"Wer ist deine beste Freundin?" Die elfjährige Stazie weiß nicht, was sie darauf antworten soll. Sie hat nur einen besten Freund, Adam. Aber einfach ist es nicht immer mit dem verschlossenen Dreizehnjährigen. Außerdem will Stazies Mutter von dieser Freundschaft nichts wissen. Damit ihre Tochter endlich lernt, ein richtiges Mädchen zu werden, lädt sie immer öfter Stazies zickige Cousinen ein. Und dann soll Adam auch noch ins Internat! Stazie weiß, dass sie es keinen Tag ohne ihn aushalten wird.
Martha Heesens Jugendroman „Dringend und wichtig!”
Liebe – ein großes Wort, und Adam würde es nie über die Lippen bringen. Nicht einmal als Freundschaft würde der Dreizehnjährige seine Beziehung zu Anastasia vermutlich beschreiben, dabei ist die Elfjährige die einzige, mit der er überhaupt spricht. Seine Eltern ignoriert er geflissentlich, doch von Anastasia lässt er sich immerhin Dachrinnen-Briefe schicken, Begriffsreihen aus dem Wörterbuch vorlesen, oder er rudert mit ihr und Kater Habieb über den Kanal. Ein ganz besonderes Verhältnis also, auch wenn Adam ein ziemlich kontaktgestörter Kerl ist und Anastasia immer unsicher, ob sie ihn nicht wieder mit irgendwelchem „Weiberkram” verärgert haben könnte. Blöd nur, dass die Erwachsenen – insbesondere Anastasias Mutter – nicht annähernd so glücklich über diese Freundschaft sind. Um ihre Tochter lieber für nette Mädchen-Freundschaften zu erwärmen, holt sie deren höchst unterschiedliche Kusinen ins Haus. Mit denen soll Anastasia künftig in Verkleidungs- und Schmink-Orgien schwelgen – und es ist keine Überraschung, dass dies nicht gutgehen kann.
Der schmale Jugendroman Dringend und wichtig! der niederländischen Kinderbuchautorin Martha Heesen, kommt zunächst ganz brav daher – doch das täuscht. Im Zentrum steht das pubertätsbedingt wechselvolle Gefühlsleben von Anastasia, die verzweifelt versucht, ihre Beziehung zu Adam zu retten und auszubauen. Vielleicht sind die Gefühle niemals wieder im Leben so intensiv und unbedingt wie an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein. Nicht mehr ganz unschuldig, aber auch noch weitgehend frei von vorgestanzten Erwartungen – eine fragile Mischung, die Heesen sichtbar macht, ohne ihr durch zu viel Analyse den Zauber zu nehmen.
Gleichzeitig, und das ist das zweite Thema des Buches, will Anastasia aber auch der Mutter keinen Ärger machen. Denn die ist allein erziehend – wie im übrigen auch die Mutter der Kusinen –, und hat damit schon Kummer genug. Es gehört zu den Stärken dieses Buches, wie Heesen scheinbar nebenbei das vertrauensvolle und natürlich trotzdem nicht immer spannungsfreie Verhältnis zwischen Mutter und einziger Tochter beschreibt. Besonders einfühlsam stellt sie dar, wie die beiden Verständnis für die Situation der jeweils anderen entwickeln. Denn auch die Mutter ist mit der Aufnahme der Kusinen in eine Zwickmühle geraten, aus der sie sich nur mit Mühe wieder befreien kann. Ja, Mütter machen Fehler, Kinder auch – und Heesen gesteht das allen zu. Mit ein bisschen Mühe und Geduld übersteht man auch schwierige Zeiten, lautet ihre Botschaft, ob das nun immer gemeinsam geschieht oder notgedrungen auch mal einsam. Vieles geht vorbei – wie der Besuch der Kusinen –, und manches, vielleicht sogar das Wichtigste, kommt wieder. Mit Adam Wörter deklamieren oder Igel beobachten zum Beispiel. Muss wohl doch Liebe sein. (ab 10 Jahre)
ANTJE WEBER
MARTHA HEESEN: Dringend und wichtig! Aus dem Niederländischen von Silke Schmidt. Fischer Verlag (Fischer Schatzinsel) 2003. 127 Seiten, 9,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Wenn ein Elternteil fehlt, so Gerda Wurzenberger, wird es erst richtig interessant in der Kinderliteratur, dann ist die Lunte von Konflikt und Spannung gelegt. So wie im Fall von Anastasia - sie lebt bei ihrer Mutter, ohne Vater, ohne Geschwister. Das heißt, ihre Mutter setzt ihr zwei Cousinen vor, in der Hoffnung, dass sie zu Schwestern im Herzen werden - auf dass alle vier eine glückliche kleine Frauenfamilie werden. Kann das klappen? Natürlich nicht. Und damit wird es spannend. "Überraschend dicht", schreibt Wurzenberger, "webt die holländische Autorin die Fäden dieser relativ kurzen, widerspenstigen Geschichte, die praktisch in einer reinen Frauenwelt angesiedelt ist" - bis auf den schwierigen Nachbarsjungen Adam, für den sich Anastasia mehr interessiert, als ihrer Mutter lieb ist ... Der Rezensentin hat besonders gefallen, dass geschlechterspezifische Probleme des Zusammenlebens beschrieben, aber nie in eine abschließende Erkenntnis überführt werden. "Nichts", schreibt sie, "ist eindeutig in diesem Buch, und doch schließt man die kratzbürstigen Figuren alle nach und nach ins Herz".
© Perlentaucher Medien GmbH
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