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Befindet sich Deutschland tatsächlich auf dem Weg in die »Single-Gesellschaft«? Sind Online-Beziehungen »normalen« Beziehungen unterlegen? Hat der Feminismus die Frauen trotz aller Errungenschaften unglücklicher gemacht? Fördern Kinder tatsächlich die Lebenszufriedenheit der Eltern, und was hat die Liebe damit zu tun, dass Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinanderdriften?Entlang solcher Fragen konfrontiert Rüdiger Peuckert Alltagsmythen aus dem Bereich Paarbeziehung, Familie, Geschlechterverhältnis und Sexualität mit den Ergebnissen nationaler und internationaler empirischer…mehr

Produktbeschreibung
Befindet sich Deutschland tatsächlich auf dem Weg in die »Single-Gesellschaft«? Sind Online-Beziehungen »normalen« Beziehungen unterlegen? Hat der Feminismus die Frauen trotz aller Errungenschaften unglücklicher gemacht? Fördern Kinder tatsächlich die Lebenszufriedenheit der Eltern, und was hat die Liebe damit zu tun, dass Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinanderdriften?Entlang solcher Fragen konfrontiert Rüdiger Peuckert Alltagsmythen aus dem Bereich Paarbeziehung, Familie, Geschlechterverhältnis und Sexualität mit den Ergebnissen nationaler und internationaler empirischer Studien.
Treibende Kraft hinter dem Wandel von Partnerschaft, Ehe und Familie ist die veränderte Rolle der Frau. Junge Frauen befinden sich heute in einer widersprüchlichen Situation, denn den typischen weiblichen Lebensentwurf gibt es nicht mehr. Zwar betonen Frauen heute verstärkt ihre Freiheit und Unabhängigkeit, sie können sich aber nicht von den traditionellen Rollenvorstellungen lösen. Doch auch die Männer sind von diesem Wandel betroffen - wie sie angesichts ihrer bedrohten Männlichkeit reagieren, ist ebenfalls Thema dieses Buchs.
Autorenporträt
Rüdiger Peuckert lehrte als Professor für Soziologie an der Universität Osnabrück. Seine Schwerpunkte sind Sozialstrukturanalyse, Geschlechterverhältnisse, Soziale Ungleichheit, Familiensoziologie sowie Jugend- und Alterssoziologie. Mit »Familienformen im sozialen Wandel« (Springer VS, 8. Auflage 2012) liegt von ihm ein mehrfach aktualisiertes Standardwerk der Familiensoziologie vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2015

Mythenjäger im Geschlechterwald
Statistik statt Verdacht: Rüdiger Peuckert sieht sich in Untersuchungen zu Partnerschaft, Ehe und Familie um

Seine Freundin Teresa verdient sowieso schon lange ihr eigenes Geld, dann verliert Tomas auch noch seinen Job als anerkannter Prager Chirurg und muss fortan als Fensterputzer arbeiten. Die Hausfrauen, die seine Dienste anfordern, lassen ihn aber gleich den Eimer abstellen und gehen voran ins Schlafzimmer. Milan Kundera konnte solch einen Sachverhalt im Jahre 1984 noch als "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" bezeichnen, heutzutage scheint derselbe Sachverhalt sich zu einem sozialen Problem auszuwachsen.

Ist die Partnerin finanziell überlegen, geht der Mann im Durchschnitt häufiger fremd, stellt Rüdiger Peuckert in seinem Buch über "Das Leben der Geschlechter" fest. Die Ernährerrolle sei in Frage gestellt, somit das Selbstwertgefühl angekratzt, weshalb das männliche Ego durch Fremdgehen aufpoliert würde. Ebenso kann das Minderwertigkeitsgefühl aber auch auf die sexuelle Funktion schlagen. Eine Studie in Dänemark zeigte, dass Männer deren Frauen besser verdienen, im Durchschnitt einen höheren Viagraverbrauch haben. Frauen mit höherem Status als ihre Partner haben zudem eher Gewalthandlungen zu erleiden als im umgekehrten oder ausgeglichenen Fall. Außerdem übernehmen Frauen wieder mehr Hausarbeit, wenn sie mehr als der Mann verdienen, um so in eine weibliche Rolle zu passen.

Insgesamt jedoch habe der Aufstieg der Frauen in den westlichen Industriegesellschaften eher die Männer bevorzugt als die Frauen. Letztere haben zwar die Hausarbeit reduziert, aber durch umso mehr Erwerbsarbeit ersetzt. Auch die Ansprüche der Frauen seien schneller gewachsen, als sich ihre persönliche Situation verbessert hat. So hätten sich Frauen früher mit Geschlechtsgenossinnen verglichen, nun aber mit erfolgreicheren Männern. Darüber hinaus erhöhe der Abbau sozialer Ungleichheiten die Sensibilität für verbliebene Ungleichheiten - das Tocqueville-Paradox.

Ein Buch, das sich laut Vorwort eher an ein Fachpublikum richtet, verspricht Trockenheit. Und "Das Leben der Geschlechter" löst dieses Versprechen zweifellos ein. Nur gibt es nichts Erholsameres auf diesem von Ideologien geprägten Feld, als ein paar nüchtern aufgeschriebene statistische Daten auf sich wirken zu lassen. Einem Aufsatz von Norbert Elias folgend, sieht Peuckert die "Soziologie als Mythenjägerin". Und so flaniert Peuckert durch die Themen Ehe, Partnerschaft und Familie und bleibt dort stehen, wo ihm eingehende Betrachtung ratsam erscheint.

Am 20. März dieses Jahres fand in Deutschland der Equal Pay Day statt. Das Datum soll verbildlichen, wie viele Tage Frauen in das neue Jahr hineinarbeiten müssten, um auf den durchschnittlichen Jahresverdienst der Männer zu kommen. 22 Prozent betrage die Differenz und sie ist das zentrale Argument derer, die hier mehr Gerechtigkeit fordern. Peuckert nimmt diese Zahl auseinander. Zwar gebe es diese Lücke zwischen den Geschlechtern, das Geschlecht selbst, also Diskriminierung, sei aber nicht der entscheidende Grund dafür. Ein Großteil des Unterschieds sei darauf zurückzuführen, dass Frauen sich für Berufe mit weniger Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen entschieden. Außerdem öffne die Lohnschere sich, wenn Frauen ihr erstes Kind bekommen, dann pausieren und in Teilzeit wieder einsteigen. Bereinige man die Lohnlücke um diese Effekte, bleibe eine Differenz von zwei bis acht Prozent. Ein sozialwissenschaftlich belastbarer Equal Pay Day müsste also irgendwann im Januar stattfinden. Und dort müsste man nicht faire Bezahlung fordern, sondern sollte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreiben und den Frauen den Dienstleistungssektor ausreden.

Auch der Vereinzelung in der Gesellschaft geht der Autor nach. Für diese sogenannte Singularisierungsthese spricht, dass 40,5 Prozent aller Haushalte Einzelpersonenhaushalte sind. Peuckert nimmt auch diese Zahl ins Visier. Zunächst kann man die Ebene der Betrachtung ändern. Zwei Fünftel aller Haushalte sind Einpersonenhaushalte, aber nur ein Fünftel aller Personen leben in Einpersonenhaushalten. Darunter sind wiederum viele Witwen und Witwer, die man vermutlich nicht zu den Singles rechnen will, außerdem auch manch ein Paar, das sich für das getrennte Zusammenleben entschieden hat. Betrachtet man dann letztendlich die Zahl der Alleinlebenden unter den Menschen im mittleren Lebensalter, sind es lediglich 10 bis 15 Prozent, und diese sind meist unfreiwillig partnerlos.

Doch längst nicht immer hält der Autor seine Ankündigung aus dem Vorwort ein, für den kritischen Umgang mit Zahlen zu werben. Als Evidenz für die höhere Stabilität online angebahnter Partnerschaften im Gegensatz zu herkömmlich auf den Weg gebrachtenzieht er ausgerechnet eine Studie des Online-Partnervermittlers parship heran, was ja akzeptabel wäre, wenn er eventuelle Interessen dahinter problematisierte. Verblüfft stellt Peuckert anhand von Befragungsdaten fest, dass in Paarbeziehungen allem Anschein nach heute mehr zur Masturbation gegriffen wird, als das früher der Fall war. Ob es sich dabei allerdings um einen tatsächlichen Wandel des Sexualverhaltens oder bloß um einen Wandel hin zu unbeschwerter Auskunft handelt, lässt er undiskutiert. Überhaupt würde man vorziehen, von Studien nicht bloß Eckdaten und Ergebnisse, sondern auch das konkrete Vorgehen bei deren Erhebung zu erfahren. So muss man den Quellenangaben folgen, um sich ein Bild zu machen.

Das Buch bietet viele Antworten, aber eher noch ist es eine Fundgrube offener Fragen. Ob Polygamie glücklicher macht oder Monogamie, ob Pornographie Beziehungen guttut oder nicht, das ist, laut Peuckert, sozialwissenschaftlich ungeklärt. Es gibt also noch etwas zu forschen.

LEANDER STEINKOPF

Rüdiger Peuckert: "Das Leben der Geschlechter". Mythen und Fakten

zu Ehe, Partnerschaft

und Familie.

Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015. 200 S., br., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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