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B Von Menschen und Maschinen S Die Erfindung des Computers ist die letzte große Kultur-Revolution der Gegenwart. Sie steht in der Folge eines Prozesses, in dem sich das Denken zunehmend der Logik der Maschine angeglichen hat. Wie vollziehen sich kulturelle Umbrüche, und welche Rolle spielen dabei Maschinen? Dies sind die beiden Grundfragen, die Martin Burckhardt in seinem neuen Buch verfolgt. In einem Bogen von der vorchristlichen Zeit bis in die Gegenwart untersucht er die Triebkräfte unserer Kultur. Er fragt, wie mittelalterlich-christliche Gottesvorstellungen sich auf die Maschine…mehr

Produktbeschreibung
B Von Menschen und Maschinen S Die Erfindung des Computers ist die letzte große Kultur-Revolution der Gegenwart. Sie steht in der Folge eines Prozesses, in dem sich das Denken zunehmend der Logik der Maschine angeglichen hat. Wie vollziehen sich kulturelle Umbrüche, und welche Rolle spielen dabei Maschinen? Dies sind die beiden Grundfragen, die Martin Burckhardt in seinem neuen Buch verfolgt. In einem Bogen von der vorchristlichen Zeit bis in die Gegenwart untersucht er die Triebkräfte unserer Kultur. Er fragt, wie mittelalterlich-christliche Gottesvorstellungen sich auf die Maschine übertragen haben und von welchen Fantasmen ihr Auftauchen begleitet war. Martin Burckhardt verknüpt Geistes- und Technikgeschichte, indem er insbesondere die kulturtheoretische Bedeutung der Maschinen analysiert. Er entwickelt einen erweiterten Maschinenbegriff, der auch symbolische "Maschinen" wie das Schrift- und das Geldsystem einschließt. Wichtige Stationen sind u.a. die Erfindung des Alphab ets, die Enthauptung Ludwigs XVI. durch die Guillotine, Freuds Konzeption der Psyche als "Apparat" und die schillernde Figur Alan Turings, der den Computer erfunden hat. Einmal mehr erweist sich Burckhardt als ein Autor von besonderer Originalität, der historische Phänomene aus heutiger Perspektive beleuchtet und es auf diese Weise ermöglicht, die computervernetzte Welt und ihre Ursprünge besser zu verstehen.
Autorenporträt
Martin Burckhardt ist freier Autor, Audiokünstler und Kulturtheoretiker. Er lebt in Berlin und ist als Dozent an der Humboldt-Universität und an der FU Berlin tätig. Er verfasste zahlreiche Hörstücke und Essays. 1994 veröffentlichte er bei Campus sein Buch Metamorphosen von Raum und Zeit. Eine Geschichte der Wahrnehmung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Die Wolken zieh'n dahin, sie zieh'n auch wieder her
Martin Burckhardts Zeichen leben einmal und werden dann zu Engeln: Die Maschine ist nicht nur ein Ding/ Von Jörg Ulrich

Max Webers Formel von der "Entzauberung der Welt" ist spätestens seit Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" problematisch geworden. Es wurde deutlich, dass Irrationalität und Transzendenz mit dem Siegeszug der Vernunft nicht verschwinden, sondern in die Immanenz gleichsam einwandern und die Menschen fortan gründlicher in ihren Bann schlagen, als dies vordem Götter, Geister und Dämonen jemals vermocht haben. Möglicherweise sind die darauf zielenden Hinweise, etwa die These Heideggers, mit der Weltherrschaft der modernen Technik beginne erst die Weltherrschaft der Metaphysik, zu wenig ernst genommen worden.

Der Kulturhistoriker Martin Burckhardt hat sich dieser Probleme angenommen und in weit ausgreifenden, das Thema geradezu umzingelnden Interpretationsanläufen zu zeigen versucht, "dass der Maschine etwas Wunderbares innewohnen muss", nämlich ebenjener Geist, aus dem die Maschine als materielles Ding erst entstand: der Geist der Besessenheit und des Phantasmas. Den Leser erwartet keine technikgeschichtliche Abhandlung, sondern eine sozial- und kulturkritische Untersuchung, in deren Mittelpunkt die theologische Dimension des von Burckhardt entfalteten Maschinenbegriffs steht: die Maschine als "eine Art Gottesprogramm, die Verschiebung und Verdinglichung einer transzendenten Energie".

Für Burckhardt ist die Maschine zunächst ein gesellschaftlicher "Denkzwang", der sich erst dort zum "Sachzwang" wandelt, wo dieses Denken in ein Ding umgesetzt wird. So beginnt das Buch mit der Untersuchung des Niedergangs vorchristlicher Gemeinwesen durch die Entstehung der Geldwirtschaft und die Herausbildung des Alphabets als eines Zeichensystems, das von den Dingen, die es bezeichnet, abstrahiert, so dass nicht das Zeichen unmittelbar eine materielle Realität bedeutet, sondern das Gesamt der Zeichen eine von dieser gelöste symbolische Maschine, aus deren Einzelteilen Bedeutung erst zusammengesetzt werden muss. Ebenso das Geld, das für sich genommen nichts ist und zu einem Etwas erst wird durch den kollektiven Denkzwang, es könne ein jegliches konkretes Ding wertmäßig repräsentieren.

Die Entfaltung des Maschinengeistes stellt so gesehen einen Prozess fortschreitender Abstraktion dar, in dessen Verlauf Denkzwänge zu Sachzwängen umfunktioniert werden, die in der Gestalt eines "natürlichen Zwangs" erscheinen. Wer immer "an eine Natur der Sache appelliert, verleugnet, dass man es mit einem sachgewordenen Denkzwang zu tun hat". Durchgehend verkörpert die Maschine den Stand einer von Naturzwängen sich lösenden Gesellschaft, die ihre im Verlauf dieser Loslösung selbst geschaffenen Zwänge wiederum in einem Akt phantasmatischer Selbsttäuschung als Naturtatsachen auffasst. Das kollektive Selbstverständnis, so könnte man Burckhardt interpretieren, ist immer kollektive Selbsttäuschung, geboren aus dem Wunsch nach Erlösung von den Zwängen, die gewissermaßen aus der Schwerkraft der Existenz einer materiellen Realität erwachsen, deren Überwindung bereits vor der christlichen Heilsbotschaft und weit über diese hinaus das unangefochtene Ziel zu sein scheint. So wird auch verständlich, warum die Maschine immer "Wunschmaschine ist. Fetisch. Devotionalie."

Burckhardt zeigt in einer Reihe faszinierender Interpretationen, wie sich eine Linie kultureller und gesellschaftlicher Umwälzungen von den Anfängen des Alphabets bis zum Computer zieht. Entscheidend dabei ist immer der Versuch einer symbolischen Überwindung der materiellen Welt, worin eben der nachweislich phantasmagorische Zug dieser Umwälzungen besteht. Weltbewältigung als Weltflucht, Privation schließlich, Weltvernichtung. Der Schlüssel zu den Einzelinterpretationen, etwa des Dogmas von der unbefleckten Empfängnis, der Freudschen Theorie des Unbewussten oder der Lebensgeschichte des Computerkonstrukteurs Turing, liegt in der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes mechane - "Betrug an der Natur". Die Maschine überwindet die Natur und simuliert gleichsam im Vollzug ein- und derselben Bewegung deren urwüchsige Macht, die universelle Produktion und Reproduktion der Welt: machina mundi, Weltmaschine.

Das, "was sich als Philosophie der Natur ausgibt", heißt es an einer Stelle, "meint tatsächlich ihre Abtreibung - und ihre erneute Aufstehung in Form der Maschine". Und dies alles kommt aus der Aufladung der Maschine mit den kollektiven Denkzwängen, vom Bedürfnis nach Transzendenz letztlich und nach der Überwindung von Tod, Zeit und Geschichte. Ein Kaninchen kann man nur aus einem Zylinder hervorzaubern, sagt Burckhardt, wenn man es zuvor selber hineingesteckt hat. Das wusste bereits Kant, als er schrieb, wir könnten nie eine Gesetzmäßigkeit in der Natur finden, wenn wir sie nicht selbst ursprünglich hineingelegt hätten. Der Blick auf "Natur" ist immer ein Blick in den Spiegel unserer eigenen Obsessionen.

Frisst die Aufklärung ihre Kinder? Oder spuckt sie sie aus in eine bisher nicht gekannte Freiheit? Darin bestehen nach Burckhardt "die Verheißung und die Drohung der Abstraktion". Die Kultur ist eine Engelmacherin. Sie treibt die Natur ab und setzt sich engelsgleich an ihre Stelle - als das freie Floating der reinen Zeichen. Einst drängte er das Wort, zum Wohle der Menschheit Fleisch zu werden. Die Informationsjunkies des Internet gehen den umgekehrten Weg. Das Fleisch wird Wort, Zeichen, Symbol.

Mitten im Diesseits sind wir somit in ein Jenseits gestellt, das längst vom Himmel auf die Erde heruntergeholt ist. Die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, scheint obsolet geworden zu sein. Weltüberwindung als konkret gewordene Abstraktion treibt auch den Geist ab, der in einer solchen Frage lebt, und hinein in ein "befreiendes Nichts". Gewiss, Gott ist tot, aber er hält sich durch diesen Tod hindurch und über ihn hinweg, lebt mithin weiter als die ins Unendliche rasende Entzifferung der Chiffre seiner selbst.

Die Rätselhaftigkeit dieses metaphysischen Abgrundes ist zugleich das Faszinosum, das den Leser an jede einzelne Seite des blitzgescheiten Buches von Burckhardt fesselt. Selbstverständlich kann der Autor den Abgrund nicht vollständig ausleuchten und erst recht keine Brücke darüber legen. Am Ende bleibt ihm daher nur zu schreiben "Ich werde aus dem Haus gehen. Es gibt keinen Grund, ich habe nichts vor. Da ist nur der Wunsch, diesen großen, weiten Himmel zu spüren. Nichts sonst."

Martin Burckhardt "Vom Geist der Maschine". Eine Geschichte kultureller Umbrüche. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 1999. 409 S., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Hierbei handelt es sich nicht um eine technikgeschichtliche Abhandlung, schreibt Jörg Ulrich in seiner wohlwollenden Kritik, sondern um "eine Reihe faszinierender Interpretationen" des Begriffs der Maschine, die aber wohl eher philosophisch ausfallen. Schon das im vorchristlichen Zeitalter eingeführte Alphabet begreife Burckhardt als "Maschine", weil die Zeichen sich hier in einer abstrahierenden Bewegung von den Dingen lösten und einen Denk- und Sachzwang auslösten. Die Geschichte der Maschine beschreibe Burckhardt als eine "der symbolischen Überwindung der materiellen Welt".

© Perlentaucher Medien GmbH"