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B Zukunft braucht Menschen - Warum die Arbeit nicht am Ende ist! S Staat und Politik, Arbeit und Unternehmen, persönliche Lebensplanung und zwischenmenschliche Beziehungen - die digitale Revolution hat nahezu alle Bereiche erfasst und verändert unsere Lebenswelt in rasantem Tempo. Wo bleibt dabei der Mensch? Daniel Cohen gehört nicht zu denjenigen die befürchten, dass die neue Spielart des Kapitalismus den sozialen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Solidarität vollständig zerstört. Er zeigt, dass die Umwälzungen, die heute oft bedrohlich erscheinen, auch ungeahnte Möglichkeiten und…mehr

Produktbeschreibung
B Zukunft braucht Menschen - Warum die Arbeit nicht am Ende ist! S Staat und Politik, Arbeit und Unternehmen, persönliche Lebensplanung und zwischenmenschliche Beziehungen - die digitale Revolution hat nahezu alle Bereiche erfasst und verändert unsere Lebenswelt in rasantem Tempo. Wo bleibt dabei der Mensch? Daniel Cohen gehört nicht zu denjenigen die befürchten, dass die neue Spielart des Kapitalismus den sozialen Zusammenhalt und die gesellschaftliche Solidarität vollständig zerstört. Er zeigt, dass die Umwälzungen, die heute oft bedrohlich erscheinen, auch ungeahnte Möglichkeiten und Freiheiten eröffnen. Weder bedeutet der technische Fortschritt das "Ende der Arbeit" noch gibt es Grund zur Euphorie. Die Anforderungen an die Menschen haben sich grundlegend gewandelt. Der Einzelne mit seinen individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Die persönlichen Freiräume werden dadurch größer, jedoch steigt auch der Druck, immer bereit zu sein für al le Veränderungen und ständig Leben und Arbeit aus eigener Initiative zu gestalten. An die Stelle körperlicher Erschöpfung tritt in vielen Fällen psychischer Stress. Doch allgemeiner Wohlstand und eine florierende Wirtschaft und erfordern nun einmal eine hohe Produktivität. Daniel Cohen durchdenkt die Veränderungen der Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf das Leben des modernen Menschen. Wir befinden uns in einer noch nicht abgeschlossenen Revolution. Es mangelt bisher an einem sozialen Rahmen für den neuen Kapitalismus, und es ist wichtig, in dieser Übergangszeit die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen.
Autorenporträt
Daniel Cohen unterrichtet an der École Normale Supérieure und an der Universität Paris. Er ist Mitglied des französischen Wirtschaftsrates und Berater des französischen Premierministers Lionel Jospin. 1997 erhielt er den Titel "Wirtschaftswissenschaftler des Jahres". Im Campus Verlag erschien 1998 sein Buch Fehldiagnose Globalisierung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2002

Eine neue Knechtschaft
Wie Marx die kapitalistische Konkurrenz unterschätzt - Daniel Cohen geht auf logische Achterbahnfahrt

Daniel Cohen: Unsere modernen Zeiten. Campus-Verlag, Frankfurt 2001, 152 Seiten, 21,50 Euro.

"Fehldiagnose Ende der Arbeit" steht neben Titel und Untertitel auf dem Einband des Buches von Daniel Cohen. Dieser Schlachtruf macht Appetit. Das Ende der Arbeit hatte einst der amerikanische Publizist Jeremy Rifkin verkündet. Doch nun scheint der Berater des bisherigen sozialistischen französischen Premierministers Lionel Jospin, der in der ersten Runde der Wahl um das Präsidentenamt freilich so bitter gescheitert ist, zum Gegenangriff zu blasen. Gespannt macht sich der Leser ans Werk. Indes fragt er sich schon nach wenigen Seiten irritiert: Was will Cohen eigentlich? Die modernen Zeiten verteidigen - oder sie verdammen?

Offenbar hat er beides zugleich vor, will kühle Argumente in eine überhitzte Debatte tragen und doch auf der populären Welle der "Endzeitängste" mitreiten. Möglicherweise ist solche Wirrnis klientelgerecht - gerade in einem Land, in dem ein sozialistischer Präsident (François Mitterand) unter dem Druck der Realität eine Kehrtwende in der Nationalisierungspolitik hatte hinlegen müssen und in dem der Wähler später eine "Cohabitation" der Volksparteien verfügt hat, an deren Ende eine Aufweichung des politischen Profils steht. Zu einem solchen Szenario der unklar definierten Mitte paßt es, wenn Cohen sucht, die Wirtschaftspolitik zu "demystifizieren". Im ideologisch aufgeladenen Spannungsfeld zwischen Angebot und Nachfrage sei nur eine Doppelstrategie nötig, die beide zugleich fördere.

Dieser alle Nuancen verschlingenden, zur logischen Achterbahnfahrt ladenden Dialektik bedient sich Cohen auch, wenn er dann tatsächlich den Mythos vom Ende der Arbeit widerlegt. Seine Rhetorik verortet ihn dabei trotzdem stetig im sozialistischen Lager. Dramatisierend fragt er: "Erst kam das Aus für die Bauern, dann für die Fabrikarbeiter, und heute?" Der Kapitalismus scheine auf jeder Etappe seiner Entwicklung jenen Teil der Gesellschaft zu verschlingen, den er zuvor erzeugt habe. Er setze die Bestrebungen der Menschen zynisch und brutal um. Die "Logik dieser Zerstörungskraft" gelte es im Kern zu erfassen.

Nach solchen Gruselworten erquickt unversehens ökonomischer Sachverstand. So lasse sich die Behauptung, technischer Fortschritt schade der Beschäftigung, durch Tatsachenbetrachtung widerlegen, schreibt Cohen. Doch prompt schiebt er eine Breitseite nach - wenn auch nicht niveaulos: "Das Übel des Kapitalismus besteht nicht darin, daß er den Menschen weniger Arbeit läßt, sondern darin, daß er ihnen zuviel aufbürdet." Gleich wird es wieder vernünftig: Gerade vor diesem Hintergrund sei der Malthusianismus, der von einer festen Zahl an Arbeitsplätzen ausgehe, völlig naiv. Aber schon folgt die nächste Polemik.

So geißelt der eloquente Ökonom den Malthusianismus ebenso wie den Neoliberalismus - den er einfach als dessen Umkehrung interpretiert - als eine der "großen ideologischen Versuchungen unserer Zeit". Dessen unbeschadet liefert er eingefleischten Marxisten nebenbei einen Nachhilfekurs über die positiven Wirkungen des Wettbewerbs: "Die Konkurrenz unter den Kapitalisten ist für den Arbeiter das Mittel, zu bekommen, was ihm zusteht. Diese Dimension der kapitalistischen Konkurrenz ist es, die Marx vollkommen unterschätzt."

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sieht Cohen realistisch. Es sei letztlich nur das Ungleichgewicht in der Zusammensetzung der Masse an Arbeitslosen, die es ihnen schwer mache, eine Arbeit zu finden. Das immerhin bietet einen Ansatzpunkt für sozialistische Rezepte: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit müsse "auch den Kampf gegen die Ungleichheit einschließen: Ausbildung, Gesundheit, gesellschaftliches Ansehen". Doch auch grundlegende Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie beherzigt Cohen: "Verlängerung der Ausbildungsdauer, der Vorruhestand, die Reduzierung der Arbeitszeit - in all diesen Maßnahmen drückt sich der falsche Glaube an das ,Ende der Arbeit' aus." Überhaupt sei den Arbeitslosen mit den Institutionen der Gesellschaft wenig gedient. "Man denke an Mindestlöhne und an die Kosten, die Entlassungen, Einstellungen oder Weiterbildung verursachen. Solche Einrichtungen schaffen eine unsichtbare Barriere, die die Arbeitslosen nicht überwinden können."

Trotzdem wartet Cohen mit einer Idee auf, die an Abstrusität kaum zu überbieten ist: Jedem Arbeiter sollten "Sozialziehungsrechte" eingeräumt werden. In Zeiten, in denen jeder mit der Bedrohung seines Arbeitsplatzes leben müsse, brauche er auch Zeit, um vorzubeugen. Daher sollte jedem Arbeitnehmer das gegenüber seinem Arbeitgeber einklagbare Recht eingeräumt werden, berufliche Auszeiten zu nehmen - zur Fortbildung, um freiberuflich zu arbeiten oder selbst ein Unternehmen aufzubauen. Ein besseres Mittel, einen Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen, läßt sich kaum denken.

Den Gipfel kreativer Dialektik erklimmt Cohen, wenn er schreibt: "Die Einheit Kapitalismus-Demokratie kann man nicht verstehen, wenn man die Demokratie als Gehilfin des Kapitalismus ansieht. Es liegt in der Natur der Demokratie, Gesellschaftsgruppen hervorzubringen, die dem Kapitalismus feindlich gegenüberstehen; seine Aufgabe besteht darin, aus ihnen die produktiven Kräfte von morgen zu machen." Dafür hat er sogar ein Beispiel parat: die Achtundsechziger als Katalysatoren für die industrielle Entwicklung seit den siebziger Jahren. Damals habe die lebensgierige Jugend den Materialismus der Eltern überwunden. Cohen zitiert den Historiker François Caron, der den "Protesthedonismus" der sechziger Jahre in die spätere Technologisierungswelle münden sieht - verbunden mit der Hoffnung, in der New Economy gewinne die Arbeit ihre Autonomie zurück.

Da ist der Autor indes skeptisch. Der Computer vernichte alte Berufe, mache "Leerzeiten" prohibitiv teuer und radikalisiere die Befehlsstruktur in den Unternehmen. "Die Autonomie des Arbeiters, die darin besteht, ihm größere Verantwortung zu übertragen, ist das Mittel, ihn zur direkten Rechenschaft zu verpflichten." So müßten die Arbeiter selbst beweisen, daß sie ihre Aufgabe gut machten. "Das ist das Prinzip einer neuen und definitiven Knechtschaft." Wenn das die Botschaft der sozialistischen Mitte an der Seine resümiert, dann ist ihr Wahldebakel vom 21. April alles andere als ein Wunder.

KAREN HORN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auf den ersten Blick scheint alles klar: Daniel Cohen, der Berater Jospins, argumentiert gegen Jeremy Rifkins Thesen vom "Ende der Arbeit", für eine Fortsetzung linker Politik. Auf den zweiten Blick, so Karen Horn, ist das schon nicht mehr so deutlich. Oft läuft es aufs dialektische Sowohl-als-auch hinaus, wenn Cohen etwa wirtschaftspolitisch fordert, Angebot wie Nachfrage müssten unterstützt werden. Auf Polemik mit sozialistischer Rhetorik folgen in der Regel, meint die Rezensentin hin- und hergerissen, durchaus vernünftige Argumente. Cohen verteidigt den Kapitalismus gegen Marx (gut so, erklärt die Rezensentin) und fordert dann das grundsätzliche Recht jeden Arbeitnehmers auf selbstbestimmte "berufliche Auszeiten" (Horn ist entsetzt). Gegenüber der neuen Computer-New-Economy bleibt er sehr skeptisch, sie bringt, so sein Argument, die "Autonomie der Arbeiter" in Gefahr. Da wird am Ende die Rezensentin doch noch richtig böse: wer so daherschreibt, meint sie, muss sich über Wahldebakel nicht wundern.

© Perlentaucher Medien GmbH