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Am 28. September 2005 würde Max Schmeling, erster deutscher Boxweltmeister und Idol für viele Deutsche, 100 Jahre alt. Zum Jubiläum erscheint das Porträt eines sympathischen Jahrhundertdeutschen zwischen Triumph und Niederlage.

Produktbeschreibung
Am 28. September 2005 würde Max Schmeling, erster deutscher Boxweltmeister und Idol für viele Deutsche, 100 Jahre alt. Zum Jubiläum erscheint das Porträt eines sympathischen Jahrhundertdeutschen zwischen Triumph und Niederlage.

Autorenporträt
David Pfeifer, Jahrgang 1970, lebt als Journalist in Hamburg. Er arbeitet als Verlagsberater unter anderem für die Verlage Burda, Hoffmann und Campe sowie Gruner + Jahr, und schreibt als freier Autor für das SZ-Magazin, GEO, Stern, GQ und viele mehr. David Pfeifer hat selbst geboxt und ist Experte für die Boxszene, für die Entwicklung des Sports in Deutschland und Schmelings Rolle darin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2005

Kein Sparring für Marlene Dietrich
Dichte Beschreibung mit Leerstellen: David Pfeifer über Max Schmeling, der heute 100 Jahre alt geworden wäre
Boxen war hip in den späten zwanziger Jahren. Nicht nur bei den Figuren der Demimonde, Zuhältern, Schiebern, den echten Kerlen. Es war die Bohème, die den rohen Sport für sich entdeckte. Kunstsammler, Schriftsteller, Musiker waren elektrisiert von der neuartigen Liaison aus Archaischem und Show. Was verführte sie? Neigte das „Feinste, müd’ seiner selbst” tatsächlich dazu, „trunken ins Wilde zurückzusinken” (Thomas Mann)? Die Antwort könnte komplizierter sein. Sie liegt im Habitus des Boxers. Er ist ganz Körper - aber er ist nicht wild und ausufernd, sondern ein Produkt der Moderne: trainiert, definiert, mit deutlichen Grenzen zwischen innen und außen. Sein Code: Freund oder Feind, Sieg oder Niederlage, Ja oder Nein.
Der Boxer muss klare Konturen haben, nichts darf fließen. Falls doch, ist es das Blut, das ihm, in die Augen laufend, die Schärfe des Blicks raubt. Zerfließt er selber mit seiner Umwelt, heißt das: Er hat verloren. Durch den Nebel der Ohnmacht hört er vom Ringboden aus die letzten Zahlen des Ringrichters, die ihm gelten. Der Boxer ist ganz und gar identisch. Es war die Sehnsucht der Feinsinningen, der Fragilen, der Nichtidentischen, der Ausufernden, der Zerrissenen, die in ihm etwas Unerreichbares imaginierten. Dazu kam der Zeitgeist: Rasante Umbrüche, gepaart mit sozialer Unsicherheit und schnell wachsender Komplexität, machen süchtig nach Identität.
Schließlich erschien die Inkarnation dieser Sehnsucht in der Person eines jungen Boxers: Max Schmeling. Er war kein dumpfer Schläger, wirkte außerhalb des Rings sanft, ja unbeholfen, wie ein großer, starker Junge. Ihm konnten sich Männer wie Bert Brecht, George Grosz, Alfred Flechtheim und andere nähern, ohne sich dabei zu verlieren. Genauso faszinierte das Boxen die Faschisten; sie sahen darin die Rettung vor ihrem größten Horror: Widersprüchliches anzunehmen und auszuhalten. Nicht umsonst waren Adolf Hitler und Joseph Goebbels Boxfans: Sie glaubten, in dem Männersport das ureigenste Prinzip des Faschismus zu erkennen.
Doch der Faustkampf wurde populär, bevor die Nazis kamen - und mit ihm Max Schmeling. In seiner neuen Biografie schildert David Pfeiffer den Aufstieg des späteren Weltmeisters vom entlaufenen Buchhalterlehrling, der auf dem Jahrmarkt Hufeisen verbog und Nägel mit der Hand in ein Brett drückte, bis zum Megastar und lebenden Denkmal einer ganzen Nation. Es ist Pfeifers Stärke, eine dichte Beschreibung der sich entwickelnden Welt des Berufsboxens in Deutschland zu geben, den Schritt zu schildern von verrauchten Kirmeszelten, wo Männer aufeinander einprügelten, und Arbeiter ihnen für kleines Geld zusahen, hin zum Glamour eines ausverkauften Berliner Sportpalasts, wo 8000 Zuschauer auf den Stühlen standen, als Schmeling am 6. Januar 1928 Michele Bonaglia, Mussolinis Lieblingsboxer, in der ersten Runde k. o. schlug.
In diesem Klima entstand jene einzigartige Melange aus Künstlern und Profischlägern; die Boxer, die aus den Jahrmarktbuden und Varietés kamen, fühlten sich der Bohème verwandt. Place to be für die Szene war das „Studio für Boxen und Leibeszucht” in Berlin, geführt von Sabri Mahir, der sich als „der schreckliche Türke” vom Zirkus Busch zu einem EM-Kampf hochgeboxt hatte: „Im Erdgeschoss gab es einen Hochring, wo allen voran der riesige Schwergewichtler Franz Diener seine Kampfkunst verfeinerte. Im Ring fanden auch Lesungen statt, Gesangsvorführungen und Schauspielaufführungen. Mahir lockte zu diesen ,Teestunden am Ring‘ die Kunst in seine Boxbude.” Die Künstler kamen und blieben, fingen an, neben den Profis zu trainieren. Marlene Dietrich, Leni Riefenstahl und Carola Neher steppten vor den Sandsäcken. „Marlene Dietrich becircte Mahir, sie Sparring machen zu lassen, aber der blieb hart: Ich werde nicht zulassen, dass Sie sich Ihr schönes Gesicht zerschlagen.”
Pfeifers Erzählung gelingen intensive Szenen; dazu zählen auch die Reportagen über die beiden Kämpfe gegen Joe Louis - die Urerzählungen des Schmeling-Mythos. Auf diese hat Pfeifer, selber mit aktiver Ring-Erfahrung ausgestattet, große Energie verwendet. (Hierzu sind gerade auch Parallelen zu Jan Philip Reemtsmas Studie über Muhammad Ali erschienen; aber wo dieser gleichsam durch die gespreizten Finger auf den poetischen Stil Alis späht, beschreibt jener die Kämpfe unmittelbarer, in streckenweise martialischem Jargon. Was Pfeifer abgeht, ist die Abstraktionshöhe, mit der Reemtsma anhand einer allegorischen Deutung der „Rocky”-Filme den symbolischen Subtext freilegt, der das Phänomen Ali erst ausmacht.
Schmelings Habitus war der des sauberen, ehrlichen Jungen, der, weiß und zivilisiert, zur Physis zurückkehrte, sich der archaischen Situation aussetzte, obwohl er dies nicht musste. Seine Mittel waren modern: Disziplin, Fitness, Kälte, Exaktheit, Effizienz. Mit seiner Rechten konnte er Denksysteme einreißen. Die Botschaft eines Boxkampfes bleibt immer dieselbe: Egal, wer den Kampf gewinnt, immer ist es ein Sieg der Physis. Damit wurde in den zwanziger und dreißiger Jahren der längst in den Schlammtrichtern von Verdun und angesichts der Massenheere der Arbeitslosen liquidierte Glaube gerettet, dass der Mensch in seiner Körperlichkeit ein relevantes Individuum sei, dass es nicht die sinistren Mächte der technischen, sozialen, wirtschaftlichen, zivilisierten, kulturellen Welt sind, denen das Ich ausgeliefert ist, sondern dass umgekehrt die starke Hand eines Mannes den Gang der Geschichte zu bestimmen vermag.
Die sportliche Karriere Schmelings war spätestens 1945 zu Ende. Von 1933 an war er, ohne Nazi zu sein, auch der Boxer der Nazis. Nach dem Krieg gab er nur noch den Darsteller des Ex-Champions. Das Publikum machte ihn durch eine zweite „Rühmannisierung” zum lebenden Denkmal. Schmeling, das war einer, den man immer noch gut finden durfte, obwohl man ihn in der Nazizeit schon gut gefunden hatte. Ein Mindestmaß an Kontinuität ist wichtig, um nicht verrückt zu werden. Darum wurde Schmeling zur beinahe religiös aufgeladenen Ikone.
David Pfeifer hat eine überzeugende Darstellung der frühen Karriere Schmelings abgeliefert, mit dichten Beschreibungen von Metier und Milieu. Aber es gibt Leerstellen. Vieles wird geschildert, aber nicht erklärt: Hatte Schmeling niemals Angst? Hat er Anny Ondra je geküsst? Hatten sie von Anfang an getrennte Betten? Wie hat er den Unfalltod seiner kleinen Schwester verarbeitet, die im Beiwagen der von ihm gesteuerten Harley starb? Max, wie er wirklich war - das bleibt auch nach den 337 Seiten ein Rätsel. Der sanft, fast tapsig wirkende Mann, der durchgängig als Gentleman beschrieben wird, der alles andere als ein Schlägertyp war, der nie einen Tropfen Alkohol trank, hinterlässt das Bild eines seltsam körperlosen, klinisch reinen, ja aseptischen Menschen. Er wirkt fast gespenstisch.
PATRIC SEIBEL
DAVID PFEIFER: Max Schmeling. Berufsboxer, Propagandafigur, Unternehmer. Die Geschichte eines deutschen Idols. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005. 364 Seiten, 24,90 Euro.
Max Schmeling in den frühen dreißiger Jahren bei Schießübungen - worin er sehr gut gewesen sein muss.
Foto: Getty Images
Am 22. Juni 1938 schlägt der damalige Weltmeister im Schwergewicht Joe Louis den Deutschen Max Schmeling im New Yorker Yankee Stadion nach nur 124 Sekunden k.o. In Amerika bejubelt man Schmelings Niederlage gegen den schwarzen Boxer als symbolischen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland. Das Bild aus dem damaligen Programmheft für den Revanchekampf ist David Margolicks gerade erschienenem Buch „Max Schmeling und Joe Louis. Kampf der Giganten - Kampf der Systeme” (Karl Blessing Verlag, München 2005, 528 Seiten, 23,90 Euro) entnommen. Bereits 1936 trafen sich Louis und Schmeling im Ring. Damals gelingt dem deutschen Europameister das Unfassbare: Er, auf den das New Yorker Publikum keinen Penny wettet, besiegt den neun Jahre jüngeren Louis, der als unbesiegbar gilt, in der zwölften Runde. Die beiden Schwergewichtskämpfe zwischen Joe Louis und Max Schmeling spiegelten so kurz vor dem drohenden Weltkrieg Ängste, Hassgefühle und Hoffnungen. Nach dem Krieg entwickelte sich zwischen Louis und Schmeling eine tiefe Freundschaft.
SZ
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2005

Tiefschlag für Schmeling, Jab für die Deutschen

Warum nur widmen beide Autoren ihr jeweiliges Buch Frauen? Ist es eine Entschuldigung für die Materie, mit der sie sich befassen? Mütter oder Frauen von Boxern ziehen es vor, lieber draußen vor der Tür zu bleiben, wenn der Gong schrillt. Martin Krauß hier und David Pfeifer dort hätten für ihr Projekt eine Schreibstube teilen können. Das gleiche Thema, die gleichen Quellen, das gleiche Dilemma. Max Schmeling stand beiden nicht zu einem Gespräch zur Verfügung. Sie sind so fair, das ausdrücklich festzuhalten. Es war ihnen - das ist in diesem speziellen Fall die Ungnade ihrer späten Geburt, der eine ist 35, der andere 41 Jahre alt - nicht vergönnt. Bevor sie mit ihren Recherchen begonnen haben, war Schmeling längst auf Tauchstation gegangen. Es sei, hat er zu diesem Zeitpunkt längst festgelegt, alles gesagt und geschrieben. Er hat sie somit nicht mehr für sich einnehmen können mit seinen hellwachen Augen, dieser Vitalität im hohen Alter, seiner gewinnenden Art, die etwas Entwaffnendes gerade für die Generation der Söhne hatte. Nämlich dann, wenn sie ihre Väter nach ihren Taten im Kriege, ihrer Rolle im Dritten Reich fragten und sehr oft bestenfalls nur Fragmente an Antworten bekamen.

Krauß beharrt darauf, "keine Biographie im herkömmlichen Sinne geschrieben zu haben". Nun gut, er beginnt mit Schmelings erstem Kampf gegen Joe Louis, der ihn berühmt gemacht hat, doch vom zweiten Kapitel an schildert er chronologisch "Die Karriere eines Jahrhundertdeutschen". Wer Schmelings "Erinnerungen" gelesen hat, wird weder bei Krauß noch bei Pfeifer großartig Neues finden können. Zuvor hat bereits Volker Kluge in seiner "Max Schmeling. Eine Biographie in 15 Runden" tief gegraben, versucht, an der damals noch lebenden Legende unter der Oberfläche ein paar braune Kratzer zu finden. Aber er wurde nur in Spurenelementen fündig. Krauß wie Pfeifer sind in diesem Punkt auch nicht weitergekommen. Das hat nichts mit der Eile zu tun, mit der die für den runden Geburtstag im September gedachten Bücher nach dem Tod des 99jährigen auf den Markt kamen - die Quellen sind erschöpft, Zeitzeugen nicht mehr zu befragen. "Wie man über einen Menschen denkt, hängt davon ab, wie dieser Mensch präsentiert wird", schreibt Krauß in seiner Schlußbetrachtung. Da haben wir es. Jeder, der sich heute an die Beurteilung Max Schmelings macht, stößt natürlich auf Einschätzungen von einst. Krauß geht am Ende so weit, Schmeling anzulasten, nicht nach Amerika emigriert zu sein: "Schmeling blieb auch und vor allem dem eigenen Nutzen zuliebe in Deutschland, in der Nähe der Mächtigen, um sich so, nicht selten opportunistisch, durchs Leben zu schlängeln."

Vermutlich hätte Schmeling diesen Satz als Tiefschlag oder Nachschlag empfunden. Krauß wollte nicht unentschieden aus dem Ring gehen, also hat er sich festgelegt. Mutig. Dem Publikum wiederum gibt er einen Jab mit, der als Volltreffer durchgeht: "Schmeling gilt in der deutschen Öffentlichkeit nicht als der Boxer der Nazis, aber er gilt auch nicht als der Mann, der Juden gerettet hat. Er gilt als jemand, der in der hiesigen politischen Kultur höher geschätzt wird - als der Unpolitische."

Der Journalist Pfeifer ist nicht nur Boxfan, er hat das schwierige Fach sogar im Ring praktiziert. Er sollte mal ein Boxbuch schreiben. Er glänzt, wenn er das Boxmilieu der aktiven Schmeling-Jahre beschreibt, stilistisch eleganter als Krauß begleitet er Schmeling durch ein Jahrhundert, ohne sich in der Sache und im Urteil groß zu unterscheiden: "Schmeling, der sich nie besonders mit Politik befaßt hatte, benutzte die eigene Meinungslosigkeit . . . wie einen Schild, der ihn vor den Erkenntnissen schützen sollte, die sich ihm über die neuen Herren im Lande aufdrängten - zumindest, wenn er im Ausland war und auf das Nazi-Regime, die Judenverfolgung und später auch die Kriegsplanungen angesprochen wurde." Der große Max sei einer gewesen, "der es geschafft hat, ohne größere Schrammen durch die Nazizeit zu kommen und doch ein Deutscher durch und durch zu bleiben". Das hat man so oder so ähnlich in diversen Publikationen über die Geschichte eines deutschen Idols lesen können. Die "wunderbare Freundschaft" allerdings zwischen Max Schmeling und Joe Louis ortet Pfeifer forsch im Reich der modernen Legenden. Das liest sich bei Krauß ganz anders. Ja was denn nun? fragt sich der Rezensent und hält sich ohne eine letzte Wahrheit über Segen und Fluch des Max Schmeling im Pauschalurteil über die Juroren bedeckt: Unentschieden zwischen Krauß und Pfeifer. Sie haben es schwer gehabt. Schmeling übrigens auch.

HANS-JOACHIM LEYENBERG.

Besprochene Bücher: Martin Krauß: Schmeling. Die Karriere eines Jahrhundertdeutschen. Verlag Die Werkstatt 2005, 264 Seiten, 18,90 Euro.

David Pfeifer: Max Schmeling. Berufsboxer, Propagandafigur, Unternehmer. Die Geschichte eines deutschen Idols. Campus Verlag 2005, 362 Seiten, 24,90 Euro.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

David Pfeifers Stärke, meint Patric Seibel, sind die "dichten Beschreibungen von Metier und Milieu", analytisch haben andere, beispielsweise zum Mythos Boxsport, schon mehr beigetragen. Dieses Buch liefert dafür eine "überzeugende Darstellung" vor allem von Max Schmelings frühen Jahren - seine Herkunft, sein Umfeld, die entstehende städtische Subkultur des Berufsboxens zwischen Jahrmarkt und Kneipe, ihr Aufstieg zum gesellschaftlichen Großereignis - und zeichnet dabei zugleich ein lebendiges Bild der Zwischenkriegsboheme, die sich, von Brecht bis zur Dietrich, für das Boxen begeisterten. Der physisch starke, aber zugleich diszipliniert und strategisch boxende Schmeling verkörperte eine Lösung für das Leben in der Moderne, mit ihrem die ordnende, archaisch strenge Einlassung auf unüberschaubare Komplexität - das galt nicht zuletzt auch für die Nazis, die Schmeling zu einem ihrer populären Helden machten. All das ist prima beschrieben, dazu kommen packende Reportagen der wichtigsten Kämpfe, und dennoch, konstatiert der Rezensent, bleibt die Person Schmeling bis zum Schluss ein Rätsel. Inmitten der farbigen historischen Szenen erscheine er als das Abbild eines "seltsam körperlosen, klinisch reinen, ja aseptischen Menschen".

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