landes an einem frühen Morgen für eine junge Katze und gewährt ihr, gegen den Rat seiner hochrangigen Mitarbeiter, einen ersten Unterschlupf in seinem Büro? Ahnt er, dass dieses Tier ihn retten wird? Oder wer genau ist der als König verkleidete Mann, der am vierzigsten Geburtstag eines Mannes mit einem Hornschlitten bei ihm auftaucht? Ist es der Tod oder ein unbekannter Helfer, ein Geist oder ein Phantasieprodukt, das der heftig an Fieber leidende Mann selbst geschaffen hat?

Franz Hohler, der sich schon früh mit dem Band »Die Rückeroberung « und zuletzt mit den Bänden »Die Torte« und »Das Ende eines ganz normalen Tages« großes Ansehen als Erzähler erworben hat, erkundet in seinen neuen Geschichten die kaum exakt auszumachende Grenze, die zwischen dem Wahrscheinlichen und Unwahrscheinlichen, zwischen dem Erwartbaren und dem Zufall liegt. Ihn beschäftigt das Unwägbare, das nur schwer zu Greifende, und dies keineswegs nur, weil es Angst und Schrecken verbreiten kann. Diesem Unwägbaren verdanken Franz Hohlers Figuren auch ihr Glück - und seine Erzählungen ihre vollendet unpathetische Schönheit.
Autorenporträt
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2012

Nachmittags bei Rousseau
Gestrichen wie ein Cello: "Der Stein" von Franz Hohler

Es spricht für den Humor eines Autors, gut gelaunt die gemeinsten Äußerungen über das eigene Werk auf der persönlichen Homepage zu plazieren: "Etwas ausgeleiert", "ernsthaft verstaubt", "im Großen und Ganzen ist Hohlers Prosa tot". Mit Ironie führt Franz Hohler sein Leben und Schaffen vor und erhebt sich damit lächelnd über die Selbstdarstellung vieler Kollegen. Aber Hohler ist ja auch nicht nur ein bekannter Erzähler, Theater- und Kinderbuchautor, sondern Kabarettist - und in der Schweiz weltberühmt.

Seit Jahrzehnten steht er mit Cello und einem Soloprogramm auf der Bühne, lässt sich im Radio und Fernsehen hören. Franz Hohler hat viele Preise, darunter den Kulturpreis der Stadt Zürich, bekommen und wird nicht nur für sein politisches Engagement gelobt, sondern auch für seine literarischen Fähigkeiten gepriesen. Gut ist er dort, wo es schlicht und konzentriert zugeht, sein realistischer Blick auf die denkwürdigen, wunderbaren oder bedrohlichen Erscheinungen des Lebens trifft. So begegnet in seinem neuen Erzählungsband der Regierungschef eines kleinen europäischen Landes eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit einer jungen Katze, die ihm fortan folgt. Nach einigem Zögern nimmt der nüchterne Mann die Begleitung an und erlebt überrascht die Rückkehr des Kreatürlichen in seinen Alltag. Das Kätzchen räkelt sich während einer Sitzung zur Senkung der Gesundheitskosten und verwüstet wenig später die Ordnung des Präsidialbüros. Die Stärke der Geschichte liegt weniger in der sanft schnurrenden Kulturkritik als in der Schilderung der durch einen kleinen Umstand veränderten Lebenswelt.

Die meisten Erzählungen dieses Bandes sind klar strukturiert und laufen gerade auf eine merkwürdige Begebenheit oder ein unerwartetes Ende zu. In einigen Fällen streifen sie dabei das Phantastische - wie in der Geschichte von den alten Eheleuten, die in ihrer Hütte hoch oben am Berg Wetter und Schnee trotzen. In ihre Überlegungen, sich mit dem Helikopter ausfliegen zu lassen, mischen sich plötzlich Stimmen ihrer verstorbenen Verwandtschaft. Die literarische Gattung und das naturgewaltige Leitmotiv verbinden die Geschichte mit der bekanntesten Novelle des Autors, der vor dreizehn Jahren erstmals erschienenen "Steinflut", einer tief beeindruckenden Literarisierung des Bergsturzes von Elm am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Mit diesem Werk stieg Hohler auf die Höhen der Schweizer Literatur: In seiner zurückhaltenden Sprache schilderte er aus der Perspektive eines kleinen Mädchens die Welt des Bergdorfs, bevor diese durch einen abbrechenden Berg zerschlagen wird.

Den Gipfel des eigenen Werks erreichen die neuen Erzählungen nicht. Sie liefern aber Auskünfte über das Selbstverständnis des Autors. In der Erzählung "Ein Nachmittag bei Monsieur Rousseau" spiegelt es sich im fiktionalen Monolog des französischen Malers. Dessen Urwälder mit ihren riesigen Blüten und Pflanzenblättern, den naiven Figuren und den scharf konturierten, zähnebleckenden Tieren stehen für eine Mischung aus Realismus und freigesetzter Einbildungskraft, die auch Hohler bewegt. Wir wollen nicht Zöllner sein, sagt Rousseau, sondern Schmuggler - Schmuggler der Schönheit, Schmuggler einer Wirklichkeit, die sich zum Unerklärlichen hin öffnet. An die Stelle eines vermittelbaren Sinns tritt bei Hohler allerdings die Beobachtung des Zufalls und seiner Wirkung im Guten wie im Schlechten.

In der titelgebenden Erzählung wird ein Stein in rhythmischer Prosa durch die geologischen und evolutionären Stadien der Erde begleitet, bis er in der Hand eines Jugendlichen liegt, der ihn mit großer Kraft hinter sich schleudert und trifft. Viele der neuen Erzählungen Franz Hohlers lesen sich recht ernst. Munter und witzig war er zuletzt mit einem im Frühjahr erschienenen Gedichtband für Kinder. Im "Großen und Ganzen" ist aber auch Hohlers Prosa immer noch lebendig.

SANDRA KERSCHBAUMER

Franz Hohler: "Der Stein". Erzählungen.

Luchterhand Literaturverlag, München 2011. 144 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sandra Kerschbaumer stellt uns Franz Hohler als bekannten schweizerischen Schriftsteller und Kabarettisten vor, der in seiner Heimat für sein politisches und literarisches Engagement gewürdigt wird und in TV und Radio präsent ist. Seine in diesem Band gesammelten Erzählungen zelebrieren vor allem den Einbruch des Zufalls oder gar des Fantastischen, der die gradlinig gebauten Geschichten auf ein unerwartetes Ende zulaufen lassen, verrät uns die Rezensentin. Einen Höhepunkt im Schaffen des Autors kann Kerschbaumer hier zwar nicht entdecken und vermisst ein bisschen die Munterkeit, die Hohler zuletzt in einem Kindergedichtband an den Tag gelegt hat. Doch kann man ihnen auch Hohlers eigene Poetologie ablesen, meint die Rezensentin insgesamt doch recht angetan, wenn der Autor zum Beispiel in der Erzählung "Ein Nachmittag bei Monsieur Rousseau" seine Kunst zwischen Realismus und Fantasie reflektiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Hohlers Erzählungen verdanken ihren besonderen Reiz dem schlichten Stil, in dem er von Unfassbarem, Phantastischem erzählt, das in den Alltag eindringt." Neue Zürcher Zeitung