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Fritz Bauer (1903 - 1968), Jude, Sozialdemokrat, Justizjurist, von den Nazis 1936 vertrieben, 1949 aus dem Exil zurückgekehrt, um am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens tatkräftig mitzuwirken, setzte seine Hoffnungen auf die junge Generation. In Thomas Harlan (1929 - 2010), dem rebellischen Sohn des Nazi-Regisseurs Veit Harlan (1899 - 1964), der sich zeitlebens an der NS-Vergangenheit abarbeitete, sah Bauer ein Vorbild für die Jugend. Er schloss Freundschaft mit Harlan und unterstützte den Schriftsteller nach Kräften. Seine Briefe an Thomas Harlan zählen zu den wenigen erhaltenen…mehr

Produktbeschreibung
Fritz Bauer (1903 - 1968), Jude, Sozialdemokrat, Justizjurist, von den Nazis 1936 vertrieben, 1949 aus dem Exil zurückgekehrt, um am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens tatkräftig mitzuwirken, setzte seine Hoffnungen auf die junge Generation. In Thomas Harlan (1929 - 2010), dem rebellischen Sohn des Nazi-Regisseurs Veit Harlan (1899 - 1964), der sich zeitlebens an der NS-Vergangenheit abarbeitete, sah Bauer ein Vorbild für die Jugend. Er schloss Freundschaft mit Harlan und unterstützte den Schriftsteller nach Kräften. Seine Briefe an Thomas Harlan zählen zu den wenigen erhaltenen Schreiben dieser Art von Bauers Hand, sie zeigen einen bis heute weithin unbekannten, privaten Bauer.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Den Staatsanwalt Fritz Bauer und den Naziregisseur-Sohn Thomas Harlan einte die gemeinsame, in den Nachkriegsjahren jedoch sehr einsame Mission, gegen das schreiende Unrecht der Naziverbrechen in den ersten Jahren der Aufarbeitung mit aller juristischen Konsequenz vorzugehen, schreibt Rudolf Walther. Auch aus der Einsamkeit dieser Mission resultierte der nun gedruckt vorliegende Briefwechsel, in dem sich in den Augen des Kritikers eine Freundschaft mit allerdings tragischen Untertönen abbildet: Denn der Jurist suchte darin mitunter auch Zuneigung, die ihm diese jedoch nicht bieten konnte. Der vorliegende Band sei daher "ein anrührendes Dokument von Freundschaft und Trostlosigkeit."

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2015

„Ich stehe doch praktisch in einem luftleeren Raum“
Fritz Bauers bemerkenswerte und melancholische Brieffreundschaft mit dem Künstler Thomas Harlan
Das bequeme Verdrängen der Wirtschaftswunderjahre wird in den 1960er-Jahren ein paar Mal empfindlich gestört, durch Strafprozesse, die so spektakulär auf die Bühne gebracht werden, dass sie niemand übersehen können soll: Eichmann-Prozess, Auschwitz-Prozess, Euthanasie-Prozess. Immer mittendrin ist der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, ein jüdischer Remigrant, der an eine bessere Zukunft glaubt und gerade deshalb sein Land gegen alle Widerstände mit der Vergangenheit konfrontiert. Er ist sicherlich der meistgehasste deutsche Jurist dieser Zeit.
  Er erstickt in Drohbriefen und führt nach Feierabend einen sehr persönlichen Briefwechsel mit einem jungen Künstler, einer auf seine Weise auch bemerkenswerten Figur. Ein „herrisch-weicher, schöner und ernster Mann“ ist Thomas Harlan, wie ein Zeitgenosse schreibt, ein promisker Theater- und Filmemacher mit einem Selbstbewusstsein, das er bei einer gemeinsamen Israel-Reise mit dem Schauspieler Klaus Kinski geschärft hat. Vor allem ist dieser Brieffreund ausgerechnet der Sohn des früheren NS-Propagandafilmers Veit Harlan. Als Achtjährigen haben ihn seine Eltern zu einem Besuch bei Adolf Hitler mitgenommen, als Mittdreißiger nun sieht er sich selbst auf einer Mission als Nazijäger. Von allen noch lebenden NS-Größen, gegen die sich seine Wut richtet, ist der eigene Vater sauber ausgenommen.
  Es ist berührend, mit welcher Herzlichkeit Fritz Bauer den sechsundzwanzig Jahre jüngeren Künstler überschüttet. „Verstehe, dass ich gegen viele Seiten kämpfen darf. Ich stehe doch praktisch in einem luftleeren Raum“, fleht der Jurist den Künstler an, in dem er einen Verbündeten erkennt, einen Außenseiter wie sich selbst.
  Der junge Thomas Harlan hat 1958 in Berlin ein Theaterstück über den Aufstand im Warschauer Ghetto auf die Bühne gebracht. Später ist er vor das Publikum getreten und hat eine Liste von Männern vorgelesen, die in der NS-Zeit Verbrechen verübt hätten und nun wieder zur ehrenwerten Gesellschaft gehörten, unter ihnen der FDP-Bundestagsabgeordnete Ernst Achenbach und dessen Parteifreund Franz Alfred Six, inzwischen ein hoher Mann bei Porsche. Vor der Welle der Verleumdungsanzeigen ist Harlan nach Polen geflüchtet, von dort hat er sich erstmals per Brief an Fritz Bauer gewandt. Entstanden ist ein sechs Jahre langer Briefwechsel, melancholisch, eindringlich, oft auch witzig, den das Frankfurter Fritz-Bauer-Institut jetzt erstmals veröffentlicht und mit zahlreichen Anmerkungen versehen hat.
  Die Versuche Harlans, auf eigene Faust flüchtige NS-Größen vor Gericht zu bringen, findet der Jurist Fritz Bauer naiv. Manchmal, wenn der Künstler sich dazu aufschwingt, von Fachmann zu Fachmann sprechen zu wollen, bremst Bauer ihn auch aus. „Du bist doch Dichter und nicht Faktensammler.“ Streit will Bauer aber um jeden Preis vermeiden. „Thomas, mein Freund, es hat doch keinen Sinn, dass wir uns gegenseitig kritisieren. Wir beide dürfen doch unseren allerbesten Freundeswillen keinen Augenblick in Zweifel ziehen. Wo in aller Welt käme ich hin, wenn ich fürchten müsste, dass du meine Worte nicht im Sinn der völligen Verbundenheit interpretieren würdest. Ich bin von Gott und der Welt verlassen genug.“
  Von den aufklärerischen Spielfilmen über die NS-Zeit, die der junge Freund plant, erhofft sich Fritz Bauer viel, eine „Katharsis beim Publikum“, etwas, so versichert er, das politisch mindestens so bedeutsam sei wie das Tagwerk des Staatsanwalts. „Die jungen Menschen im Zuschauerraum sollen sich mit den jungen antinazistischen Kräften im Film identifizieren, und tunlichst sollen auch die ‚Alten‘ nicht nur demaskiert, sondern zur Erkenntnis und einer Art Wiedergutmachung bewogen werden.“ Es kommt nie dazu. Der Künstler versteht sich auf großspuriges Ankündigen. Es dauert einige Jahre, bis Fritz Bauer dahinterkommt.
  Es ist schmerzhaft mitanzusehen, wie sehr sich der einsame Fritz Bauer an diese Freundschaft klammert. Mit viel Mühe hat er den jungen Künstler zu einer gemeinsamen Urlaubsreise nach Tunesien überredet. Doch als kurz vor Beginn der geplanten Reise plötzlich Thomas’ Vater Veit Harlan stirbt, am 13. April 1964, steht alles auf der Kippe. Bauer muss befürchten, dass Thomas Harlan den Urlaub in letzter Minute absagt, und natürlich sichert er ihm für diesen Fall vorsorglich sein Verständnis zu. Zugleich greift Bauer zu einem merkwürdigen Argument, um doch noch die Reise zu retten. „Unser aller Verhältnis zu unseren Vätern ist nicht ohne Spannung“, schreibt Fritz Bauer, immerhin an den Sohn von Goebbels’ antisemitischem Hetzfilmer, „und Sie haben es besonders durchgeliebt und durchgelitten. Zorn und leidenschaftliche Wahrheitsliebe des Sohnes haben längst gutgemacht, was der Vater verfehlt haben mag.“ Die gemeinsame Tunesienreise findet statt.
RONEN STEINKE
Kämpfer und Außenseiter: Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, hier im Jahr 1967, sah in Thomas Harlan einen Verbündeten.
Foto: AP
  
  
  
Werner Renz (Hrsg.),
„Von Gott und der Welt verlassen“: Fritz Bauers Briefe an Thomas Harlan. Campus Verlag 2015, 299 Seiten, 29,90 Euro.
Als E-Book: 26,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Die Briefe zeigen Bauer als einen Mann von großer Intelligenz, von umfassendem Wissen und klassischer Bildung. Er litt offenbar an dieser Welt, denn eigentlich liebte er die Menschen.«, Cellesche Zeitung, 18.05.2016»Thomas Harlan, Sohn von Goebbels' Lieblingsregisseur Veit Harlan, und Holocaust-Ankläger Fritz Bauer waren eng befreundet. Die Gründe finden sich in Briefen, die jetzt bekannt geworden sind.«, DIE WELT, 31.12.2015»Fritz Bauers Briefe an Harlan sind ein Zeugnis der condition humaine, der gelebten Mitmenschlichkeit eines Juristen, der sein Amt als Stütze und Bürde zugleich empfand.«, Einsicht - Bulletin des Fritz Bauer Instituts, 01.10.2015»Allein schon seine brillante Skizze, die knapp und prägnant, aber weit besser als manch anderer biografischer Beitrag die Persönlichkeit Bauers charakterisiert und in den Kontext seiner Beziehung zu Harlan stellt, lohnt die Lektüre des Buches.«, Neue Juristische Wochenschrift»Dokument einer Freundschaft« Frank Arnold, Spiegel online, 02.10.2015»Fritz Bauer war ein großer & großzügiger Mann, der nicht nur Harlan, sondern viele Menschen finanziell unterstützt & durch sein persönliches Engagement geholfen hat, wo immer er konnte oder man ihn darum gebeten hatte. Es ist gut, dass seiner mit diesem Buch gedacht wird.«, Glanz & Elend, 12.05.2016»Fritz Bauer verfolgte zahlreiche Nazi-Verbrecher und kämpfte für demokratische Rechtsprechung in der BRD. Eine neue Briefedition dokumentiert seine Freundschaft mit Veit Harlans Sohn Thomas.«, journal21.ch, 23.12.2015»Über die private Seite von Fritz Bauer weiß man wenig. In Thomas Harlan fand er einen Seelenverwandten, dem er auch Gefühle anvertraute.«, Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2015»Den im Buch dokumentierten 131 Briefen ist ein umfänglicher, äußerst sorgfältig erarbeiteter Anmerkungsapparat zu den Briefen beigefügt, so dass die Briefe auch für Leser gut eingeordnet werden können, die mit Bauers und Harlans Vita und Wirken nicht so vertraut sind.Ein auch historisch wertvolles Buch.«, Jüdisches Leben online, 23.12.2015…mehr