• Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Der Skandalroman aus Ägypten ein Plädoyer gegen jegliche Gewalt im Namen der Religion In Ägypten war dieser Roman über das abenteuerliche Leben eines frühchristlichen Mönchs sofort nach seinem Erscheinen ein Bestseller. Youssef Ziedans Roman, ein Plädoyer für eine undogmatische, lebensbejahende Religiosität, löste große Kontroversen aus die Koptische Orthodoxe Kirche forderte (vergeblich) ein Verbot des Buches, muslimische Scheichs protestierten gegen den Autor. Nach einem abenteuerlichen Leben schreibt der koptische Mönch Hypa seine Erinnerungen nieder, um Rechenschaft abzulegen: über seine…mehr

Produktbeschreibung
Der Skandalroman aus Ägypten ein Plädoyer gegen jegliche Gewalt im Namen der Religion
In Ägypten war dieser Roman über das abenteuerliche Leben eines frühchristlichen Mönchs sofort nach seinem Erscheinen ein Bestseller. Youssef Ziedans Roman, ein Plädoyer für eine undogmatische, lebensbejahende Religiosität, löste große Kontroversen aus die Koptische Orthodoxe Kirche forderte (vergeblich) ein Verbot des Buches, muslimische Scheichs protestierten gegen den Autor.
Nach einem abenteuerlichen Leben schreibt der koptische Mönch Hypa seine Erinnerungen nieder, um Rechenschaft abzulegen: über seine eigenen Verfehlungen, die der frühchristlichen Kirche und vielleicht sogar der Gläubigen überhaupt. Geboren im südlichen Ägypten, wuchs Hypa noch mit dem Glauben an die alten ägyptischen Götter auf. Als junger christlicher Mönch studierte er später Medizin, begab sich auf Wanderschaft und geriet mitten in die leidenschaftlichen theologischen Auseinandersetzungen, die im fünften Jahrhundert die Kirche erschütterten: In Alexandria erlebt Hypa, zu welch grausamer Gewalt Christen fähig sind, in den Höhlen am Toten Meer betet er um Erleuchtung und Erlösung von seinen Seelenqualen, in Jerusalem lernt er Bischof Nestorius kennen, der wegen widerstreitender theologischer Auffassungen exkommuniziert wird, und in einem abgeschiedenen Bergkloster zwischen Antiochia und Aleppo schreibt er schließlich auf, was ihm alles widerfahren ist. Denn da gibt es auch noch Oktavia, die schöne alexandrinische Heidin, die ihn fast von seinem Weg abbringt, und Martha, eine junge christliche Chorsängerin und immer wieder Azazel, den Teufel, der ihn zaudern und zweifeln und sündigen lässt, der ihn zur Niederschrift nötigt und von sich behauptet, ein Teil von Hypa selbst zu sein.
Autorenporträt
Youssef Ziedan wurde 1958 geboren und ist Professor für Islamische Philosophie mit Schwerpunkt Sufismus. Außerdem ist er Direktor der Handschriftenabteilung der Bibliothek von Alexandria. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen hat Youssef Ziedan mehrere Romane veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2012

Der Name des Röschens
Arabischer Booker-Preis: Ein Mönchsroman aus Ägypten

Youssef Ziedan ist einer der klügsten Männer Ägyptens und hütet als Leiter der Handschriftenabteilung in der schönen neuen Bibliothek von Alexandria zahllose ungehobene Schätze. Doch Ziedan kennt sich nicht nur im arabischen Mittelalter aus, sondern auch im frühen Christentum, dessen Geschichte zu einem großen Teil in seiner Heimatstadt geschrieben wurde. In Gestalt der koptischen Kirche hat das Christentum bis heute seinen Platz in Ägypten, freilich angefeindet von muslimischen Fanatikern und bis heute von der Staatsmacht immer dann unter Druck gesetzt, wenn es gerade opportun scheint.

Wenn daher Youssef Ziedan einen Roman schreibt, der zu Beginn des fünften Jahrhunderts spielt und den Fanatismus und die Schismen des frühen Christentums zum Hintergrund hat, ist dies fast schon ein Politikum - und wurde bei Erscheinen der arabischen Ausgabe 2008 auch so wahrgenommen. Übereifrige Kopten warfen dem Autor sogar Geschichtsfälschung vor. Sie hatten Ziedans Herausgeberfiktion allzu wörtlich genommen und hielten das Buch wirklich für die Übersetzung eines altsyrischen Manuskripts.

Tatsächlich legt Ziedan den Finger in die empfindlichste Wunde der koptischen Kirche, nämlich ihre Berufung auf Bischof Cyrill von Alexandria (375-444), einen der fanatischsten spätantiken Kirchenväter und Hauptverantwortlichen für die spätere Aufspaltung der Ostkirchen. Die pikierte Reaktion vieler Kopten verschaffte dem Buch in Ägypten ungeahnte Aufmerksamkeit, aber sie war unfair. Religiöse Hetze kann man Ziedan nicht vorwerfen. Die Botschaft des Buchs ist vielmehr zutiefst human. Wenn der Mönch Hypa, der Erzähler und Held von Ziedans Geschichte, mit Cyrill härter ins Gericht geht als mit dessen Gegenspieler Nestorius, so hat dies gute, historisch belegbare Gründe, vor allem Cyrills Intoleranz gegen die spätantiken Philosophen und den von ihm angezettelten Lynchmord an der Mathematikerin Hypatia, einer der letzten großen Vertreterinnen des antiken Weltwissens in Alexandria.

Mit seiner dezidierten Kritik am religiösen Fanatismus richtet sich Ziedan nicht gegen die Kopten, sondern gegen genau den radikalisierten Islam, der im heutigen Ägypten den Kopten und den Säkularen gleichermaßen das Leben schwermacht. Die meisten arabischen Leser und Kritiker haben das verstanden, der Roman wurde mit dem arabischen Booker-Preis ausgezeichnet und verkaufte sich sensationell.

Wenn wir das Buch jetzt auf Deutsch lesen, fällt freilich auf, dass seine Faszination für arabische Leser auf Voraussetzungen beruht, die hierzulande nicht unbedingt gegeben sind. Mit seiner stupenden Belesenheit kann Ziedan aus dem Vollen der arabischen Rhetorik schöpfen. Er schreibt ein gediegenes und doch kaum je manieriertes Hocharabisch, wie es in der gegenwärtigen arabischen Literatur selten geworden ist und das Herz jedes gebildeten arabischen Lesers höher schlagen lässt. Die Übersetzung von Larissa Bender, so gelungen und flüssig lesbar sie ist, kann diesen Effekt schon deshalb nicht nachahmen, weil die stilistischen Unterschiede in der besseren deutschen Literatur nicht annähernd so groß sind wie im Arabischen und weil der Versuch einer Stil-Imitation unweigerlich parodistisch gewirkt hätte.

Was im Arabischen edel klingt, verwandelt sich auf Deutsch daher zuweilen in Edelkitsch, besonders in den Liebesszenen: "Auch sie schaute mich an, ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen, welches ihrem Antlitz noch größeren Zauber verlieh . . . Ihre Schönheit, dachte ich mir, knechtete jeden, der ihrer ansichtig wurde, denn sie war unerträglich verführerisch und unerreichbar weit fort."

Es ist nicht die sprachliche Kraft des Buchs, die die deutschen und arabischen Leser gleichermaßen faszinieren dürfte, sondern der geschichtliche Hintergrund. Zwar ist der historische Roman seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts ein eingeführtes Genre in der arabischen Literatur, doch haben die Autoren fast ausschließlich die islamische Geschichte oder, wie Nagib Machfus, die pharaonische Zeit zur Vorlage genommen. Das vorislamische Christentum war bis zu diesem Buch von Youssef Ziedan selbst bei christlich-arabischen Autoren kein Thema. Ziedan greift die entscheidende Epoche zwischen der Ermordung Hypatias 415 und dem Konzil von Ephesos 431 heraus und lässt seinen mönchischen Helden zum Zeugen von Ereignissen werden, in die er zwar nur am Rand involviert ist, die ihn jedoch zum Verfassen der Aufzeichnungen veranlassen, die wir lesen.

Die theologischen Positionen werden im Buch knapp, aber historisch akkurat diskutiert, ohne den Leser mit Details zu ermüden. Für muslimische und an Religionsgeschichte interessierte Leser ist interessant, dass die nestorianische Position, die auch Hypa vertritt und, vereinfacht gesagt, von einer Trennung der göttlichen und menschlichen Natur Christi ausgeht, die spätere im Koran formulierte Auffassung von der rein menschlichen Natur Christi vorwegnimmt.

Hypa quälen Glaubenszweifel, und darin ist er natürlich nicht spätantik, sondern auf eine fast schon existentialistische Weise unser Zeitgenosse: "Alles an mir ist zweifelhaft . . . meine Taufe, mein Mönchstum, mein Glaube, meine Gefühle, meine Heilkünste, meine Liebe zu Marta . . . Ich bin ein Zweifel im Zweifel." In Gestalt von Einflüsterungen Azazels, einer der Manifestationen des Satans in der vorderorientalischen Tradition, findet dieser Zweifel seinen Ausdruck und treibt ihn, auch dies sehr modern, zur Abfassung seiner persönlichen Lebensgeschichte.

All das könnte spannend sein. Doch leider bleibt die Erzählung in einem entscheidenden Punkt, der Hauptfigur, eigentümlich blass. Sosehr der Teufel in Gestalt Azazels diesem Mönch Tiefe zu geben versucht: Hypa ist ein vollkommen ironiefreier Gutmensch, dem alle Abgründe fremd sind, ein Simplizissimus ohne dasjenige, was solche Charaktere üblicherweise auszeichnet: Verschlagenheit, Schelmenhaftigkeit, Witz. Alles Pikareske ist dem Buch fremd, besonders dort, wo Hypa am liebsten über seinen edelmütigen Schatten spränge, nämlich, wenn er Frauen trifft und es vor hehren Gefühlen und schwülstiger Lüsternheit nur so trieft. Der Autor nimmt seinen Helden und dieser Held sich selbst so grausam ernst, dass sie einem am Ende beide ein wenig leid tun. Dieses Buch, das intellektuell und sprachlich alle Ingredienzien hätte, ein arabisches "Der Name der Rose" zu werden, erscheint im Vergleich mit diesem großen Vorbild dann doch nur wie "Der Name des Röschens".

STEFAN WEIDNER.

Youssef Ziedan: "Azazel". Roman.

Aus dem Arabischen von Larissa Bender. Luchterhand Verlag, München 2011. 447 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beachtlich und mutig findet Stefan Weidner die Beschäftigung des Autors mit der christlichen Tradition der koptischen Kirche Ägyptens, namentlich mit dem Bischof Cyrill von Alexandria. Den teils heftigen Reaktionen der Kopten bei Erscheinen des Romans 2008 möchte der Rezensent widersprechen. Er findet das Buch human und frei von religiöser Hetze und erkennt die Kritik des Autors nicht gegen die Kopten gerichtet, sondern gegen einen radikalisierten Islam. Das der Text für deutsche Leser nicht die gleiche Faszination birgt wie für arabische Leser, führt Weidner auf die rhetorischen Besonderheiten des Arabischen zurück, die er in der an sich gelungenen Übersetzung von Larissa Bender nicht wiederfindet, sondern mitunter sogar "unweigerlich" parodiert sieht. Für Weidner liegt der Reiz denn auch eher in der historisch-theologischen Dimension des Textes, die Youssef Ziedan ihm akkurat und knapp vermittelt. Spannung aufzubauen gelingt dem Autor laut Weidner hingegen kaum. Zu blass bleibt die Hauptfigur, kein Picaro beileibe nicht, bedauert er, eher ein Simplizissimus, und die Handlung findet er erschreckend frei von jeglichem Witz.

© Perlentaucher Medien GmbH