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"Die Insel" ist eine Ansammlung schäbiger, langsam verfallender Häuser in Marianao (Havanna). Sie besteht aus dem "Diesseits" -den Häusern und einem verwilderten Garten voller nachgemachter antiker Skulpturen- und dem "Jenseits", dem angrenzenden Wald, durch den verwachsene Pfade zum nahen Meer führen. Eine eingeschworene Gemeinschaft bewohnt die Häuser der "Insel": die Barfüßige Gräfin, die wie eine Königin im Exil mit Eleganz durch den Garten streift und apokalyptische Visionen hat; Onkel Rolo, ein alternder homosexueller Buchhändler, der auf dem Bahnhof Anschluss zu finden hofft; seine…mehr

Produktbeschreibung
"Die Insel" ist eine Ansammlung schäbiger, langsam verfallender Häuser in Marianao (Havanna). Sie besteht aus dem "Diesseits" -den Häusern und einem verwilderten Garten voller nachgemachter antiker Skulpturen- und dem "Jenseits", dem angrenzenden Wald, durch den verwachsene Pfade zum nahen Meer führen. Eine eingeschworene Gemeinschaft bewohnt die Häuser der "Insel": die Barfüßige Gräfin, die wie eine Königin im Exil mit Eleganz durch den Garten streift und apokalyptische Visionen hat; Onkel Rolo, ein alternder homosexueller Buchhändler, der auf dem Bahnhof Anschluss zu finden hofft; seine Schwester Helena, die für Ordnung auf der "Insel" sorgt, und ihr Sohn Sebastian, der einem rätselhaften, verwundeten Matrosen begegnet; der schwarze Bäcker Merengue auf der Suche nach seinem Sohn Chavito; Casta Diva, die ihrer Karriere als Sängerin nachtrauert; Irene, deren Gedächtnis sich immer mehr verflüchtigt, bis sie nicht einmal mehr ihren Namen kennt und andere Gescheiterte, Zukurzgekommene.
Autorenporträt
Abilio Estévez wurde 1954 in Havanna, Kuba, geboren. Nach seinem Studium der Hispanistik an der Universität von Havanna war er Dramaturg der Theatergruppe Irrumpe, Redaktionsleiter der Zeitschrift "Conjunto", Leiter der Abteilung Teatro Latinoamericano der Casa de las Americas, Kulturredakteur der Literaturzeitschrift "El Caimán Babudo" sowie der spanischen Zeitschrift "Quimera" und der polnischen Zeitschrift "Dialog". Derzeit arbeitet Estévez als Berater für das kubanische Filminstitut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.04.2000

Auch Gessner ist kein Vergessner
Der Kubaner Abilio Estévez überfrachtet seinen ersten Roman mit europäischem Bildungsgut
Mariano, eine kleine Stadt in der Nähe von Havanna. Dort, in einer Ansammlung schon fast verfallener Häuser, genannt „die Insel”, lässt Abilio Estévez seinen (1996 geschriebenen) Roman Dein ist das Reich spielen. Von der heißen Straße aus betritt tritt man durch ein Gittertor in einen kühl-feuchten Vorhof und befindet sich alsbald in einem fantastischen Areal mit Kolonnaden und voller Kopien antiker Statuen: Der Apoll von Belvedere fehlt ebenso wenig wie die Nike von Samothrake – alle aus Ton geformt von Chavito, dem Sohn des schwarzen Bäckers Merengue. Hinter der „Insel” liegt der Tropenwald, das „Jenseits”, erreichbar durch eine schiefe hölzerne Pforte. Die Inselmenschen in ihrer Enklave zwischen Geborgenheit und Gefangenschaft, durch Trägheit und Gewohnheit zusammengeschmiedet, leben in einer überschaubaren Welt für sich. Im Gegensatz zum brodelnden Havanna, dessen Licht allein schon von solcher Gewalt ist, „dass Havannas Zeit nicht verstreicht”, die Metropole „mehr Illusion als Stadt” werden lässt.
Aber auch das Leben der Menschen in ihrem halb realen, halb mystischen „Insel”-Refugium ist aus dem Stoff der Träume und Gespinste. Als da sind: eine „Barfüßige Gräfin” mit der Haltung einer greisen und von klarsichtigem Wahn gezeichneten Kaiserin im Exil, die in tadellosem Deutsch Gessners Idyllen rezitiert; „Casta Diva”, in ihrer Jugend natürlich Opernsängerin, die alte Fotografien, Schminke und Partituren hervorholt, als seien es „Überreste eines Schiffbruchs”; Onkel Rolo, Gelegenheitsdichter und Besitzer einer wohlsortierten Buchhandlung, der glaubt, in einem früheren Leben Baudelaire gewesen zu sein; die blinde Marta, die in ihren Visionen durch ein nie gesehenes Brügge, Florenz, Paris geht, ein rätselhafter Matrose als Mischung aus Querelle de Brest und Ahasver, oder Irene, die die Bedeutung der Dinge vergisst, zum Beispiel, wer ihr den zerbrochenen Krug einst schenkte, aber, so weiß der Autor, „zerbricht ein Krug, geht noch ganz anderes mit ihm in die Brüche”.
Anspielungen und Zitate im Übermaß durchziehen das Buch, als wollte der 1954 in Havanna geborene Abilio Estévez den gesamten Bildungsschatz der alten Welt mit Macht auf seine junge Antilleninsel zwingen. Doch ob beim Maskenfest eines dekadenten, schwulen Kunsthändlers mit „Mussolini-Fratze”, wo sich in den Kostümen von Stalin, Madame Butterfly, Eleonora Duse bis Kardinal Mazarin die Demimonde einer untergehenden Gesellschaft ein Stelldichein geben oder beim Gang durch Scheherezades Schattenreich der Dichter zwischen Tomasi di Lampedusa, Hölderlin, Wordsworth, Strindberg und Gérard de Nerval: Die herbeizitierten, historischen und literarischen Patenschaften allein verbürgen noch nicht die Welthaltigkeit der eigenen Prosa.
Dabei hätte Estévez diesen aufdringlichen Wissensprunk gar nicht nötig. Denn in wesentlichen Teilen seines Buches zeigt er, mit welch diskreten und umso poetischeren und ausdrucksstarken Mitteln er Assoziationen zu wecken versteht. So beginnt das erste Kapitel mit dem suggestiven Titel „Eine Nacht in der Geschichte der Welt” mit einem lang anhaltenden, die Sinne aufrührenden Sturm, der die Bewohner der Insel zusammen und aufeinander führt, seltsame Dinge geschehen lässt, auch ohne dass ein Prospero oder Ariel die Fäden zöge. Es ist eine Oktobernacht im Jahre 1958, in der zwei halbwüchsige Jungen einen schönen, von Pfeilen überall am Körper verwundeten jungen Mann, eingewickelt in die Fahne Kubas, in einer aufgelassenen Schreinerei im „Jenseits” finden. Geheimnisvolle Vorboten für Umbruch, Untergang und den Beginn einer neuen Zeitrechnung. Denn Estévez’ Roman spielt am Vorabend der Machtübernahme der Rebellen um Fidel Castro. Er endet am 31. Dezember 1958, so wie das korrupte Regime des Präsidenten Batista.
Aber Politik spielt außer in sehr dezenten, eher ins Mystische gerückten Zeichen, keine Rolle. Das vorsozialistische Kuba ist eine Welt der nur zu menschlichen Leidenschaften, Träumen von individuellem Glück und den klassischen Sehnsüchten des Inselbewohners, „den Bannkreis des Meeres” zu brechen, auf und davon zu gehen. Es ist ein Hort für Geschichten und Geschicke, so wild und üppig wuchernd, wie der tropische Urwald, Kontrapunkt zur drückenden Eintönigkeit des Klimas, Stachel gegen Lethargie und Verzweiflung. Estévez kennt das finstere und das lachende Herz Kubas und seiner Menschen, die nichts davon wissen wollen, dass sie nun mal „allein auf Erden wandeln, dass nur sie selbst verantwortlich sind für ihre Taten, für ihr Schicksal”, die wie ein „Volk von Kindern” sind, „die Streiche treiben, damit Erwachsene Beifall klatschen oder sie im Fall der Gefahr retten”.
Ob blutschänderischer Gründungsmythos oder Allerseelenritual, Estévez verführt seine Leser mit – auch in der Übersetzung von Susanne Lange – wunderbar lyrischen Bildern und magischen Visionen, um oft gleich darauf mit charmantem Augenzwinkern vorzuführen, wie wenig dem literarischen Schein zu trauen ist. In Brechtscher Manier stellt er sich neben seinen Text, um ihn von außen kommentierend zu betrachten, ein Verfahren, das momentan en vogue zu sein scheint, denkt man an die letzten Bücher von Margriet de Moor oder Antonia S. Byatt. Der Dichter, so liest man’s im umfangreichen Epilog, ist der uneingeschränkte Herr der Dinge, sein ist das Reich der Fantasie, denn erfundene Figuren sind die wahre Realität und nur durch Erzählen wird das Leben gerettet.
Nachdem er die Granden von etwas fünfhundert Jahren Weltliteratur in seinem Buch hatte Revue passieren lassen, zeugt diese kokette Selbstinthronisation wahrlich nicht von einem Mangel an Selbstbewusstsein. Und so bleibt der leicht zwiespältige Eindruck von einem bemerkenswerten Romancier, der seine opulenten Mittel etwas zu demonstrativ ausstellt.
BARBARA VON BECKER
ABILIO ESTÉVEZ: Dein ist das Reich. Roman. Aus dem kubanischen Spanisch von Susanne Lange. Luchterhand, München 2000. 476 Seiten, 48 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hier hat ein ?bemerkenswerter Romancier?, dies der Schluss der Rezensentin Barbara von Beckers, ?seine opulenten Mittel etwas zu demonstrativ ausgestellt?. Vor allem die Anspielungen und Zitate aus Literatur und Philosophie des alten Kontinents, mit denen der junge kubanische Autor seine Protagonisten und ihre Leben ausgestattet hat, haben sie verärgert. Da halluziniert die blinde Marta von Brügge, Florenz und Paris, gibt es eine Irene, deren zerbrochener Krug mehr Zerbrochenes bedeutet als nur ihn; da glaubt ein alter Buchhändler, in seinem früheren Leben sei er Baudelaire gewesen und eine ?barfüßige Gräfin? zitiert Gessners Idyllen. Dabei leben sie alle in einer Enklave namens Mariano unweit der kubanischen Hauptstadt Havanna, und könnten sich eigentlich, so scheint die Rezensentin zu sagen, auf diesen Ort und seine Geschichte, d.h. Kuba zwischen dem Beginn der Revolution und Battistas Sturz am 31.Dezember 1958, beschränken. Allerdings geht es auch dort, wo sie das tun, weniger um Politik als um ?das finstere und das lachende Herz Kubas und seiner Menschen?, um Sehnsüchte des Davongehens und der Suche nach Glück. Wo der ?aufdringliche Wissensprunk? ihr den Blick nicht verstellt hat, anerkennt die Rezensentin dann durchaus die Fähigkeiten des Autors, mit ?diskreten und umso poetischeren Mitteln?, ?lyrischen Bildern und magischen Visionen? den Leser zu gewinnen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Roman von übersprudelndem Erfindungsreichtum ... ein außergewöhnlich vollendeter Romancier, der die Kunst der literarischen Verführung meisterhaft beherrscht." (Kirkus Reviews)
"Estevez ist ein großes erzählerisches und lyrisches Talent, gleichzeitig präzise und visionär, sinnlich und elegisch." (Corriere della Sera)
"Ohne Zweifel ein großer Schriftsteller." (La Stampa)
"Eine atemberaubend schöne Sprache, lebendig und üppig, wie die Flora, die er beschreibt." (Le Monde)
"Sein Buch ist ein Wunder!" (Figaro)