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War die Moral der Nationalsozialisten doch vielschichtiger, als wir glauben? Kann gute und nützliche Forschung aus einem Terrorregime kommen? Was könnte dies über die Gesundheitspolitik in unserer heutigen Gesellschaft verraten? Proctor ist der Ansicht, daß wir das Dritte Reich differenzierter betrachten müssen, als wir dies bisher taten. Aber das bedeutet auch, daß die fortschrittliche und weitblickende Gesundheitspolitik der Nationalsozialisten im Grunde derselben Ideologie entstammte wie ihre medizinischen Verbrechen: dem Ideal eines rassisch reinen Utopia, das nur den gesunden Deutschen…mehr

Produktbeschreibung
War die Moral der Nationalsozialisten doch vielschichtiger, als wir glauben? Kann gute und nützliche Forschung aus einem Terrorregime kommen? Was könnte dies über die Gesundheitspolitik in unserer heutigen Gesellschaft verraten? Proctor ist der Ansicht, daß wir das Dritte Reich differenzierter betrachten müssen, als wir dies bisher taten. Aber das bedeutet auch, daß die fortschrittliche und weitblickende Gesundheitspolitik der Nationalsozialisten im Grunde derselben Ideologie entstammte wie ihre medizinischen Verbrechen: dem Ideal eines rassisch reinen Utopia, das nur den gesunden Deutschen vorbehalten war.
Nach der Veröffentlichung einer früheren bahnbrechenden Arbeit über die Greueltaten der Nazi-Ärzte verfaßte Proctor dieses Buch, denn er hatte Dokumente entdeckt, wonach die Nationalsozialisten die aggressivste Anti-Raucher-Kampagne in der modernen Geschichte führten.
Weitere Forschungen ergaben, daß die Regierung des Dritten Reiches eine breite Palette von Maßnahmen zur Volksgesundheit beschloß, darunter gegen Asbest- und Strahlenbelastung, Pestizide und Lebensmittelfarben. Die Gesundheitsbehörden erließen strikte Vorschriften für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und förderten bestimmte Nahrungsmittel wie Vollkornbrot und Sojabohnen. Diese praktischen Maßnahmen gingen Hand in Hand mit Gesundheitspropaganda, die zum Beispiel den Körper des Führers und dessen Lebensstil als Nichtraucher und Vegetarier zum Ideal erhob. Proctor zeigt auf, daß "Krebs" auch zur gesellschaftlichen Metapher gewählt wurde. Die Nationalsozialisten zeichneten die Juden und andere "Volksfeinde" als "Krebsgeschwür", das aus dem deutschen Volkskörper herausgeschnitten werden mußte.
Autorenporträt
Robert N. Proctor Robert Proctor ist Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Pennsylvania State University und ein auf dem Gebiet der NS-Medizingeschichte renommierter Historiker. Er ist Winner of the 1999 Arthur Viseltear Prize.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Robert Proctor, Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Pennsylvania State University in Philadelphia, hat "eine lesenswerte Studie" über die Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus geschrieben, lobt Udo Benzenhöfer. Denn in dieser Studie zeige der "Experte im Bereich NS-Medizin" Details der NS-Gesundheitspolitik auf, die Historiker und Laien "verstören" werden. Neben aller Vernichtungspraktiken hatten die Nazis nämlich, berichtet der Rezensent, auch "progressive" und "sozial verantwortliche" gesundheitspolitische Ziele verfolgt. So schränkten sie den Gebrauch von Asbest ein, erließen Rauchverbote, verbaten krebsauslösende Pestizide und Lebensmittelfarben und hielten Bäckereien dazu an, Vollkornbrot zu backen, staunt der Rezensent. Und es waren deutsche Ärzte, die erstmals den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und Lungenkrebs herausstellten, worauf ab 1939 Präventivkampagnen gestartet wurden. Der Autor huldigt nicht der NS-Medizin, betont Benzenhöfer, sondern zeichnet ein differenziertes Bild über diese Ärzteschaft, das sicher noch "ergänzt und vertieft" werden müsse, doch in jedem Fall in "methodischer Hinsicht" "einen Meilenstein" für die weitere Erforschung dieses Kapitels in der Medizingeschichte gewährleistet, lobt der Rezensent.

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