Marktplatzangebote
31 Angebote ab € 0,25 €
  • Gebundenes Buch

Die Geschichte einer Freundschaft - und einer Nacht, in der es um Tod oder Leben geht.
Eine ganze Nacht lang sitzt Vera an Zotts Bett. Er liegt nach einem Unfall im Koma, niemand weiß, ob er zurückkehren wird. Reden soll sie mit ihm, hat der Arzt gesagt, und das tut sie. Sie mahnt und schmeichelt ihm, sie flüstert, fragt und murmelt ihm ins Ohr. Sie zieht alle Register, spricht über ihre gemeinsame Zeit, die schon in der Jugend begann und im Erwachsenenalter eine dramatische Wendung erfuhr. Die Geschichte einer Freundschaft - und einer Nacht, in der es um Leben oder Tod geht.

Produktbeschreibung
Die Geschichte einer Freundschaft - und einer Nacht, in der es um Tod oder Leben geht.
Eine ganze Nacht lang sitzt Vera an Zotts Bett. Er liegt nach einem Unfall im Koma, niemand weiß, ob er zurückkehren wird. Reden soll sie mit ihm, hat der Arzt gesagt, und das tut sie. Sie mahnt und schmeichelt ihm, sie flüstert, fragt und murmelt ihm ins Ohr. Sie zieht alle Register, spricht über ihre gemeinsame Zeit, die schon in der Jugend begann und im Erwachsenenalter eine dramatische Wendung erfuhr.
Die Geschichte einer Freundschaft - und einer Nacht, in der es um Leben oder Tod geht.
Autorenporträt
Ulrike Kolb, geb. 1942, lebt als freie Schriftstellerin in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2003

Meine Stimme, seine Nabelschnur
Wortmächtig: Ulrike Kolb spricht den Geliebten zurück ins Leben

Die mythische Geschichte ist hinreichend bekannt: Als Orpheus, dem berühmten Sänger der Antike, die Gattin Eurydike durch einen tödlichen Schlangenbiß geraubt worden ist, steigt er in den Hades hinab, Eurydike wieder zurückzuholen. Mit der magischen Macht seines Gesangs erweicht er sogar den Herrscher der Unterwelt; er darf seine Gattin auf die Erde zurückführen. Da er sich aber, gegen das strenge Verbot, auf dem Weg ans Tageslicht nach Eurydike umschaut, bleibt sie ihm für immer verloren.

Nicht einmal eine Anspielung auf Orpheus und Eurydike gibt es in Ulrike Kolbs neuem Roman "Diese eine Nacht". Und doch entdeckt man in der modernen Romanfabel einen verkapselten Splitter der mythischen Geschichte. Eine lange Nacht sitzt Vera in der Klinik am Bett des geliebten Mannes, des Künstlers Zott, der im Koma liegt. Er hat bei einem Autounfall eine Art Schlaganfall erlitten, einen Thalamusinfarkt, der das Tor zum Bewußtsein verschließt; so ist er schon nicht mehr unter den Lebenden. Jemand müsse ihn zurückholen, hat der Arzt gesagt. "Hören Sie nicht auf, mit ihm zu reden, stellen Sie sich vor, Ihre Stimme sei eine akustische Nabelschnur, die ihn mit dem Leben verbindet."

Und wie Orpheus zu singen begann - nur die männliche und die weibliche Rolle sind vertauscht -, so beginnt Vera zu erzählen. Sie folgt auch dem Rat der Krankenschwester: "Streicheln Sie ihn, regen Sie alle seine Sinne an, singen Sie ihm etwas vor!" Vor allem aber sucht sie das Tor zur Erinnerung wieder zu öffnen. Zwei Leitmotive durchpulsen den Roman, die Frage "Zott, weißt du noch?" und das beschwörende "Wach auf! Wach auf!" Der Roman ist ein nicht abreißender Monolog, der endlich zum Dialog werden möchte. Wie Scheherazade in "Tausendundeiner Nacht" erzählend um ihr Leben kämpft, so erzählt Vera um das Leben des geliebten Mannes. Kein Atemholen gönnt sich die Erzählung, keine einschneidenden Satzzäsuren.

Obwohl der Versuch, Zotts Erinnerungsvermögen wiederzubeatmen, bei der gemeinsamen Jugend, zumal der Schulzeit in einem protestantischen Internat, einsetzt, folgt die Erzählung nicht dem Gesetz der Chronologie. Sie hält sich immer offen für die "frei flottierenden Gedächtnisteilchen". Und der Erzählerin gelingt es, die Ratschläge der Schwester zur Wiedererweckung der Sinne so suggestiv in eine Sprache der Sinnesverschmelzung umzusetzen, daß "das Glitzern zu hören ist, der Geruch zu sehen, das Rauschen auf der Haut zu spüren".

Die Wege Veras und Zotts haben sich getrennt und doch immer wieder magnetisch angezogen und gekreuzt, keine Trennung hat die innere Nähe aufheben können. Vera wurde eine die Welt bereisende Journalistin, Zott ein vielseitiger bildender Künstler, Zeichner, Bildhauer, Schöpfer von Installationen, Bühnenbildner und Filmemacher. Seine Kunst zielt auf den Schock, will "wie ein Nackenschlag sein". Und eine preisgekrönte Arbeit hat sogar das bestürzende Ereignis des Komas, seinen Gang in den Hades, schon bildlich vorweggenommen: "Treppen und Wände, die tief in die Erde hineinreichen", abgründige und labyrinthische Stufen.

Aber Zott hat auch dem Grotesken eine ironische Seite abgewonnen, etwa durch die Verfremdung des Erotischen. Angeregt durch Veras Bericht über den Massagetisch im physiotherapeutischen Institut, hat er riesige Platten durchlöchern lassen, dreiunddreißig großbrüstige Frauen engagiert und sie sich bäuchlings darauf leben lassen, "so daß ihre Brüste durch die runden Öffnungen nach unten fielen, leicht schaukelnd, zitternd, wabernd, du filmtest das Ganze, von oben und von unten . . . hochblickend in den Fetischwald, der sich immer tiefer zu dir heruntersenkte".

In den Wiederbelebungsversuchen, in der Reizung der Sinne wird auch das sprachliche Aphrodisiakum gereicht. Die Erzählweise kennt keine Scheu vor erogenen Zonen und keine Phallusfeindlichkeit. Von der Scham in der Pubertätszeit und der Neugier nach der verbotenen Frucht berichtet sie ebenso unbefangen wie von der späteren Praxis sexueller Lust. Aber wie leicht und locker ist das alles in Sprache verwandelt: weder penetrant noch verblümt, weder vulgär noch verklemmt. Immer wieder flüstert die Erzählerin dem Regungslosen das Hohelied der lebendigen Körperlichkeit zu.

Dabei ist die Geschichte dieser Liebenden auch eine Geschichte der Versagungen und der Verspätungen. Dreißig Jahre lang sind sie einander nur gute Freunde. Beide heiraten, haben Kinder (Vera besucht in Persien ihren Sohn Jens, der in einer esoterischen Gruppe von Sufis lebt). Erst nach Veras Trennung von ihrem Mann fällt die letzte Barriere zwischen ihnen, ereignet sich, was so lange verzögert wurde, als Explosion, als die Zündung einer Rakete, nach der sie sich schwerelos fühlt: "Mir war, als trudele ich als verschwindender Punkt auf der Umlaufbahn meiner Wahrnehmung."

Eingelagert in die Zweiergeschichte sind Veras Erinnerungen an die Freundschaft und Ehe mit Franz, zumal an ihr gemeinsames Studium in Berlin und ihr Mitgerissenwerden von der Studentenbewegung, an das Attentat auf Rudi Dutschke und an die Protestdemonstrationen, an das Leben in der Wohngemeinschaft. Hier hat der Leser ein Déjà-vu-Erlebnis, gibt sich Ulrike Kolb als Autorin des Romans "Frühstück mit Max" (F.A.Z. vom 21. Februar 2000) zu erkennen, in dem eine Wohngemeinschaft in der Berliner Mommsenstraße schon einmal einen Abschlag auf die Wonnen des erhofften Gesellschaftsparadieses genießt. Was Zott damals an Vera abstieß, war ein aufgeblasener Fanatismus, dem denn auch bald die Luft ausging. Damit endet die einzige politische Episode des Romans.

Namen von Schriftstellern und Künstlern, von Büchern, Kunstwerken oder Filmen und Gespräche über sie verknüpfen sich zu einem Assoziationsgitter, das Banalität vom Roman fernhält. Dies ist ein Werk für Liebhaber sinnlich-kultivierten Erzählens. Trotz der bedrohlichen Rahmensituation bewährt sich wieder jene unaufdringliche Magie der Sprache, die man schon an früheren Romanen Ulrike Kolbs gerühmt hat. Dies ist ein Buch, dessen Sprache den Leser in eine Gefangenschaft bannt, aus der er nicht entlassen werden möchte.

Am Ende des Romans kommt wieder Leben in die Leichenstarre. Zott drückt Veras Hand, will den Kopf heben. Ist es das letzte Aufbäumen vor dem endgültigen Aus oder die Rückkehr in die Welt? Die Schwestern und der Arzt stürmen ins Krankenzimmer und drängen Vera beiseite. Wir sollten die Analogie zur Geschichte von Orpheus und Eurydike nicht überreizen. Aber es mag nicht ganz ohne Bedeutung sein, daß die um das Bett Gescharten Vera das Zurückschauen auf den Erwachten verwehren.

WALTER HINCK

Ulrike Kolb: "Diese eine Nacht". Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 189 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2003

Koma im Sprachfluss
Ulrike Kolbs „Diese eine Nacht”
ist ein Monolog der Selbsttherapie
Drei Punkte am Ende eines Satzes sind das Startsignal für die literarische Nebelmaschine: Sie springt an, um eine Atmosphäre der Ungewissheit zu erzeugen, um das Gesagte verhauchen und die Übergänge fließen zu lassen. Ein Roman, dessen Sätze fast ausschließlich mit drei Punkten enden, hat demnach ein riesiges Nebelmeer aus Assoziationen und Erinnerungen geschaffen. So ein Stilmittel kann durchaus seine Berechtigung haben, aber meistens entpuppt sich die derart herbeigepunktete Gedankenkette als Notbehelf: Was in den Satzfetzen nicht zum Ausdruck kommen kann, wird auf die Satzzeichen verschoben.
In Ulrike Kolbs Roman „Diese eine Nacht” liegt der Fall komplizierter, denn im erzählerischen Rahmen steckt eine Erklärung für die vagen Sätze, die nicht abreißen: Die Icherzählerin Vera ist gezwungen, die ganze Nacht hindurch zu sprechen. Ihre Stimme soll den verunglückten Jugendfreund Zott, der für Vera immer ein Rettungsanker, aber auch ein Faszinosum war, aus dem Koma zurückholen. Um ihn aufzurütteln, sagt sie so einiges, was man, nun ja, nicht unbedingt gedruckt sehen wollte. Darin besteht die Logik der existentiellen Notsituation, aber was im Leben funktioniert, erweist sich in der Literatur nicht unbedingt als probates Mittel.
„Komm, sieh mich an, mach die Augen auf, komm schon, hörst du? .. . ich bin’s, der Vogel, dein Vogel ... warum sagst du nichts, wo treibst du dich herum?” Schritt für Schritt werden die Lebensgeschichten des Künstlers und der Journalistin aufgerollt, die zeitweise ein Liebespaar waren. Wenn auch die Mythen des Getrenntseins – Orpheus, Meerjungfrau, Königskinder – anklingen und Hesse, Kafka, Curzio Malaparte oder Françoise Sagan ins Spiel gebracht werden, setzt die Erinnerung vor allem auf das Alltägliche. Aus den Verklemmtheiten im Internat, den Dutschke-Demos während des Studiums, den Kunstprojekten, den zerbrochenen Ehen, den Unsicherheiten und Intimitäten entsteht ein Muster, das an die „Neue Subjektivität” der siebziger Jahre erinnert. „Diese eine Nacht” legt weniger Wert auf distanzierende Beobachtungen, sondern taucht rückhaltlos in einen Monolog ein, der immer mehr zur Selbsttherapie gerät.
Selbst dort, wo Vera sich als Außenseiterin darstellt – sie ist schüchtern und schweigsam, sie muss lachen, wenn der Kommunensex das Hintergrundgeräusch zum Essen abgibt – tritt das Zeittypische ihres Lebenslaufs hervor. Trotz der leisen Kritik an ideologischen Borniertheiten bleibt der Eindruck bestehen, es mit einer Apologie zu tun zu haben, die das Andersseinwollen der Achtundsechziger in ein gefühliges Licht taucht. Die Icherzählerin wirbt um Verständnis für ihre Schwäche: „ja, Zott, wir beide sind nie richtig erwachsen geworden, und ich höre deine Stimme, Na und? .. . haben wir uns nicht immer darin bestärkt, jederzeit neu anzufangen, als wären wir unser Leben lang dreißig ... aber irgendwann war die Leichtigkeit dahin und auch der Geruch von Zukunft ...”
Dieser nächtliche Monolog ist als Dokument einer Lebenshaltung lesbar. In ihrem letzten Roman „Frühstück mit Max” hat Ulrike Kolb, Jahrgang 1942, Stimmungsbilder einer krisengeschüttelten Generation entworfen, und mit „Idas Idee” war ihr eine außergewöhnliche Geschichte über den weiblichen Körper gelungen. Aber „Diese eine Nacht” mit ihren ausfransenden Sätzen lässt weder inhaltliche Experimente noch stilistische Schlenker zu. Die Tonlage des wehmütigen Appells bleibt bei allen Schwankungen vorhersehbar.
JUTTA
PERSON
ULRIKE KOLB: Diese eine Nacht. Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 189 Seiten, 19 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr
"Sie müssen mit ihm sprechen", hat der Arzt gesagt, "jemand muss ihn zurückhohlen." Vera sitzt an Zotts Bett im Krankenhaus, wo ihr Freund nach einem Unfall im Koma liegt. Sie lässt die gemeinsame Vergangenheit Revue passieren, die Geschichte einer langjährigen komplizierten Beziehung zwischen dem eigenbrötlerischen Künstler und der erfolgreichen Journalistin. Vera spricht, was sie denkt, und ihre vielen Worte sind ein einziger Lockruf des Lebens. Ulrike Kolb lässt einen klassischen inneren Monolog laut werden und nutzt die literarischen Chancen dieser Form - atemlose Sätze, poetische Schlenker, kalkulierte Brüche - für eine gar nicht rührselige Liebesgeschichte. (Hörzu)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Walter Hinck ist verzaubert von der Sprache Ulrike Kolbs, die mit ihrer Erzählerin, der Journalistin Vera, eine neue Scheherazade erfunden habe - eine, die nicht sich selbst, sondern ihren Freund und Geliebten, den Künstler Zott, am Leben erhält: Er liegt im Koma, sie redet mit ihm und kehrt Erinnerungen der gemeinsamen Vergangenheit hervor, um den Faden, der sein Bewusstsein vor dem freien Fall bewahrt, nicht reißen zu lassen. "Der Roman", so Hinck, "ist ein nicht abreißender Monolog, der endlich zum Dialog werden möchte", und so reize die Erzählerin vor allem die Sinne ihres entrückten Zuhörers - und die des Lesers - und entfalte dabei die Geschichte von zwei Liebenden und den Jahrzehnten ihrer Trennung. Die Erzählung, so Hinck, sei gespickt mit erotischen Intimitäten, aber auch mit zahlreichen Referenzen an Bücher und Kunstwerke. Das sei niemals banal, befindet er und staunt vor allem darüber, "wie leicht und locker (...) das alles in Sprache verwandelt" ist - so dass am Ende "wieder Leben in die Leichenstarre" komme.

© Perlentaucher Medien GmbH