49,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Mit dem Brexit ist ein turbulentes Jahrzehnt in der Geschichte der europäischen Integration zu Ende gegangen. Griechenland-Krise, Flüchtlingskrise und der Aufstieg des Populismus haben die Europäische Union grundlegend verändert. In dieser aktualisierten und erweiterten Neuausgabe seines Standardwerks ordnet Wilfried Loth, einer der besten Kenner der Geschichte der europäischen Integration, die dramatischen Ereignisse der vergangenen Jahre erstmals ein. Er zeichnet die Entwicklung der Europäischen Union bis zur unmittelbaren Gegenwart der Corona-Krise nach und ermöglicht den Leserinnen und…mehr

Produktbeschreibung
Mit dem Brexit ist ein turbulentes Jahrzehnt in der Geschichte der europäischen Integration zu Ende gegangen. Griechenland-Krise, Flüchtlingskrise und der Aufstieg des Populismus haben die Europäische Union grundlegend verändert. In dieser aktualisierten und erweiterten Neuausgabe seines Standardwerks ordnet Wilfried Loth, einer der besten Kenner der Geschichte der europäischen Integration, die dramatischen Ereignisse der vergangenen Jahre erstmals ein. Er zeichnet die Entwicklung der Europäischen Union bis zur unmittelbaren Gegenwart der Corona-Krise nach und ermöglicht den Leserinnen und Lesern ein historisch begründetes Urteil über die Zukunft der EU..
Autorenporträt
Wilfried Loth ist emeritierter Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.
Rezensionen
»Loth legt mit diesen Erweiterungen einen sehr konzisen Überblick der zurückliegenden Jahre vor. Die Ergänzung der seit 2014 publizierten Fachliteratur rundet diese sehr nützliche Gesamtdarstellung ab, die auch in der erweiterten Auflage ein unverzichtbarer Begleiter der Geschichte der europäischen Integration bleibt.« Bastian Matteo Scianna, H-Soz-Kult, 04.12.2020»Wer sich fortan mit der 'unvollendeten Geschichte' der Einigung Europas beschäftigen möchte, kommt an diesem Opus magnum nicht vorbei«Ulrich Lappenküper»Ein aufklärerisches Werk. Pflichtlektüre für alle, die an der unvollendeten Geschichte Europas (ver-)zweifeln.« Rolf Steininger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.04.2014»Der Historiker Wilfried Loth erinnert in seinem Buch 'Europas Einigung' daran, dass 'Krisen eine ständige Begleiterscheinung der Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union' waren. Europapolitik sei bis heute immer 'die Kunst des Möglichen'.« Handelsblatt Online, 23.04.2014»Diese Darstellung ist jedem, Europaenthusiast oder -kritiker, nur als Pflichtlektüre anzuraten. Für eine sachliche Debatte über Europas politische Zukunft ist sie unabdingbar.« NZZ, 24.07.2014»Wilfried Loth protokolliert akkurat und detailreich die Entstehungsgeschichte der EU.« Klaus Pokatzky, Deutschlandradio Kultur, 19.03.2014»Warum die EU heute so funktioniert wie sie funktioniert, leitet der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen akribisch aus ihrer Geschichte her.« Handelsblatt, 11.04.2014»Seit Jahrzehnten ist auf einen Historiker Verlass, wenn es um grundsolide, kenntnisreiche, aus den Quellen und einem weitgespannten Fundus von Sekundärliteratur erarbeitete Beitrage zur Darstellung des Weges der europäischen Einigung geht. Mit der respektgebietenden Kombination von aufgeklärter Sachlichkeit und nie versiegender Empathie begleitet Wilfried Loth Weg und Werk der europäischen Einigungsgeschichte. [...] Wilfried Loths neues Buch gehört in jede anständige Bibliothek.« Ludger Kühnhardt, Politische Vierteljahresschrift, 01.05.2015»Die Europäische Union ist kompliziert, die Interessenlage vielseitig, und die Entscheidungsprozesse sind selten transparent. Wer dennoch wissen will, warum das so ist und wie die Europäische Union funktioniert, der sollte das neue Buch des Historikers Wilfried Loth lesen.« Jörg Münchenberg, Deutschlandfunk, 10.03.2014…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Nachschlagewerk mit bedingtem Lesevergnügen beschreibt Daniel Brössler Wilfried Loths Geschichte der europäischen Einigung. So faktenreich und akribisch der Autor ihm die Einigung als Notwendigkeit darzustellen und politische Kraftakte (wie den Großbritanniens) und Führungsfiguren (Adenauer, Kohl, Merkel, de Gaulle) mit den nötigen Hintergündinformationen zu versehen vermag, so wenig kann er dem Rezensenten die großen Linien oder gesellschaftliche Wirklichkeit aufzeigen. Letztere, so Brössler, bleibt wie die Akteure "schemenhaft" und das Bild der europäischen Einigung so leider "unvollständig".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2014

Körper mit und ohne Herz
Aufklärerische Pflichtlektüre: Wilfried Loths "unvollendete Geschichte" der Einigung Europas

Im Frühjahr 1941 meinte der französische Sozialistenführer Léon Blum, Ministerpräsident der Volksfrontregierungen von 1936 bis 1939, mit Blick auf die Zukunft: "Aus diesem Krieg müssen endlich durch und durch starke internationale Einrichtungen und eine durch und durch wirksame internationale Macht hervorgehen, sonst wird er nicht der letzte gewesen sein." Ein besonderer Aspekt der Friedenssicherung war die deutsche Frage. Wie konnten Europa und die Welt vor einer weiteren deutschen Aggression bewahrt werden? Wie ließen sich die Deutschen kontrollieren, ohne durch einseitige Diskriminierung neuen Revanchismus hervorzurufen? Dazu Blum: "Um den Widerspruch zu lösen und um die Unschädlichkeit Deutschlands in einem friedlichen und gesicherten Statut zu erreichen, gibt es einen einzigen Weg: die Eingliederung der deutschen Nation in eine internationale Gemeinschaft."

Mit diesem Zitat beginnt Wilfried Loth, der "Altmeister der europäischen Integrationsgeschichte", seine "unvollendete Geschichte" der Einigung Europas. Er legt in acht Kapiteln die Summe seiner Europa-Forschungen vor: (1) Gründerjahre 1948 bis 1957, (2) Aufbaujahre 1958 bis 1963, (3) Krisen 1963 bis 1969, (4) Erweiterung 1969 bis 1975, (5) Konsolidierung 1976 bis 1984, (6) Amsterdam 1984 bis 1992, (7) Von Maastricht nach Nizza 1992 bis 2001, (8) Verfassungsstreit und Eurokrise 2001 bis 2012. Detailliert widmet er sich in den ersten Kapiteln den Themen, deren Erforschung weit fortgeschritten ist: Schuman-Plan, Europäische Verteidigungsgemeinschaft, Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Beitritt Großbritanniens.

Alles begann mit dem Kalten Krieg und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Der amerikanische Außenminister Dean Acheson brachte es im Oktober 1949 auf den Punkt: "Frankreich, und nur Frankreich, kann die entscheidende Führungsrolle übernehmen, um Westdeutschland in Westeuropa zu integrieren." Und das hieß auch: zu kontrollieren. Sieben Monate später verkündete Frankreichs Außenminister Robert Schuman den nach ihm benannten Plan, eine europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu schaffen. Der Schuman-Plan war der Weg zu einer deutsch-französischen Annäherung, die wiederum Voraussetzung für eine Integration Europas unter Einschluss der Bundesrepublik war, ganz im Sinne von Achesons Überzeugung, dass "ein Europa ohne Deutschland wie ein Körper ohne Herz" sei.

Als im Juni 1950 Nordkorea den Süden angriff, wurde dies in Washington als Beginn einer großangelegten kommunistischen Offensive gesehen, der entschlossen entgegengetreten werden musste. Die Amerikaner forderten zehn deutsche Divisionen. Frankreich lehnte zu diesem Zeitpunkt noch jede deutsche Wiederbewaffnung kompromisslos ab und legte einen eigenen Plan vor: die Bildung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft. 1952 wurden die entsprechenden Pläne unterzeichnet. Sie sahen den Aufbau einer europäischen Armee vor, aber eben auch eine politische Gemeinschaft, ein entscheidender Schritt hin zur Integration Europas. Das Projekt scheiterte im August 1954 am Widerstand Frankreichs.

Der Gedanke einer europäischen Integration wurde dann von den Beneluxländern und Italien aufgegriffen. Man suchte Einigungsprojekte im wirtschaftlichen Bereich, die ohne großen Widerstand durchgeführt werden konnten. Am Ende dieser Phase stand die Gründung der EWG im März 1957, von der Konrad Adenauer gegenüber Wirtschaftsminister Ludwig Erhard meinte, sie sei das "notwendige Sprungbrett" für die Bundesrepublik, "um überhaupt wieder in die Außenpolitik zu kommen". Die europäische Integration sei vor allem notwendig, weil die Vereinigten Staaten von Amerika sie als Ausgangspolitik ihrer ganzen Europapolitik betrachteten "und weil ich genau wie Sie die Hilfe der Vereinigten Staaten als absolut notwendig für uns betrachte".

In Paris regierte wenig später jemand, der das anders sah und die Vereinigten Staaten herausforderte: General Charles de Gaulle. Auf der inzwischen berühmten Pressekonferenz am 14. Januar 1963 kam ein dreifaches Nein des Generals: Nein zum Beitritt Großbritanniens zur EWG, Nein zum britisch-amerikanischen Abkommen für eine multilaterale Atomstreitmacht und Nein zum amerikanischen Angebot an Paris, Polaris-Raketen zu liefern. Großbritannien war für de Gaulle das Trojanische Pferd der Amerikaner, um die EWG von den Amerikanern abhängig zu machen.

Der General ist einer von Loths Lieblingspolitikern; er untermalt das mit wunderbaren Zitaten. Als der Deutsche Bundestag 1963 dem deutsch-französischen Vertrag eine Präambel voranstellte, die das Ende eines Europas unter de Gaulles Führung bedeutete, kommentierte der das im Ministerrat folgendermaßen: "Die Amerikaner versuchen, unseren Vertrag seines Inhalts zu berauben. Sie wollen ein leeres Gehäuse daraus machen. Und warum das alles? Weil deutsche Politiker Angst haben, nicht genug vor den Angelsachsen zu kriechen! Sie benehmen sich wie Schweine! Sie hätten es verdient, dass wir den Vertrag aufkündigen und uns in einer Umkehr der Bündnisse mit den Russen verständigen." Der General trat 1969 ab, vier Jahre später traten Großbritannien, Dänemark und Irland der EWG bei.

Für den Zeitraum 1976 bis zur Gegenwart (5. bis 8. Kapitel) sind Archive und Nachlässe bislang nur sehr punktuell erschlossen. Hier war nach Loths eigener Aussage "viel Pionierarbeit" zu leisten. Und wenn Akten fehlen, dann fehlen auch interessante Einzelheiten und griffige Zitate. Die Geschichte der europäischen Integration wird zunehmend "langweilig", obwohl fast jede der europapolitischen Maßnahmen den einzelnen Bürger betrafen beziehungsweise betreffen. Etwa 1977, als Frankreichs Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt mit dem Europäischen Währungssystem eine Zone stabiler Wechselkurse schaffen wollten. Das System trat 1979 in Kraft. Oder die Direktwahl des Europäischen Parlaments im selben Jahr. 1990 forcierte Frankreich die Vertiefung der europäischen Integration und erwartete die deutsche Zustimmung dafür als Beweis für die Integrationsbereitschaft auch des vereinigten Deutschlands. Dafür stand Helmut Kohl.

In den folgenden Jahren gab es erstaunliche Fortschritte: Grenzkontrollen fielen, die Zahl der Mitglieder stieg auf 28, von denen 17 den Euro als gemeinsame Währung 2002 - manche meinten, zu früh - einführten. Die entsprechende Krise ließ nicht lange auf sich warten. Allenthalben ist jedenfalls ein Ende der EU-Euphorie festzustellen. Und von daher gilt mehr denn je, was die EU-Staats-und Regierungschefs bereits 2001 - also vor dreizehn Jahren! - in der "Erklärung von Laeken" feststellten, nämlich: "Die Bürger finden, dass alles zu sehr über ihren Kopf hinweg geregelt wird, und wünschen eine bessere demokratische Kontrolle. Die EU muss demokratischer, transparenter und effizienter werden." Fazit: Ein aufklärerisches Werk. Pflichtlektüre für alle, die an der unvollendeten Geschichte Europas (ver-)zweifeln.

ROLF STEININGER

Wilfried Loth: Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2014. 512 S., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2014

Brüssels
„neue Herrschaft“
Wilfried Loths Geschichte der europäischen Einigung
schildert ein halbes Jahrhundert des Gerangels
VON DANIEL BRÖSSLER
In der Geschichte tatsächlicher und vermeintlicher Erfolge der Margaret Thatcher nimmt das Städtchen Fontainebleau südlich von Paris einen besonderen Platz ein. Beim Gipfeltreffen der Europäischen Gemeinschaft im Juni 1986 setzte sie sich, zumindest zum Teil, mit ihrer Forderung durch, die sie auf die berühmt gewordene Formel gebracht hatte: „Ich will mein Geld zurück.“ Dazu musste sich Thatcher allerdings auf einen Handel einlassen, der Helmut Kohl und François Mitterrand entgegenkam. Die deutsch-französische Drohung, man könne in Europa auch gut ohne die Briten vorangehen, zeigte damals noch Wirkung.
  Es ist das Schicksal vieler europäischer Politiker, dass sie ihren Willen eben dann nicht bekommen, wenn sie ihn besonders hartnäckig durchzusetzen versuchen. Oder aber sie bekommen ihren Willen – und müssen es dann bereuen. So widerfahren der Eisernen Lady, wie Wilfried Loth in seiner faktenreichen Geschichte der europäischen Einigung darlegt.
  Thatcher mochte sich in Fontainebleau nicht an den Rand drängen lassen, weshalb sie nicht nur etwas von dort mitzunehmen gedachte, sondern auch etwas dorthin mitbrachte – ein Papier mit dem Titel „Europe, the Future“. Gegen eine vom deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seinem italienischen Kollegen Emilio Colombo angestoßene Initiative für eine Vertiefung der europäischen Einigung in vielen Bereichen setzte Thatchers Papier auf das aus ihrer Sicht Wesentliche: mehr Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik, vor allem aber bei der Liberalisierung des gemeinsamen Marktes.
  Mit ihrem Einsatz für den Binnenmarkt trug die Britin, wie Loth darlegt, ungewollt schließlich zu einer Stärkung der Gemeinschaft und damit auch jener supranationalen Strukturen bei, die sie so sehr verabscheute. Als sie 1988 vor dem Europakolleg in Brügge klarstellte, man habe den Staat in Britannien nicht dafür erfolgreich zurückgedrängt, um es mit einem „europäischen Superstaat“ zu tun zu kriegen, der „von Brüssel aus eine neue Herrschaft ausübt“, war es bereits zu spät. Ihren Kampf hatte Thatcher da schon verloren, sie wusste es nur noch nicht.
  Im Rückblick mag es so erscheinen, als erfülle sich mit Europas Einigung, die Loth als „unvollendete Geschichte“ beschreibt, ein großer Plan selbst gegen ärgste Widerstände. Und tatsächlich ist ja die Wirklichkeit vielfach den Visionen gefolgt, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Enthusiasten einer europäischen Einigung beflügelt hatten. Ein europäisches Parlament mit direkt gewählten Abgeordneten? Schwebte schon den Delegierten des Haager Europakongresses 1948 vor. Eine Währungsunion? Ebenfalls.
  Nichts von alledem ergab sich aber zwangsläufig. Die Geschichte der europäische Einigung ist vielmehr eine Geschichte der Notwendigkeiten. Als notwendig erschien den Politikern des in Trümmern liegenden Europa die Eingliederung und Einbindung Deutschlands, die Sprengung der für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung zu engen nationalen Grenzen und die Selbstbehauptung Europas in der Welt. Die anfängliche Überzeugung, diese Ziele seien nur in einer politischen Gemeinschaft zu erreichen, verlor allerdings rasch an Boden angesichts des übermächtigen Glaubens an die nationale Souveränität und der praktischen Mühen der Einigung.
  „Die gemeinsame Notwendigkeit zur Einigung stand gegen real sehr unterschiedliche Befindlichkeiten und Bedürfnisse der zu einigenden Staaten, das übergreifende Interesse an einem gemeinsamen Markt traf auf sehr unterschiedliche wirtschaftliche Bedürfnisse der einzelnen Staaten und unterschiedliche Interessen der einzelnen Produktionssektoren“, resümiert Loth. Im Ergebnis führte das die Europäer auf die lange von Umwegen geprägte Reise von der Montan-Union über Rom, Maastricht, Nizza und Lissabon bis zum Management der Euro-Krise. Die Union wuchs zusammen, wurde größer und näherte sich den Visionen der Anfangsjahre im Schneckentempo. „Europa“, bilanziert Loth, „war immer die Kunst des Möglichen.“
  Sein Verdienst ist es, diese Kunst in großer Akribie nachgezeichnet zu haben. Wer sich gerade jetzt, da Großbritanniens EU-Mitgliedschaft auf dem Spiel steht, den politischen Kraftakt vor Augen führen will, der Großbritannien schließlich gegen den englischen Zweifel und den ausdauernden Widerstand von Charles de Gaulle im zweiten Anlauf in die Gemeinschaft geführt hat, wird in Loths Buch alle wichtigen Hintergründe finden. Das gilt auch für den Widerstreit zwischen echter Einigung und bloßem Freihandel.
  Ende der 50er-Jahre – die Sechser-Gemeinschaft aus Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg war alles andere als gefestigt – übte das von Großbritannien verfochtene Modell einer Freihandelszone große Anziehungskraft auf Marktverfechter wie den deutschen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard aus. Die EWG wäre, wie Zeitgenossen vermerkten, in einer solchen Freihandelszone aufgegangen, „wie ein Stück Zucker in einer Tasse englischen Tees“. Bundeskanzler Konrad Adenauer stand damals unter doppelten Druck. Im Inneren durch den Wirtschaftsflügel der CDU, im Äußeren wegen der Not, im Konflikt zwischen Briten und Franzosen Farbe bekennen zu müssen. Adenauer entschied sich für die Franzosen und nahm Erhard an die Leine.
  Die europäische Einigung ist eine Geschichte der „Führungsfiguren“, von denen unter den deutschen Kanzlern Loth insbesondere Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel Respekt zollt. Ausführlich schildert er den Kampf de Gaulles gegen die ihm so verhasste amerikanische Hegemonie und gegen „die Herrschaft eines technokratischen, vaterlandslosen und unverantwortlichen Areopags“, der sich seiner Meinung nach in Brüssel breitgemacht hatte.
  Die Passagen, die de Gaulles Werben und Wüten gelten, gehören zu jenen in Loths Buch, die auch Lesevergnügen bereiten. Im Übrigen aber hat Loth kein Lesebuch verfasst, sondern ein Nachschlagewerk. Seine Leidenschaft gehört den komplexen Konflikten, gehe es um die Finanzierung der Agrarpolitik oder um die winzigen Schritte hin zu einer europäischen Sicherheitspolitik. Er folgt in den einzelnen Themenbereichen strenger Chronologie, auch in der Aufzählung taktischer Manöver und tagespolitischer Schachzüge.
  So sehr Loth den Künstlern des Machbaren im Nachwort huldigt, so wenig versteht er es, ihr Wirken in großen, nachvollziehbaren Linien zu zeichnen. Auch die gesellschaftliche Wirklichkeit, in der die Akteure handeln, bleibt schemenhaft. Sie darzustellen, hat Loth sich nicht vorgenommen. Aber die Geschichte der europäischen Einigung bleibt so nicht nur unvollendet, sondern auch unvollständig.
Wilfried Loth : Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte. Campus, 2014. 512 Seiten, 39,90 Euro
Eine Währungsunion hatten
schon die Delegierten des
Europakongresses 1948 im Sinn
Zu seinem Leidwesen musste
Adenauer sich zwischen England
und Frankreich entscheiden
Europa sucht den Top-Europäer. Die Regierungschefs haben bei der Kür des Kommissionspräsidenten weniger freie Hand denn je.
Zeichnung: Haderer
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Ein aufklärerisches Werk. Pflichtlektüre für alle, die an der unvollendeten Geschichte Europas (ver-)zweifeln." Rolf Steininger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.04.2014

"Der Historiker Wilfried Loth erinnert in seinem Buch 'Europas Einigung' daran, dass 'Krisen eine ständige Begleiterscheinung der Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union' waren. Europapolitik sei bis heute immer 'die Kunst des Möglichen'." Handelsblatt Online, 23.04.2014

"Diese Darstellung ist jedem, Europaenthusiast oder -kritiker, nur als Pflichtlektüre anzuraten. Für eine sachliche Debatte über Europas politische Zukunft ist sie unabdingbar." NZZ, 24.07.2014

"Wilfried Loth protokolliert akkurat und detailreich die Entstehungsgeschichte der EU." Klaus Pokatzky, Deutschlandradio Kultur, 19.03.2014

"Warum die EU heute so funktioniert wie sie funktioniert, leitet der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen akribisch aus ihrer Geschichteher." Handelsblatt, 11.04.2014

"Seit Jahrzehnten ist auf einen Historiker Verlass, wenn es um grundsolide, kenntnisreiche, aus den Quellen und einem weitgespannten Fundus von Sekundärliteratur erarbeitete Beitrage zur Darstellung des Weges der europäischen Einigung geht. Mit der respektgebietenden Kombination von aufgeklärter Sachlichkeit und nie versiegender Empathie begleitet Wilfried Loth Weg und Werk der europäischen Einigungsgeschichte. [...] Wilfried Loths neues Buch gehört in jede anständige Bibliothek." Ludger Kühnhardt, Politische Vierteljahresschrift, 01.05.2015

"Die Europäische Union ist kompliziert, die Interessenlage vielseitig, und die Entscheidungsprozesse sind selten transparent. Wer dennoch wissen will, warum das so ist und wie die Europäische Union funktioniert, der sollte das neue Buch des Historikers Wilfried Loth lesen." Jörg Münchenberg, Deutschlandfunk, 10.03.2014
…mehr