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Norwegens Meister der Kurzgeschichte
Pünktlich zum 80. Geburtstag des Autors am 30. September: eine Sammlung seiner Kurzgeschichten, ausgewählt vom Autor selbst.

Produktbeschreibung
Norwegens Meister der Kurzgeschichte

Pünktlich zum 80. Geburtstag des Autors am 30. September: eine Sammlung seiner Kurzgeschichten, ausgewählt vom Autor selbst.
Autorenporträt
Kjell Askildsen wurde am 1929 in Mandal, Norwegen geboren. Er gilt als der Beckett Norwegens. Er ist längst ein Klassiker in Skandinavien, für seine knappe, karge, lakonische Kurzprosa berühmt, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, in zwanzig Sprachen übersetzt, in Deutschland noch zu entdecken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2009

Schlafwandler mit Stil

Wortkarg, aber aufregend: In den Erzählungen des Norwegers Kjell Askildsen enden die bösen Träume auch beim Erwachen nicht.

Große Güte, Askildsens Helden! Unsympathische Zeitgenossen: alte einsame, sture Männer, schnell beleidigt, nie zufrieden - auch nicht mit sich, also neidisch auf jeden, der nur einen Funken Selbstbewusstsein hat. Zuweilen erinnern diese miesepetrigen Misanthropen an den amerikanischen Schauspieler W. C. Fields, so komisch sind sie in ihrer Griesgrämigkeit eben auch. Sie fühlen sich in ihrer Einsamkeit wohl und doch wieder nicht. Das Schlimmste ist, wenn ihnen jemand mit Gefühlen kommt, das finden sie dann nur noch peinlich.

Einsamkeit, Angst und Liebe, mit so was können diese Männer nichts anfangen. Manchmal regt sich bei ihnen der Unterleib, doch das vergeht wieder, weil ihre Objekte immer unerreichbar sind. Das Leben erscheint als ewige Lüge, die Beziehungen sind vergiftet, aber zu einer sauberen Trennung reicht es selten, entweder übernimmt der Tod das, oder man arrangiert sich, innerlich ist alles zerstört, aber nach außen ist wieder "Alles wie vorher", so der Titel einer Erzählung. Askildsens Texte sind Zustandsbeschreibungen, wobei die Gefühlslage seiner Helden nicht immer schon im ersten Satz so klar ist wie in der Geschichte "Ein plötzlich befreiender Gedanke": "Ich wohne in einem Keller; das ist in jeder Hinsicht ein Ergebnis des Umstands, dass es mit mir bergab gegangen ist."

Und dann der Stil, wenn er denn einen hat! Askildsens Prosa hat wenig mit Literatur zu tun, wenn man an die Definition von Georges Simenon denkt. Der hat gesagt: "Ich habe versucht, alles zu vermeiden, was nach Literatur aussieht. Mein Ziel ist Einfachheit." Askildsens Sprache ist noch schmuckloser, seine Personen sind mundfaul. Sein Erzählen drängt sich nicht in den Vordergrund, es deutet viel an und verrät uns wenig, uns wird Luft zum Atmen gelassen, auch wenn uns manchmal der Hals wie zugeschnürt ist, wir müssen, nein, wir dürfen uns alles selbst denken. Seine Kargheit wirkt schlicht auf- und anregend - viel mehr als der Stil der magischen Realisten, dessen Farbigkeit uns blendet, oder der redegewandten Postmodernen, deren Ironie uns mundtot macht.

Askildsens Wortkargheit hat nichts mit Mallarmés "Poesie des Schweigens" zu tun, sondern eher mit dem Auslassen eines Raymond Carver (wobei dem Norweger anders als Carver nichts weggekürzt wurde, das tut er selbst). Aber Carvers Figuren sind mehr dem wirklichen Leben verhaftet, sie sind Zeitgenossen des American way of life. Askildsens Figuren haben vor allem seelische Probleme, sie leben in einer anderen Welt, wenn sie schlafen, träumen sie manchmal - oft verbotene erotische Träume -, doch wenn sie aufwachen, setzt sich ihr Traum einfach fort, sie nehmen ihn mit ins Leben. Anders gesagt, sie haben bei helllichtem Tage ein Phantasiebild vor Augen, das sie dann "mit in den Schlaf" nehmen. Askildsen hat Hermann Brochs große Romantrilogie "Die Schlafwandler" übersetzt, und auch seine Figuren gehen nun wie Schlafwandler durch die Welt, sie nehmen sie wahr und auch wieder nicht. In einer Erzählung gibt es einen direkten Hinweis auf Broch, einer der alten Männer liest das Buch "Esch oder Die Anarchie", es ist der zweite Band von Brochs Trilogie.

Kjell Askildsen wurde 1929 in der südlichsten Stadt Norwegens geboren, in Mandal. Er debütierte 1953 mit Erzählungen, die sein Vater entrüstet verbrannte. Askildsen schrieb dann einige Romane, denen seit dreißig Jahren nur noch Kurzgeschichten folgen. Er übersetzt auch: neben Broch auch Enzensberger, Brecht, Botho Strauß. In Deutschland ist er noch kaum bekannt, während er im Norden schon in die literaturkritische Terminologie eingegangen ist: Sein Landsmann Jan Kjærstad hat gesagt, wer sich über Gebühr an Metaphern- und Gefühlsarmut begeistere und alles Fabulierende von vornherein skeptisch beurteile, der weise unzweifelhaft das "Askildsen-Syndrom" auf.

Aus seinem schmalen Werk, in 56 Jahren ein Dutzend Bücher, hat Askildsen nun eine Auswahl zusammengestellt, Geschichten von 1966 bis 1999. Einige davon wurden vor knapp zwanzig Jahren schon einmal von Wolfgang Butt und Alken Bruns übersetzt. Aber Hinrich Schmidt-Henkels Übersetzungen erscheinen noch einfühlsamer, kongenialer, wenn man so will, bei Autoren wie Askildsen (oder dessen fernen Verwandten wie Jean Echenoz oder Tanguy Viel) trifft er den trockenen, pointierten Ton, erlaubt sich kaum ein überflüssiges Wort und erreicht damit eine bemerkenswerte Klarheit. Er ist der richtige Übersetzer für diese lakonische, minimalistische Literatur.

PETER URBAN-HALLE

Kjell Askildsen: "Ein schöner Ort". Erzählungen. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Luchterhand Literaturverlag, München 2009. 288 S., br., 9,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Peter Urban-Halle stellt den 1929 geborenen norwegischen Autor Kjell Askildsen vor, der hierzulande ziemlich unbekannt, in seinem Heimatland dagegen schon synonym für einen bestimmten Stil genannt wird. "Ein schöner Ort" ist eine Sammlung von zwischen 1966 und 1999 entstandenen Erzählungen und was dem Rezensenten als besonders charakteristisch darin erscheint, sind die misanthropischen, wortkargen Helden, einsame alte Männer, die mit Gefühlen nichts anfangen können, wie er uns wissen lässt. Damit korrespondiert der ausgeprägt minimalistische, karge Duktus der Askildsen'schen Prosa, der laut Urban-Halle aber viel Raum für die Gedanken der Leser lässt und somit ausgesprochen "auf- und anregend" wirke. Sehr angetan ist der Rezensent auch von der neuen Übersetzung der Erzählungen durch Hinrich Schmidt-Henkel, der in seinen Augen genau den richtigen, nämlich einen "trockenen, pointierten Ton" trifft.

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