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Philosophie & die Zukunft, Habermas - Derrida und die Aufgaben der Philosophie - Analytische Philosophie und verändernde Philosophie - Gerechtigkeit als erweiterte Loyalität, Spinoza - Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit - »Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache« - Wilde Orchideen und Trotzki - Überreden ist gut: Ein Gespräch mit Richard Rorty.

Produktbeschreibung
Philosophie & die Zukunft, Habermas - Derrida und die Aufgaben der Philosophie - Analytische Philosophie und verändernde Philosophie - Gerechtigkeit als erweiterte Loyalität, Spinoza - Pragmatismus und die Liebe zur Weisheit - »Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache« - Wilde Orchideen und Trotzki - Überreden ist gut: Ein Gespräch mit Richard Rorty.
Autorenporträt
Richard Rorty, geb. am 4. Oktober in New York City 1931, wächst dort in einem undogmatisch-linken Milieu auf;
1946 Studium an der Universität von Chicago. Zu seinen Lehrern gehören u.a. Rudolph Carnap, Charles Hartshorne und Richard McKeon. 1949 erwirbt er den BA und drei Jahre später den M.A. mit einer Arbeit über 'Whitehead's Use of the Concept of Potentiality'. 1952-56 arbeitet er in Yale. Thema der Dissertation bei Paul Weiss: 'The Concept of Potentiality', 1957-58 Dienst in der U.S.Army. 1958-61 Assistant Professor am Wellesley College. 1961-82 Universität Princeton, ab 1981 als 'Stuart Professor of Philosophy'. 1967 gibt er 'The Linguistic Turn'. 1973-74 Guggenheim Stipendium. 1981-86 MacArthur Stipendium. 1982 als akademische Konsequenz seiner Kritik an der sprachanalytischen Philosophie verläßt er Princeton und wird 1982-98 'Kenan Professor of the Humanities' an der Universität von Virginia. 1986 Northcliffe Lectures am University College, London. 1987 Clark Lectures a

m Trinity College, Cambridge. 1997 Massey Lectures in Harvard, Ehrendoktor der Universität von Paris. Seit 1998 lehrt Rorty Vergleichende Literatur an der Stanford University. Vorlesungen am Trinity College, Dublin. Im Sommer 2007 stirbt Richard Rorty in Palo Alto.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Auf sie mit Gefühl
Nur Gottes Hand faßt das Wesen der Mücke: Richard Rorty haut daneben / Von Christian Geyer

Zu den vielen sympathischen Seiten Richard Rortys zählt sein Feldzug gegen das "Aufklärungsutopia", wie Rorty selbst jenes Reich nennt, in dem die Menschen meinen, die Dinge würden sich zum Besseren wenden, wenn einer nur wisse, was zu tun ist. Daß "Rationalität" zunächst einmal nichts weiter ist als ein Streben nach Kohärenz, nach Abgleichung mit gewählten Prämissen also, die ihrerseits keinen Anspruch auf (wie es so schön heißt) "unhintergehbare Fundierung" stellen können - das einzusehen und ebenso unerschrocken wie beredt zu vertreten ist zweifellos ein Rationalitätsgewinn, um den Rorty sich in besonderer Weise verdient gemacht hat, selbst wenn es sich bei der Kontingenz um ein Phänomen handeln sollte, dessen Entdeckung schon etwas weiter zurückliegt und das doch auch eigentlich keiner mehr so recht bestreiten mag. In den vorliegenden beiden Aufsatzsammlungen bringt Rorty seine Philosophie zum Leuchten. Wobei, das sei vorweg bemerkt, der konzentrierte Fischer-Band "Philosophie & die Zukunft" einen erheblich konziseren Eindruck vom Denken des von James und Dewey inspirierten Neopragmatisten Rorty gibt, als der doch etwas langatmige, um zahlreiche thematische Überschneidungen nicht verlegene Suhrkamp-Reader "Wahrheit und Fortschritt". Für weite Teile des letzteren gesteht Rorty selbst zu, daß "immer wieder der gleiche Gedankengang vorkommt", und es überzeugt nicht ganz, wenn er diese Schwäche sodann als den Vorzug ausgeben möchte, es handele sich dort eben um eine "recht einheitliche" Textauswahl.

Daß die Ansprüche platonischer Wesensphilosophen in veränderten - diskurstheoretischen, sprachpragmatistischen - Formen durchaus weiterleben, wird niemand in Frage stellen, der die zeitgenössische Debatte um die Universalisierbarkeit von Überzeugungen wie etwa der Existenz von Menschenrechten verfolgt. So ist es auch nicht einfach ein Anachronismus, eine Wiederbesichtigung längst abgekämpfter Fronten, wenn Rorty - szientistische Anmaßungen der analytischen Philosophie im Auge - die Ärmel hochkrempelt und, jedes Mal neu im Hochgefühl der ersten Stunde, die Abrißbirne kreisen läßt: gegen "am Fundierungsgedanken orientierte Philosophen vom Schlage eines Platon, Thomas von Aquin und Kant", wie er in "Wahrheit und Fortschritt" manifestartig formuliert.

Daß die Areale dieses Programms gelegentlich zu flächig gezeichnet werden, mag man Rorty als dramaturgischen Kunstgriff durchgehen lassen. Aber man kommt nicht umhin, den Preis zu benennen, den er dafür zahlt. Es ist eine wissenssoziologische Ironie, daß so gänzlich verschiedene Autoren wie Thomas und Rorty in bestimmter Hinsicht eben doch ähnlicher sind, als Rorty es mit seiner Attacke auf den Aquinaten nahelegt. Denn auch Thomas ist natürlich, während er sich am Absoluten abarbeitet, ein Theoretiker der Kontingenz. Auch er vertritt, was Rorty als ein Erbe Donald Davidsons preist und in kursiven Lettern herausstellt: "daß gerade die Absolutheit des Wahrheitsbegriffs ein triftiger Grund dafür ist, ,wahr' für undefinierbar und eine Theorie über das Wesen der Wahrheit für unmöglich zu erachten". In den Worten des Aquinaten liest sich das so: "rerum essentiae sunt nobis ignotae", das Wesen der Dinge ist uns unbekannt; nicht einmal das Wesen einer Mücke sei von uns beschreibbar. Tatsächlich läuft die Korrespondenztheorie der Wahrheit in der Fassung des Thomas auf das exakte Gegenteil des naiven Abbilddenkens hinaus, das so mancher "Thomist" später in sie hineinlesen wollte und postmetaphysischen Denkern seitdem als Drohkulisse dient.

Daß diese zu einem gut Teil aus Pappmaché ist, wird Rorty insgeheim wissen. Aber als ein exzellenter Regisseur seiner Argumente weiß er auch um die Gefahr, sich mit zu vielen Kautelen selber die Schau zu stehlen. Im Räderwerk des philosophischen Betriebs hebt sich Rorty denn auch als ein Meister der Kunst hervor, den Eindruck weitestgehender Differenzierung mit höchstmöglicher Zuspitzung zu verbinden. Gerade die konsequent, beinahe obsessiv betriebene Personalisierung seiner Belege scheint ihn auf der einen Seite unangreifbar zu machen, andererseits kann sie ihm den Einwand nicht ersparen, seine Gewährsleute wie im Falle von Thomas gelegentlich einem eklektischen Verfremdungseffekt auszusetzen.

Genau darin aber erblickt Rorty eine legitime Methode, um den disziplinären Selbstgefälligkeiten der Philosophie beizukommen. Lieber setzt er sich im Kleinen dem Vorwurf einer ungenauen Metaphysik-Rezeption aus, als die Wirkung im Ganzen zu gefährden. Daß Thomas bereits im dreizehnten Jahrhundert einen Begriff von Kontingenz entwickeln konnte, verdankt er einem pragmatistischen Paradox: der Kopplung seiner Erkenntnistheorie an den Schöpfungsbegriff. Gott allein sei es, der die Dinge "sieht" und sie dadurch in ihrem Sein erhält (Luhmann hat diese Position der "creatio continua" um das Bonmot bereichert: "Richtig ist, daß ohne Gottes Beistand keine Toilettenspülung funktionieren würde"). Ebendiese Korrespondenz der Dinge zu einem unendlichen Gott ist für den Aquinaten der Grund, weshalb der endliche Mensch mitnichten zu einer "adaequatio rei ad intellectum" gelangt, zu einer Übereinstimmung von Welt und Erkenntnis. Mit anderen Gründen ist der an Thomas geschulte Erkenntnistheoretiker also ebenso Skeptiker wie der an Rorty geschulte Pragmatist. Würde Rorty die Wahlverwandtschaft mit seinem Antipoden Thomas akzeptieren, wäre er womöglich von dem Druck entlastet, sein Programm des Zur-Fabel-Werdens-der-Welt als "natürliche Weiterführung des Säkularisierungsprozesses" vorzustellen, wie er es in der Einführung des Bandes "Philosophie & die Zukunft" paradigmatisch bekräftigt. Was Hilary Putnam jüngst zu Recht hervorgehoben hat: Als Säkularisierungsprogramm aufgemacht, kann Rortys Projekt "Hoffnung statt Erkenntnis" nur leerlaufen. Wird doch das zu säkularisierende Heilige "in Wahrheit" von ihm gar nicht getroffen.

Aber all das sind erkenntnistheoretische Überlegungen, mit denen man am pragmatistischen Zentrum von Rortys Philosophie letztlich vorbeizielt. Ihm geht es ja "nicht um den erkenntnistheoretischen Status, sondern um die kausale Wirksamkeit" des Wissens. Rorty ist Moralist durch und durch, der danach fragt, wie die Welt besser wird, nicht aber, wie sie sich erkennen läßt. Daß er wirklich meint, Verbesserung ohne Erkenntnis haben zu können, ist das Kernproblem seiner Zwischenrufe. Das wird spätestens deutlich, wenn man sich vor Augen hält, was bei Rorty die frei geräumte Stelle der Erkenntnis ersetzen soll: Phantasie, Empfindsamkeit, Genie. Der Fortschritt, an den Rorty glaubt, ist denn auch kein anderer als der "Fortschritt der Empfindungen", das heißt die angeblich historisch progrediente Erfahrung, "daß die Ähnlichkeiten zwischen uns selbst und ganz andersartigen Leuten die Unterschiede wettmachen". Das sollte er so heute einmal auf dem Balkan oder im Nahen Osten wiederholen.

Was hat Rorty nur verführt, die Sicherung des zivilisatorischen Minimums zu einer Herzenssache zu erklären? Gibt es ein stärker schwankendes Rohr als die Empfindung? Ist ein folgenloserer Appell denkbar als jener ans edle Gefühl? Derselben Fortschrittsidee, die er mit Blick auf die Aufklärungsutopie zu Recht verwirft, sitzt Rorty nun auf, wenn er die "Winke des Empfindens", von denen er alles erwartet, gegen die "Gebote der Vernunft" ausspielt, die er für nichtig erklärt. Gerade unter den Gesichtspunkten der Effizienz, die Rorty hier stark macht, muß diese Diskreditierung der regulativen Idee verwundern. Im Einklang mit den besten (sprich: den relativ effizientesten) moralischen Traditionen der Geschichte müßte man die Argumentation geradezu umkehren: Gerade weil der Mensch das nicht festgestellte Gefühlstier ist, bleibt er auf seinen Verstand angewiesen, auf die Reflexion der kognitiven Gehalte einer Moral und kann seine zivilisatorische Orientierung unmöglich, wie Rorty vorschlägt, von der Lektüre "rührseliger und trauriger Geschichten" wie "Onkel Toms Hütte" oder "Moby Dick" abhängig machen wollen.

Hätte man die Sklaven gefragt, ob sie zu ihrer Befreiung eher auf die Drucklegung anrührender Romane oder auf die Sicherung abstrakter Menschenrechte setzen mögen, hätten sie sich vermutlich nicht im Sinne Rortys entschieden. Und selbst das in pragmatistisch-moralischer Absicht kurzfristig wieder rehabilitierte Christentum muß, anders als in "Wahrheit und Fortschritt" nahegelegt, eher als ein Gegenbeispiel für Rortys Vernunftkritik gelten. Denn der "von Christus geäußerte Wink, Liebe sei wichtiger als Wissen", ist ja gerade keine Einladung zur Gefühlsduselei, wie Rorty ihn zu deuten scheint, sondern das erste Gebot einer Logos-Religion, derzufolge die Einsichten des Glaubens die Vernunft nicht außer Kraft setzen, sondern sie recht eigentlich erst realisieren. Nirgendwo kommen Rortys nicht selten brillant vorgetragene Ungereimtheiten in dieser Hinsicht so klar zum Vorschein wie in dem Aufsatz "Menschenrechte, Rationalität und Empfindsamkeit" des Suhrkamp-Bandes.

Wie schnell Rorty bereit ist, sein Verbot, zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, gegebenenfalls auch wieder zu lockern, offenbart er in der bei Fischer aufgenommenen Würdigung zu Gadamers hundertstem Geburtstag, die er im Februar in Heidelberg vortrug: "Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache." Wenn es darum gehe, "Wahrnehmungsfehler, betrügerische Finanzoperationen, Regierungspropaganda, irreführende Reklame und dergleichen zu beschreiben", dann sei es "legitim", wenn auch "unphilosophisch", zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden. Wieso erst dann? Und wieso "unphilosophisch"? Waren es nicht eben noch gerade derartige Maßnahmen zur Verbesserung der Welt - der Kampf gegen Lug und Trug und Grausamkeit -, die Rorty als die entscheidende Rechtfertigung des Wissens überhaupt bezeichnet hatte? Soll es nun plötzlich doch nicht mehr nur um einen pragmatistisch-moralischen, sondern um einen "intellektuellen Fortschritt" in des Wortes universaler, abstrakter Bedeutung gehen, um einen Fortschritt, der laut Rorty dann jedoch "nur gelegentlich und beiläufig auf der Bloßstellung von Illusionen und Lügen beruht"? Was aber, so möchte man etwas bestürzt nachfragen, ist ein intellektueller Fortschritt wert, der die Behebung von "Wahrnehmungsfehlern" zu einer zwar legitimen, aber im Grunde unphilosophischen Arbeit erklärt?

So bleibt Rorty am Ende doch wider Willen einer Aufklärungsutopie verhaftet. Es ist die Vision, die "Metaphern der Annäherung an etwas" durch die "Metaphern der Erweiterung unserer selbst" ersetzen zu können. Rorty entwirft die Fiktion einer erkenntnistheoretisch indifferenten Kultur, in der die geistigen Auseinandersetzungen nicht mehr um die Frage kreisen, "wer mit der Wirklichkeit in Verbindung steht und wer sich noch hinter dem Schleier der Erscheinungen befindet". Laut dieser Fiktion gäbe es dann nur noch Kämpfe, bei denen es darum geht, "die Phantasie zu reizen und zu fesseln und andere zur Übernahme des eigenen Vokabulars zu bewegen". Doch was vermag die Phantasie zu entzünden, was läßt einen in den Kampf um Worte ziehen, wenn nicht die Vorstellung einer Wirklichkeit?

Richard Rorty: "Philosophie & die Zukunft". Essays. Aus dem Amerikanischen von Matthias Grässlin, Reinhard Kaiser, Christiane Mayer und Joachim Schulte. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000. 192 S., br., 26,90 DM.

Richard Rorty: "Wahrheit und Fortschritt". Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 507 S., geb., 64,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"In einem Durchgang bespricht Christian Geyer zwei neue Aufsatzsammlungen Richard Rortys, "Philosophie & die Zukunft" (Fischer Taschenbuch) und "Wahrheit und Fortschritt" (Suhrkamp). Das ist nicht zuletzt deshalb naheliegend, weil die beiden Bücher sich offenbar weniger nach ihren Inhalten als nach Umfang, Preis und Verlag unterscheiden lassen. In beiden Büchern bringe Rorty seine Philosophie zum Leuchten, so Geyer, in dem Fischer-Band konzis, in dem anderen eher langatmig. Womit auch die Unterschiede des Umfangs und des Preises erklärt wären, wie es aussieht. Rortys "Leuchten" zu erörtern, fährt Geyer zunächst einiges an erkenntnistheoretischem Wissen auf, um uns sodann der Vergeblichkeit eines solchen Ansatzes zu versichern: Dem Pragmatismus Rortys ist damit nicht beizukommen. Und Geyer will daran schier verzweifeln: "Was hat Rorty nur verführt, die Sicherung des zivilisatorischen Minimums zu einer Herzenssache zu erklären?", fragt er ungläubig. Rortys brillante Präsentation der sich aus seiner "Fiktion einer erkenntnistheoretisch indifferenten Kultur" ergebenden Ungereimtheiten, die ihm ja doch immerhin anzurechnen wäre, hat den Rezensenten schon gar nicht beruhigt.

© Perlentaucher Medien GmbH"