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Einfühlsam, klug und mit überraschenden Einblicken in eine vergangene Epoche erschließt Jacques Le Goff in seinem Buch die (ernste) Bedeutung des 'Lachens' im europäischen Mittelalter.
Zutiefst verabscheut in Umberto Ecos "Der Name der Rose" der überstrenge Mönch Jorge de Burgos das unterhaltsame Gelächter der Menschen; nichts fürchtet er so sehr wie die Verbreitung einer verloren geglaubten Schrift des Aristoteles über das "Lachen". Eindringlich zeigt Le Goff, welche Bedeutung der mittelalterlichen Mensch dem Lachen zumaß: "Hat Jesus gelacht? Kann Gott überhaupt lachen? Verspottet der…mehr

Produktbeschreibung
Einfühlsam, klug und mit überraschenden Einblicken in eine vergangene Epoche erschließt Jacques Le Goff in seinem Buch die (ernste) Bedeutung des 'Lachens' im europäischen Mittelalter.

Zutiefst verabscheut in Umberto Ecos "Der Name der Rose" der überstrenge Mönch Jorge de Burgos das unterhaltsame Gelächter der Menschen; nichts fürchtet er so sehr wie die Verbreitung einer verloren geglaubten Schrift des Aristoteles über das "Lachen". Eindringlich zeigt Le Goff, welche Bedeutung der mittelalterlichen Mensch dem Lachen zumaß:
"Hat Jesus gelacht? Kann Gott überhaupt lachen? Verspottet der lachende Mensch denn nicht die göttliche Weltordnung?", so fragten sich besorgt Mönche und Gelehrte. Und doch: "Wenn Jesus auch Mensch war, dann war er auch ein Wesen, das lachen konnte."
Anschaulich schildert Le Goff die vielfältigen Anlässe, sozialen Formen und Funktionen des Lachens in der mittelalterlichen Gesellschaft und setzt es in die größeren geschichtlichen Zusammenhänge.
Mit großem historischen Scharfblick und unverwechselbarer Präzision bietet der Autor überraschende Einblicke in ein facettenreiches mentalitätsgeschichtliches Phänomen.
"Le Goff ist mehr als ein Historiker", schreibt M. Buholzer, "er ist ein Erzähler, zuweilen ein Poet der Geschichte."
Autorenporträt
LeGoff, Jacques
Jacques Le Goff, Jahrgang 1924, ehemaliger Präsident der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris, war einer der führenden Historiker Europas. Zahlreiche Werke, die größtenteils auch in deutscher Übersetzung Furore machten, weisen ihn als herausragenden Kenner des Mittelalters und als exzellenten Vertreter der Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung, der »Nouvelle Histoire«, aus. Le Goff starb am 1. April 2014. An der monumentalen Studie »Ludwig der Heilige« arbeitete Le Goff über 15 Jahre; es handelt sich zweifellos um die umfassendste und bedeutendste Biographie über den französischen König aus der Feder eines Historikers der Annales-Schule. Er erhielt zahlreiche Preise: 1987 den »Grand Prix National d'histoire du ministère de la Culture«, 1991 die »médaille d or du CNRS«, 1994 den Hegelpreis der Stadt Stuttgart, 1996 den »grand prix Gobert de l Académie française«, 1997 den »grand prix d histoire de la Ville de Paris«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2004

Das Mittelalter war keine Spaßkultur
Und Schlamperei ist nicht wirklich witzig: Jacques Le Goff verschenkt das lustigste Thema der Historischen Anthropologie
Eine Theorie des Lachens habe er nicht, erklärt der Mediävist Jacques Le Goff zu Beginn seinen Studien über das Lachen im Mittelalter; doch werde seiner Meinung nach zu wenig an den Körper gedacht, wenn vom Lachen die Rede ist. Die Lücke hätte sich schließen lassen, wenn Le Goff Aristoteles nicht falsch zitiert und Hellmuth Plessners Buch über „Lachen und Weinen” nicht ignoriert hätte.
Aristoteles hat das Lachen zu einer Besonderheit des Menschen erklärt und sie mit seiner zarten Haut, also unserer physiologischen Kitzligkeit, in Verbindung gebracht – nicht in der „Ethik” wie Le Goff glaubt, sondern in einer Abhandlung über die Körperteile der Tiere. Diese biologische Sicht ergänzte Plessner 2300 Jahre später nahtlos: Das Lachen war ihm ein Verlust körperlicher Selbstkontrolle, ausgelöst durch einen intellektuellen Reiz – eine Art unkörperlichen Kitzels.
Diese Beschreibung des Lachens als körperlich-geistigen Grenzphänomens erlaubt dem Historiker eine angemessen präzise Aufschlüsselung des Phänomens: Er kann unterscheiden zwischen der Geschichte der auslösenden Reize, also des Lächerlichen und Komischen; und der Geschichte des körperlichen Vorgangs, also seiner sozialen und moralischen Bewertung, Modulierung, Einhegung oder Entgrenzung im Prozess der Zivilisation. In der Mitte bleibt der offenbar unveränderlich fürs Lachen anfällige Mensch. Die Geschichte des Lachens ist ein Paradefall für historische Anthropologie.
Die beiden Aufsätze Le Goffs, die der Verlag in einem aufwendig gestalteten und seriös benachworteten Bändchen zusammenfasste, brausen methodisch gewaltig, doch ihr Ertrag ist im wesentlichen eine Stellensammlung, welche die Geringschätzung vor allem der frühmittelalterlichen Mönchskultur fürs Lachen belegt.
Nicht einmal die schlaueste Antwort auf die oft erörterte Frage, ob Christus gelacht habe, kommt präzise zur Geltung: Als wahrer Mensch habe Jesus natürlich die Fähigkeit zu lachen besessen; doch als wahrer Gott habe er sie nicht ausgeübt. Demut und Schweigen verboten den Mönchen eigentlich das Lachen; doch monastische Scherzsammlungen zeigen eine etwas weniger strenge Realität. Ins ergiebigere Spätmittelalter dringt Le Goff gar nicht mehr vor.
Dass das Mittelalter keine Spaßkultur war, ist nicht im Ernst als Neuigkeit zu werten; dass gleichwohl und gerade deshalb damals oft herzhafter und erschütternder gelacht worden sein mag als heute, können sich Nachdenkliche sogar selber zusammenreimen. Nicht wirklich witzig ist die leichtherzige Schlamperei, mit der dieser große Mediävist seit längerem Buch um Buch ausstößt. Im Getriebe der Seminare, des interdisziplinären Geschwafels auf internationalen Kongressen bleibt wenig Zeit für die Verifikation von Zitaten. Was dieses Büchlein an Quellenmaterial anbietet, kann ein findiger Leser sich in zwei Tagen zusammensuchen. Der Rest ist Verschwommenheit: Wer mit dem Diktaphon schreibt, hat keine Handschrift.
GUSTAV SEIBT
JACQUES LE GOFF: Das Lachen im Mittelalter. Mit einem Nachwort von Michael Schneider. Aus dem Französischen von Jochen Grube. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004. 128 S.... Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2004

Ein lachendes, ein weinendes Auge

Das Lachen ist eine ernste Angelegenheit. Keine sehr frohe Botschaft für einen Montag eigentlich; sehr witzig ist aber immerhin die Art, wie das Lachen im Lauf der Jahrhunderte gelegentlich so ernst genommen wurde, daß das Lachen einem wirklich vergehen konnte. Das zwanzigste Jahrhundert hat sich viel mit dem Lachen beschäftigt - wahrscheinlich, weil es so wenig zu lachen gab. Einer der großen Theoretiker des Lachens ist Michail Michilowitsch Bachtin, der die verschiedenen sozialanthropologischen und politischen Facetten des Lachens aufzuschlüsseln suchte. Der Philosoph Joachim Ritter hat einen bemerkenswerten Essay über das Lachen geschrieben, und neben Georges Bataille hat sich auch Freud mit dem Lachen beschäftigt; er hielt es für das Zeichen einer Verlegenheit oder eines Übersprungs, das etwas verdecken soll. Daß das Lachen keine eindeutige Sache ist, erweist schon die Vielfalt der sprachlichen Varianten: Man kann sich schief-, krumm- oder gar totlachen, kann auflachen und neuerdings auch ablachen, man kann jemanden verlachen, und es gibt das Hohnlachen.

Sobald man sich auf die Spur des Lachens macht, hält man unversehens einen Ariadnefaden in der Hand, mit dessen Hilfe man recht schnell und vor allem lustig zum Kern moralischer Wertvorstellungen einer Epoche gelangt. Wie es nicht anders zu erwarten ist, spielen in den Anschauungen über das Lachen die Antike und das Christentum in merkwürdigen Mischungen eine prägende Rolle.

Der französische Mediävist Jacques Le Goff, dessen intime historische Kenntnis und feines Gespür für das Mittelalter ihm eine künstlerisch zu nennende Hellsichtigkeit verleihen, ist vor einigen Jahren in drei Aufsätzen dem Lachen im Mittelalter nachgegangen. Die Texte erscheinen nun erfreulicherweise diese Woche auf deutsch, und wir wollen in einer Zeit, in der es nicht viel zu lachen gibt, sogleich auf dieses ebenso heitere wie instruktive Bändchen hinweisen (Jacques Le Goff: "Das Lachen im Mittelalter." Aus dem Französischen von Jochen Grube. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004. 120 S., br., 15,- [Euro]). Es tut der Freude nur geringen Abbruch, wenn man feststellen muß, daß die Übersetzung des französischen Textes durch Jochen Grube nicht immer ganz geglückt ist. Zu oft hält er sich sklavisch an die französische Rhetorik, die in der exakten Übernahme ins Deutsche unbeholfen und umständlich wirkt.

Die Mentalitätsgeschichte hat die Historizität menschlicher Gefühlsäußerungen vielfach erwiesen. Auch das Lachen hat eine Geschichte oder, wie Le Goff bemerkt, es hat genaugenommen zwei Geschichten: die des Lachens selbst und die seiner Anreize. Nicht immer haben die Menschen über das Gleiche gelacht, es bestand nicht einmal Einigkeit darüber, ob man überhaupt lachen dürfe und solle - auch wenn der große Aristoteles das Lachen für ein proprium des Menschen schlechthin hielt. Bis zum Ende des Mittelalters hat sich die Geistlichkeit mit der Frage beschäftigt, ob Christus auf Erden je gelacht habe. Man konnte diese Frage verneinen, aber wie konnte man dies dann mit Aristoteles vereinen? Der Kirche gelang es lange nicht, Ernst und Lachen zusammen zu denken; erst im zwölften Jahrhundert gelang ihr das, indem sie zwischen einem guten und einem verwerflichen Lachen unterschied. Bis dahin galt das Lachen, insbesondere im klösterlichen Leben der Mönche, als ein Verstoß gegen die Demut, als eine freche, unfromme Geste, wie Le Goff anhand der im sechsten Jahrhundert verfaßten "Regula Magistri" zeigen kann.

Mit Franz von Assisi drehte sich das Verhältnis sanft und doch fast vollständig um: Lachen als Lächeln wurde ein Attribut von Heiligkeit und Spiritualität - freilich wird bei Le Goff nicht recht klar, ob sich diese Revolution allein auf den Franziskanerorden bezog. Das Vorbild wurde gelegentlich jedenfalls so genau und exzessiv nachgeahmt, daß die Novizen einer franziskanischen Niederlassung in England am Ende in ein so verrücktes Lachen ausbrachen, daß der Generalminister die jungen Brüder vor solchen Übertreibungen warnte. Der heilige Franziskus habe sein Leben schließlich nicht mit hemmungslosem Lachen verbracht. Bei aller Warnung, es mit dem Lachen nicht zu übertreiben, begann mit dem zwölften Jahrhundert eine regelrechte kasuistische Wissenschaft vom Lachen, die festzulegen suchte, wer wann und wo in welcher Reihenfolge lachen dürfe. Das richtige Lachen wurde zu einer höfischen Kunst und mit Heinrich II. von England und Ludwig dem Heiligen zum Ausweis des guten Herrschers.

Eine Gegenkultur bildeten die mönchischen Verhaltensregeln insofern, als sie das Lachen eher zu unterdrücken suchten. Während das Weinen eine Art Auszeichnung war, bedeutete das Lachen etwas Schlechtes. Ausdrücklich wurden Worte, die zum Lachen reizten, als sündenhaft verdammt. Allerdings bedeutete das nicht, daß den Mönchen jegliche Zerstreuung schlechthin verboten gewesen sei. Im Gegenteil: In der Lebenspraxis, so schreibt Jacques Le Goff, sublimierten die Mönche gewissermaßen das laute, ungehemmte Lachen durch die "joca moachorum", vergnügliche Rätsel und Gedächtnisübungen. So kehrte das Lachen, das als ein aus der Sünde entstandener fleischlicher Genuß galt, auf dem Weg des gewitzten Geistes zurück.

MICHAEL JEISMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Zeit, "in der es nicht viel zu lachen gibt", wolle er sogleich auf dieses Buch von Jacques Le Goff hinweisen, schreibt Michael Jeismann, mit dem in dieser Woche drei Aufsätze des Historikers zum Lachen im Mittelalter auf Deutsch erscheinen, die vor einigen Jahren entstanden sind. Jeismann lobt die "intime historische Kenntnis" des französischen Mediävisten Le Goff und sein "feines Gespür für das Mittelalter", die ihm eine "künstlerisch zu nennende Hellsichtigkeit verleihen" würden. Jeismanns Freude konnte darum auch der Umstand keinen Abbruch tun, dass die Übersetzung durch Jochen Grube "nicht immer ganz geglückt" sei, insofern er sich zu oft "sklavisch an die französische Rhetorik" halte, die in der exakten Übernahme ins Deutsche "unbeholfen und umständlich" wirke. Inhaltlich kritisiert Jeismann, dass bei Le Goff "nicht recht klar" werde, ob die Umkehrung des mittelalterlichen Verhältnisses zum Lachen - eingeleitet mit Franz von Assisi, nach dem Lachen und Lächeln zu Attributen von Heiligkeit und Spiritualität umgedeutet wurden - sich allein auf den Franziskanerorden bezog. Aber auch dieser Mangel konnte der Freude des Rezensenten an der Lektüre dieses Buches offenbar nichts anhaben.

© Perlentaucher Medien GmbH