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Antike Mythologie und historische Überlieferung sind reich an Beispielen zur Wirksamkeit von Gaben. Anhand der Erzählung des frühgriechischen Epos und der Mythen um den Dreifußraub des Herakles fragt die Autorin nach der stofflichen Gestalt der Gaben. In Abgrenzung von Marcel Mauss' berühmtem "Essai sur le don" (1925) zeigt sie, dass das Konzept des Gabentauschs als Gegenbild zum egoistisch verstandenen Tausch konzipiert wurde. So wird ein Bild von den Kommunikationsnetzen der frühen Griechen entfaltet, das neue Einsichten in die Struktur von Herrschaft und Austausch, Ökonomie und religiöser Praxis eröffnet.…mehr

Produktbeschreibung
Antike Mythologie und historische Überlieferung sind reich an Beispielen zur Wirksamkeit von Gaben. Anhand der Erzählung des frühgriechischen Epos und der Mythen um den Dreifußraub des Herakles fragt die Autorin nach der stofflichen Gestalt der Gaben. In Abgrenzung von Marcel Mauss' berühmtem "Essai sur le don" (1925) zeigt sie, dass das Konzept des Gabentauschs als Gegenbild zum egoistisch verstandenen Tausch konzipiert wurde. So wird ein Bild von den Kommunikationsnetzen der frühen Griechen entfaltet, das neue Einsichten in die Struktur von Herrschaft und Austausch, Ökonomie und religiöser Praxis eröffnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Edle Spender wollten nicht ungenannt bleiben
Antike in ansprechender Verpackung: Die Weltgeschichte ist eine Geschichte von Klassegeschenken / Von Uwe Walter

Wird das Konzept des Gabentauschs als einer grundlegenden Verkehrsform zwischen Individuen, Verbänden und göttlichen Mächten seinen Platz in einer neuen Weltgeschichtsschreibung einnehmen? Manches deutet darauf hin. Das wiedererwachte Bedürfnis an universal kommunizierbaren Deutungen ist ohne die tägliche Erfahrung einer gewaltsam-anarchischen Schaffung der "einen Welt" durch globalisierende Ökonomie und Internet nicht zu denken. Zugleich sind die einst gängigen Narrative, seien sie nun zyklisch, darwinistisch oder teleologisch strukturiert, nicht nur wegen ihres Eurozentrismus abgetan, und das Webersche Konzept von Modernisierung, Rationalisierung und Bürokratisierung deckt nur einen Teilbereich ab.

Auf den durch Marcel Mauss' "Essai sur le don" (1923/24) kraftvoll vorgezeichneten Pfaden die Regeln und Praktiken des Schenkens, Empfangens und Zirkulierenlassens von wertvollen und sinngeladenen Gütern in vormodernen Gesellschaften zu rekonstruieren verspricht dem Historiker hingegen Antworten auf die Grundfragen nach der Entstehung von Macht und Abhängigkeit, sozialer Stratifikation und Solidarität. Beate Wagner-Hasel betrachtet derlei Bemühungen als ein Resultat des Modernisierungsprozesses selbst: Die Praxis des Schenkens bedürfe immer dann einer theoretischen Rückeroberung, wenn die aktuellen Tauschformen im Visier der Zeitkritik stünden. Wie andere aus dem Unbehagen über die Moderne entstandene Paradigmen der Deutung antiker Gesellschaften enthält auch die Theorie der Gabe also ein Moment spiegelnder Verkehrung: "Es handelt sich beim Diskurs über die Gabe eben nicht nur um einen Versuch der Annäherung an archaische und verdrängte Praktiken, sondern auch und vor allem um einen Versuch der Selbstverständigung über das Verhältnis von Ökonomie und Moral in der Gegenwart, der immer auch in Utopien münden kann." Das liegt der Autorin natürlich ganz fern; konsequenterweise distanziert sie sich vom "modernitätskritischen Überhang" der Gabentauschdebatte.

Ihr ist eingangs eine aufschlußreiche wissenschaftsgeschichtliche Skizze gewidmet. Mauss' bahnbrechendes Buch ruhte auf sehr verschiedenen Säulen, vor allem dem Interesse der französischen Soziologie an Kollektiven und ihren Bindekräften, der Kritik am liberalen Marktmodell in der Historischen Schule der Nationalökonomie in Deutschland und den Bemühungen von Rechtshistorikern, auch solche Austauschphänomene begrifflich zu fassen, die sich in den Kategorien des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht fassen ließen. Seine Stärke war die Bündelung der vielfältigen Tausch- und Schenkungspraktiken unter dem einen, von Mauss mit beinahe magischer Substanz aufgeladenen Begriff der Gabe. Mochte dieser auch aus der modernitätskritischen Sehnsucht nach Wiederkehr der verlorenen Einheit zwischen Individuum und Gesellschaft erwachsen, so macht er doch das Soziale in der Dingwelt lesbar und ermöglicht damit eine bessere Analyse prä-, teil- oder postliteraler Gesellschaften. Dazu ist es freilich nötig, sich auf die Materialität der getauschten Güter einzulassen, deren Sinnengehalt nachzugehen und die Herstellungstechniken ins Auge zu fassen. Daß sie dies wenigstens exemplarisch unternimmt, bildet eine Stärke der Studie.

Zugleich ist sie ein bemerkenswerter Beitrag zur Debatte um die Entstehung des Staates im frühen Griechenland. Die Polisbildung faßt Wagner-Hasel nicht als Institutionalisierung von Gemeinschaftsaufgaben durch Ämter und Verfahren oder als Ausbildung von Territorialität durch Abgrenzung. Vielmehr schufen Gaben ein dichtes Bindungsgeflecht zwischen Führern und Gefolgsleuten, Männern und Frauen, ranghohen und statusniedrigen Personen, Herren im Zentrum und Hirten an der Peripherie, Verwandten, Nachbarn und Freunden. Dieses Netz erstreckte sich über das einzelne Haus und die Siedlungsgemeinschaft hinaus in den Raum. Bezeichnenderweise sind es bereits im homerischen Epos vielfach das Aufbrechen, die Begegnung unterwegs und das Ankommen, was Anlaß für Austausch von Gaben und Herstellung von Zugehörigkeit bietet.

Im fachinternen Diskurs über Polisbildung und Territorialität wird das Buch für Diskussionen sorgen. Ein Einwand kann freilich nicht verschwiegen werden: Aus der bald geduldigen, bald kühnen Analyse von Begriffsknäueln, Beziehungsgeweben und Wegenetzen auch noch einen dem Gegenstand kongenialen Text zu machen, dem charis innewohnt, der stimulierende Glanz des anmutig-wirksamen Wortes, hielte Wagner-Hasel wohl für eine frivole Überschreitung der ehernen Grenze zwischen Wissenschaftler und Erkenntnisobjekt. Schade ist das allemal. Denn der Stoff des Buches hätte sich jederzeit angeboten, "ein strahlendes Lied für die verständige Penelope entstehen zu lassen" (Odyssee 24, 197f.).

Die Erklärungskraft des Gabentausch-Modells zeigt sich auch in Klaus Bringmanns Studie über monarchische Wohltätigkeit in der Zeit des Hellenismus, der historischen Auswertung eines bereits vorliegenden kommentierten Materialkatalogs. Bringmann setzt zutreffend voraus, daß die Beziehungen zwischen den vorher autonomen griechischen Städten und den militärisch und ökonomisch übermächtigen Königen seit Alexander dem Großen weder rein rechtsförmig noch als ausschließliches Gewaltverhältnis zu verstehen sind. Die Städte gingen nicht in einem monarchischen Territorialstaat auf, sondern blieben Subjekte der Politik, die umworben werden mußten.

Der Tausch von Wohltaten gegen Anerkennung und Loyalität bildete für beide Seiten ein wichtiges Bindemittel, weil er den Städten erlaubte, sich ernst genommen zu fühlen, und den Monarchen ein Feld für den Wettbewerb um Loyalität und Anerkennung bot. Die monarchische Schenkungspraxis konnte von den Griechen auch deshalb akzeptiert werden, weil sie sich in der Rettung, Erhaltung und Förderung ihrer angestammten Lebensform, der Polis, manifestierte. Das reichte vom Schutz vor Barbarenübergriffen bis hin zu materieller Hilfe für die Verbesserung urbaner Lebensqualität oder der städtischen Finanzen. In jedem Fall kam es auch im Hellenismus darauf an, die gewonnene Loyalität auf Dauer zu stellen, indem an das Geschenk erinnert wurde, sei es durch rühmende Inschriften an Bauten und Denkmälern, sei es durch die Gabe selbst, wenn diese etwa in der Stiftung eines jährlichen Festes bestand.

Die ganze Vielfalt der Stiftungen, Weihungen und Schenkungen, soweit sie durch Funde nachweisbar sind, ist in dem Band von Barbara Schmidt-Dounas zusammengestellt und erörtert. Weil es naturgemäß unmöglich war, die genuin archäologischen Fragen etwa nach Typologien von Statuen und Bauten unmittelbar auf das Thema der Schenkungen zu beziehen, wirkt dieser detailfreudige Band bei allen Verdiensten konzeptionell mißglückt.

Der hohen Institutionalisierung der poleis und ihrem ausgeprägten Bedürfnis nach demonstrierter Autonomie war es zu verdanken, daß eine deutliche und zugleich schwer zu bestimmende Linie zwischen akzeptablen Freundschaftsgesten und unverschämten Bestechungsversuchen gezogen wurde. Zwar war es gängige Praxis, auch Gesandte, Magistrate und einzelne Bürger mit Einfluß auf die Empfängerliste für königliche Zuwendungen zu setzen. Indem die Herrscher so doppelgleisig fuhren, also die Stadt als ganze bedachten und gleichzeitig einzelne an sich zu binden suchten, trugen sie durchaus systemadäquat den komplizierten Entscheidungsfindungsprozessen in den griechischen Städten und Bünden Rechnung, sie verstärkten damit aber zugleich die inneren Konflikte dort.

Als der pergamenische König Eumenes II. den Fauxpas beging, die laufende Bezahlung der Ratsherren des Achäischen Bundes durch eine Stiftung offiziell anzubieten, hatte er die Grauzone des Austauschs von Wohltaten und Gefälligkeiten verlassen. Redner prangerten das an und - so ein Gewährsmann - "machten einen so großen Eindruck auf die Menge, daß niemand es wagte, für den König zu sprechen, sondern alle mit lautem Geschrei das angebotene Geschenk zurückwiesen". War auch das Geschenk von Anfang an mit der Bildung von Macht und der Wahrnehmung von Interessen verbunden gewesen, so ging doch sein Gehalt an Freundschaft und Ehre nie gänzlich verloren. Das macht es so reizvoll - für Schenkende, Beschenkte und Beobachtende.

Beate Wagner-Hasel: "Der Stoff der Gaben". Kultur und Politik des Schenkens und Tauschens im archaischen Griechenland. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000. 498 S., 19 Abb., br., 98,- DM.

Klaus Bringmann: "Geben und Nehmen". Monarchische Wohltätigkeit und Selbstdarstellung im Zeitalter des Hellenismus. Barbara Schmidt-Dounas: "Geschenke erhalten die Freundschaft". Politik und Selbstdarstellung im Spiegel der Monumente. Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Teil II: Historische und archäologische Auswertung. Akademie Verlag, Berlin 2000. Zus. XXVI, 594 S., Abb., Pläne, 348,- DM.

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